Der Spielverderber

Wie im letzten Artikel beschrieben, gibt es durchaus spannende Weine aus exotischen Rebsorten in Deutschland. Trotzdem stellt sich mir die Frage, ob die Pflanzung von Syrah, Cabernet und Merlot in hiesigen Hängen diesen eigentlich eine neue Terroirdimension eröffnet. Entlocken deutsche Winzer den Reben irgendwann etwas, was sie nirgendwo anders zeigen?

Wenn nicht – und zumindest bei den roten Sorten ist mir selten ein Wein begegnet, den ich als einzigartig und auf positive Weise deutsch bezeichnen wollte – dann hielte nur der Preis als Kaufargument her. Wie schlägt sich also ein deutscher Syrah im Vergleich zu einem ähnlich bepreisten Wein aus einem klassischen Heimatland der jeweiligen Rebsorte. Ich habe wenige Vergleichsweine, insbesondere wenn es um reinsortigen Merlot geht, sieht es in meinem Keller zappenduster aus. Immerhin einen höherwertigen Syrah habe ich gefunden, der auf den Cent so viel kostet wie der Gestad. Ich hatte ihn vor anderthalb Jahren schon mal getrunken, da war er noch nicht ganz trinkreif. Das ist jetzt anders und der Wein relativiert die Begeisterung für exotische Deutsche erheblich.

Südafrika wie es besser nicht schmecken kann

Glen Carlou, Syrah 2004, Wine of Origin, Paarl, Südafrika. In der ausladenden Nase Brombeere, Johannisbeere, blonder Tabak, Lakritz und Menthol. Am Gaumen ist der Glen Carlou supersaftig mit viel Johannisbeere und Kirsche, ganz feinem, reifen Tannin, süßer Frucht und schöner Säure. Er wirkt kühl, 14,5% Alkohol sind erstaunlich gut versteckt; eine leichte Mineralik und etwas Lakritz runden das Bild ab. Dabei ist der Syrah druckvoll aber nicht breit, das Holz mittlerweile sehr dezent. Der Abgang währt ewig.

Es ist nicht ganz fair, Südafrikas Wein des Jahres 2006 als Vergleich heranzuziehen, aber wenn ich doch keinen anderen habe… Immerhin in einer Hinsicht ist dieser Weltklassewein gegen die deutsche Konkurrenz machtlos: bei der CO2-Bilanz. Doch bei so viel Wonne im Glas, werde ich zum Umweltsünder.

Kellerleiche (3)

‚Da waren die Augen wohl größer als der Magen‘ pflegte meine Mutter mit Blick auf den halbvollen Teller zum Essensende zu sagen, wenn ich als kleiner Junge eine deutlich größere Portion eingefordert hatte, als ich später dann auch zu verdrücken im Stande war. Es dauerte eine Weile, bis ich lernte, wie das mit dem Portionieren funktioniert.

Als ich als Teenager das erste Mal im Urlaub in südlichen Gefilden auf Halbpensions-Buffets traf, war das Erlernte spontan nicht mehr abrufbar: Im Bestreben, alles zu probieren, landete wieder mehr auf dem Teller als später in den Magen Einzug halten wollte. Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich dank passender Buffet-Strategie der Vergeudung von Lebensmitteln entgegenwirken konnte.

Es gibt nicht nur phonetisch eine Ähnlichkeit zwischen ‚Teller vollmachen‘ und ‚Keller vollmachen‘.

Als ich zum ersten Mal einen zur Weinlagerung geeigneten Kellerraum zur Verfügung hatte, dauerte es erneut eine ganze Weile, bis ich die richtige Strategie zur Befüllung mit tatsächlich konsumierbaren Mengen gefunden hatte. Ein wesentlicher Baustein dieser Strategie war: ‚Vermeide 12 für 11 Angebote‘, mithin jene beim Deutschen Weinhandel beliebten Offerten, 12 Flaschen eines Weins zu ordern, aber nur 11 bezahlen zu müssen und obendrein das Porto zu sparen. Außer bei sehr lange haltbaren Weinen gelingt es mir nicht, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne 12 Flaschen des gleichen Weines zu trinken. Der Rest liegt dann da im Keller und nimmt eigentlich nur Platz weg. Ab und zu traue ich mich an eine solche Kellerleiche. Bei dieser hier war ich sehr erstaunt, wie hervorragend der Wein mundet. Ich empfand ihn schon in der Jugend als einen sehr seriösen Wein. Jetzt weiß ich, dass er auch sehr ordentlich reift.

Mulderbosch, Sauvignon Blanc, 2004, WO Stellenbosch, Südafrika. Die Nase ist altersmilde: Stachelbeere und grüne Paprika, dazu Sellerie und ein leichter Stinker aber alles sehr dezent. Am Gaumen überraschend ernsthaft, schöne volle Struktur, süße Frucht von Apfel und Birne, sehr gehaltvoll und mineralisch. Im mittellangen Abgang mineralisch aber auch etwas austrocknend. Ein wunderbarer Wein, der allerdings an der Luft nicht lange durchhält. Zwei Stunden nach dem Öffnen verabschiedet sich die Frucht.

Vorrundenwein

Der heutige WM-Spieltag brachte eine Reihe bitterer aber auch einen erfreulichen Moment für mich. Da das hier kein Fußballblog ist, spar ich mir mal die bitteren und komme direkt zu dem erfreulichen Moment.

Glen Carlou, Syrah 2004, Wine of Origin, Paarl, Südafrika. In der Nase eine kräftige Kuhstallnote, rote Beeren, Zigarrenkiste, Lavendel, Liebstöckel und einiges mehr – der Wein zeigt in der Nase die Komplexität eines großen Weines, allerdings ohne je ganz harmonisch zu riechen, denn der Stinker spielt immer mit. Am Gaumen ist der Wein alles auf einmal, fruchtig, mineralisch, erdig, mit Spiel, Struktur und Opulenz. Der Reihe nach: Johannisbeere und Pflaume begleiten eine deutliche Lakritznote auf einer von angenehmer Säure spielerisch gestalteten Reise über ein Bett aus Bleistiftspäne, nachdem alle von ein paar noch präsenten aber schon reifen Tanninen abgebremst werden, klingen sie in einem wahrhaft langen Abgang aus. Das ganze spielt alkoholbedingt in wärmeren Gefilden von 14,5%, die aber noch als Nestwärme durchgehen.

Großer Wein, großer Trost.

Herdentrieb

Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass in deutschen Weinblogs dieses Jahr eine hohe Zahl von südafrikanischen Weinen verkostet, beschrieben und rezensiert werden wird. Die Fußball-WM bringt das Land in aller Munde und Gläser. So könnte sich am Ende ein recht umfassendes Bild der besseren Weine Südafrikas ergeben. Ich werde wenig dazu beitragen können, habe ich doch ungefähr dreieinhalb Weine vom Kap im Keller. Aber meinen nominell ‚besten‘ wollte ich dieses Jahr sowieso antesten. Auch wenn zwei weitere Jahre Flaschenreife dem Wein gut tun werden, war dieser erste Test ein Vergnügen:

Vergelegen, Vergelegen rot, Rotweincuvée, 2001,WO Stellenbosch, Südafrika. Cabernet Sauvignon und Franc sowie Merlot in mir nicht bekannter Zusammensetzung. In der Nase hochkomplex: viel Johannisbeere, etwas Kuhstall, Thymian, Estragon, Holz, nobel und an einen Bordeaux erinnernd statt typisch ‚neue Welt‘ (keine Schokonoten, nichts marmeladiges). Am Gaumen ist der Wein mollig, noch zu jung mit viel Tannin, vollfruchtig mit reichlich Kirsche aber auch ziemlich mineralisch. Er glänzt mit guter Struktur und Länge. Der Alkohol ist erstaunlich gut eingebunden, aber es bleiben 15% und am Gaumen besteht kaum noch Verwechslungsgefahr mit einem Bordeaux. Ein vergleichsweise drahtiger Power-Wein, eher Klitschko als Tyson. 91+ Punkte