Berlin Kabinett Cup 2014/15

Nach dem Cup ist vor dem Cup. Nur fünf Tage nach dem Berlin Gutsriesling Cup saß ich wieder beim Berliner Weinfreund Martin Zwick um gemeinsam mit Weinbloggern, -händlern und -liebhabern über Weine zu urteilen, diesmal beim Berlin Kabinett Cup. Berlin Kabinett Cup 2014/15 weiterlesen

Riesling GG 2005: die Versöhnung der Erzfeinde

Ich habe mir einen Traum erfüllt. Keinen überkandidelten, eigentlich unerfüllbaren oder sonst wie spektakulären. Einen, den viele Menschen haben und sich regelmäßig erfüllen. Aber die Vorbereitungszeit ist verdammt lang, man kann sich 9 Jahre drauf freuen (Glas halb voll) oder muss mindestens 9 Jahre drauf warten (Glas halb leer). Und man braucht einen Keller, nicht irgendeinen, sondern einen geeigneten Keller. Spätestens jetzt haben Sie es erraten, oder? Riesling GG 2005: die Versöhnung der Erzfeinde weiterlesen

VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden 2014

Tag 1 der Wiesbadener GG Präsentation ist geschafft. Eines weiß ich jetzt schon, 400 Weine werde ich nicht verkosten. Dazu sind die Eindrücke zu Vielfältig und die Weine zu fordernd. Am Ende des ersten Tages habe ich zwar schon eine gewisse Vorstellung vom Jahrgang 2013, verkneife mir aber das Fazit oder pauschale Urteil. Stattdessen hier nur meine Eindrücke der verkosteten Weine nach Gebiete sortiert. VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden 2014 weiterlesen

Die After-Show-Party

Das schönste an einer Weinprobe ist für viele das Bier danach. Da ich Bier nicht gut vertrage, bin ich nicht in Versuchung: Für mich ist das schönste an einer Weinprobe die Weine danach. Das liegt auch daran, dass die meisten von mir besuchten Weinproben keine professionellen Verkostungen, sondern Versammlungen von Enthusiasten sind. Und nach dem offiziellen Programm beginnt bei solchen das etwas planlose aber umso begeistertere Querbeet-Blind-Probieren. Nach der letzte Woche beschriebenen Lembergerprobe war es wieder soweit und diesmal oblag es mir, den Zeremonienmeister zu geben.

Diesem Zeremonienmeister kommt die besondere Rolle zu, die Stimmung seiner Gäste zu spüren und den dazu passenden nächsten Wein zu finden. Dabei sollte er Selbstbeherrschung an den Tag legen, der Versuchungen sind viele. Er ist der einzige, der weiß, was die Gäste im Glas haben und das gilt es, die anderen niemals spüren zu lassen. Idealerweise lenkt er sie behutsam in die richtige Richtung, stellt der Reihe nach Konsens über Rebsorte(n), Anbaugebiet, Jahrgang und weiteres mehr her, denn das größte Vergnügen bei der After-Show-Party ist das gemeinsame Erraten des Glasinhaltes. Jede hochgezogene Augenbraue bei weit am Glasinhalt vorbei zielenden Mutmaßungen gilt es zu unterdrücken. Überhebliche Moderatoren sind die schlimmste Form des Party Poopers. Also steuert er demütig und mit Pokerface den Dialog der Gäste bis er in der Hoffnung aufdeckt deren Geschmack getroffen zu haben.

Los geht das Ratespiel häufig mit einem Reparaturwein, nach Rotweinproben meist einem süßen Riesling. Letzte Woche startete ich meinen Job unter erschwerten Bedingungen, denn nur zwei Mitstreiter gelüstete es nach einer Auslese, der Großteil wollte noch ein wenig weiter die Reste aus den Rotweinflaschen nachverkosten. Also öffnete ich eine Halbflasche. Kaum war das Plopp des Korkens verklungen, änderten jedoch alle Teilnehmer ihre Meinung. Also folgte eine ganze Flasche einer weiteren Auslese – die After-Show-Party trägt auch den Beinamen ‚Stunde der Kühlmanschetten‘. (Kühlmanschetten sind sowieso das wichtigste Weinzubehör, wenn mehr als drei Weinfreaks in einem Raum sind).

Eine weitere Versuchung, der es zu widerstehen gilt, ist der Wunsch möglichst teure Flaschen zur blauen Stunde zu öffnen. Schließlich haben die Gäste schon mehr als 20 Weine probiert, da geht es nicht mehr um die letzte Feinheit, sondern um ein paar Überraschungsmomente. In meinem Weinvorrat befinden sich Flaschen, die ausschließlich solchen Gelegenheiten vorbehalten sind – meist Restflaschen eines ehemals größeren Postens besonderer Weine. Die zweite Runde läutete genau so ein Wein ein: Kellers Neumond von der Weinentdeckungsgesellschaft. Und hier ging es mit mir durch, einer der Tipps zum Riesling war zu eindeutig (‚Dieser Wein ist ein Unikat‘). Der Neumond war rasch identifiziert. Trösten konnte mich der Glasinhalt: so gut wie letzte Woche hat sich der Keller bisher noch nicht präsentiert. Nach kurzer Erläuterung der Weinentdeckungsgesellschaft kam der nächste Wein offen ins Glas, meine letzte Flasche ‚Roter Baron‘ – Knipsers Beitrag zum Projekt. Aber Höhen und Tiefen liegen nah beieinander – der Rote Baron war uncharmant. Drei Tage später trank ich den Rest der Flasche und er hatte seine sehr kantige Art abgelegt, war ein angenehmer Rotwein; der Zauber der frühen Flaschen ist aber wohl dahin.

Einen letzten Wein hatte ich noch im Köcher. Es galt eine Scharte auszuwetzen. Knapp ein Jahr ist es her, dass ich mich mit der Hälfte meiner Gäste zu einer kleinen frugalen Probe mit dem Thema ‚Bordeaux unter 25 Euro‘ zusammengefunden hatte. Ich hatte – halb scherzhaft, halb größenwahnsinnig – angekündigt, den Siegerwein mitzubringen. Einen Abend vor dem Showdown feierte ich eine gelungene Generalprobe mit dem Wein um dann Tags darauf mit einer schwachen Flasche den letzten Platz zu belegen. Die allerletzte Flasche Rollan de By 2003 lag seitdem zur Ehrenrettung bereit. Und da war es, das versöhnliche Ende. Es war die perfekte Flasche eines perfekt gereiften Bordeaux. Einzig ein Luxusproblem tat sich auf: Wenn man für 15 Euro so gute, langlebige Rotweine aus Bordeaux kaufen kann, warum soll man dann überhaupt etwas anderes trinken, fragte einer der Gäste. Aber das war vermutlich eine Scherzfrage.

Und das gab es zu trinken:

Kerpen, Wehlener Sonnenuhr Auslese **, 2006, Mosel: Sehr gut aber jahrgangsbedingt auch sehr dick. Hält sicher noch eine Weile

Ludwig Thanisch & Sohn, Brauneberger Juffer Auslese **, 2005, Mosel: Schlanker als der Kerpen, mit angenehmen Gerbstoffen, die der Süße etwas entgegenstellen.

Keller, Neumond, Riesling, 2009, Rheinhessen: Derzeit in fantastischer Verfassung, wer einen hat, jetzt öffnen und nicht dekantieren.

Knipser, Der Rote Baron, o.J., Pfalz: Derzeit lieber nicht anfassen oder länger dekantieren.

Chateau Rollan de By, 2003, Bordeaux: Der Wein ist seit nunmehr 9 Jahren unverändert eine Granate.

Weinrallye No. 68 – die perfekte Weinkarte

Christoph verwandelt sein Blog ‚Originalverkorkt‘ heute in die Aktionsplattform zur 68. Weinrallye und bittet um Antworten auf die Frage: ‚Wie sieht Eure perfekte Weinkarte aus?‘ Das ist ein weites Feld und ich liebe weite Felder. Also legen wir los. Die perfekte Weinkarte deckt jedes Anbaugebiet nach drei Kriterien ab: Jugend, Grandezza und Klassik. Von der Mosel könnte man also Knebel für die Jugend, Molitor für die Grandezza und Thanisch (Ludwig & Sohn, keine Witwen und Waisen) für den klassischen Stil und hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis nehmen. Aus der Pfalz… Haha, Felix schreibt eine Weinkarte? Klar, und der Mond besteht aus Käsekuchen.

Ich bin aus Hamburg und in Hamburg sieht die ideale Weinkarte tatsächlich so aus. Aus jedem Dorf ’n Köter, möglichst prominent, dazu ein paar Newcomer oder wiedererstarkte Traditionsbetriebe, vor ein paar Jahren waren das Winter, Kranz und Schloss Lieser, heute sind es Wechsler, Bickel-Stumpf oder Ress. Letztere geben der Karte einen Hauch von Avantgarde und bedienen die Klientel mit dem kleineren Budget.

Gegen diese telefonbuchdicken Weinkarten, die sich wie das Who-is-Who der Weinwelt lesen ist nichts einzuwenden. Ich bin nur nicht der richtige Gast dafür, da ich, was Deutschen Wein angeht, auf lauter Positionen treffe, die ich auch daheim im Keller habe.

Nun lebe ich seit anderthalb Jahren in Berlin. Irgendjemand stellte vor ein paar Tagen bei Facebook die Frage zur Diskussion, ob Berlin Deutschlands Weinhauptstadt sei und es gab allen ernstes ein paar Zweifler (die München gern zu selbiger küren wollten). Man hätte auch darüber diskutieren können, ob der Papst katholisch ist – die Frage ist ähnlich knifflig zu beantworten. Berlin, Deutschlands Weinhauptstadt, hat einige Weinkarten im Angebot, die dem Hamburger Konzept vollständig zuwider laufen und gerade deswegen so gut sind. Meine erste Begegnung mit einer solchen hatte ich im Restaurant Reinstoff. Ivo Ebert serviert ausschließlich Weine aus Spanien und Deutschland. Wer sich nun fragt, ob man ohne Frankreich eine Weinkarte von Klasse zusammenstellen kann: das Reinstoff hat mittlerweile zwei Michelin-Sterne. Die teilweise wilden Spanier, die Ebert auch glasweise ausschenkt, heben so manches Gericht in höchste Höhen. Dass Molitor zum Repertoire gehört, versteht sich von selbst…

Und dann saß ich neulich in meiner Lieblingsweinbar, dem Rutz, als mir der Sommelier ein Glas zum probieren hinstellte. ‚Hier, die Flasche hat ein Gast gerade mit wenig schmeichelhaften Worten zurückgehen lassen.‘ Es handelte sich um einen weißen der Domaine de l’Horizon. Sommelier Billy Wagner hatte den Wein als Speisenbegleiter vorgeschlagen, der Gast fand ihn schaurig und verlangte ‚Chardonnay aus dem Barrique, von irgendwoher‘. Das schöne an meiner Lieblingsweinbar ist, sie verkaufen keine Weine, die von irgendwoher kommen oder schmecken, als könnten sie von irgendwoher kommen. Ich finde die Karte im Rutz fast grandios (es fehlt halt Molitor), besagter Gast sah das vermutlich anders und wünschte sich in dem Augenblick bestimmt nach Hamburg. So gibt es sie nicht, die ideale Weinkarte. Es gibt nur gute Weinkarten und für jede gute Weinkarte den idealen Gast.

Was wäre denn, wenn man das Hamburger mit dem Berliner Modell vermählte? Dann wäre die Karte dick wie zwei Telefonbücher und der ganze Pfiff raus (aber jede Menge Molitor drin). Wenn ich eine Weinkarte in die Finger kriege, versuche ich ein Konzept zu erkennen. In Berlin erkenne ich es regelmäßig. Berliner Weinkarten sind wie Frankfurter Zeitungen: dahinter steckt immer ein kluger Kopf – nur bitte nicht meiner. Ich genieße lieber die wilden Spanier in Rutz und Reinstoff oder trinke zuhause Weine, die schmecken, als kämen sie von irgendwoher. Die können auch richtig gut sein, so wie dieser:

Nicht von irgendwoher, sondern aus dem eigenen KellerWittmann, Chardonnay -S-, 2005, Rheinhessen. Der Wein riecht nicht, er duftet: ziemlich frisch aber auch typisch für einen gereiften Chardonnay. Da ist etwas Butter, Haselnuss und Karamell, aber auch Ananas und Mandarine. Am Gaumen verfügt der Wein über schöne Säure und ein paar Gerbstoffe, das raut ihn etwas auf und bildet einen schönen Kontrast zur cremigen Buttrigkeit der Rebsorte und des Barrique-Ausbaus, der Vanille zum Aromenspektrum beisteuert. Der Chardonnay ist konzentriert und hat 14% Alkohol ohne dick zu sein oder gar schwer. Diese Balance aus Frische, Gewicht und Reife macht ihn zu einem faszinierendem Wein. Der Abgang ist sehr lang und mir eine Spur zu süß, sonst wäre ich restlos geplättet.