Ich habe Champagner probiert wie nie zuvor in meinem Leben und wie kaum jemand sonst vor mir und meinen Mitstreitern. Die Geschichte einer epischen Erfahrung.
Ob ich Lust hätte, mich an der Organisation einer Probe besonderer Champagner aus dem besonders guten Jahrgang 2008 zu beteiligen, lautete die Frage von Christoph und Sascha von der FWH Fine Wine Handel GmbH Mitte letzten Jahres. Zwei Aufgaben waren für mich vorgesehen: die Einteilung der anstehenden Weine in Flights und die Akquisition von Mitverkostern aus dem professionellen Umfeld. Letzteres war kein Problem. Die meisten Kollegen, die ich ansprach, waren ob des geplanten Probenfeldes elektrisiert. Denn folgende 24 Champagner standen auf dem Programm.
Die Weine der Probe (alle Jahrgang 2008)
- Deutz, Amour de Deutz
- Emmanuel Brochet, Les Hauts Chardonnays
- Dhondt Grellet, Les Pensees
- Selosse, Extra Brut
- Louis Roederer, Cristal
- Egly Ouriet, Brut Grand Cru
- Ulysse Collin, Les Roises
- Krug, Clos du Mesnil
- Salon, Brut Blanc de Blanc Le Mesnil
- Jacquesson, Avize – Champ Cain
- Pol Roger, Sir Winston Churchill
- Bollinger, Vieilles Vignes Francaises, Pinot Noir
- Billecart-Salmon, Cuvee Nicolas Francois
- Philipponat, Les Cintres, Pinot Noir
- Henry Giraud, Argonne Grand Cru
- Vilmart & Cie, Coeur de Cuvee
- Doyard, Les Lumieres Extra Brut Grand Cru
- Benoit Marguet, Oenotheque Sapience
- Krug
- Bollinger, RD
- Dom Perignon
- Jaquesson, Vauzelle Terme
- Cedric Bouchard, Roses de Jeanne, Les Ursules
- Marie Noelle Ledru, Millesime (Ambonnay)
Für diejenigen Leser, die diesem Blog eher wegen der Riesling-Berichterstattung folgen: Das sind nicht einfach nur hochwertige (und teils sehr teure) Weine, es handelt sich bei manchen um extrem rare, in winzigen Stückzahlen produzierte Champagner mit mythischem Ruf (den kaum jemand je überprüfen kann, weil es so wenig davon gibt).
Äpfel und Birnen im gleichen Korb
Mitverkoster waren also rasch gefunden. Schwieriger gestaltete sich die Frage nach der Flight-Einteilung. Eine Probe dieser Weine ist immer ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Auf der Seite der Gemeinsamkeiten steht wenig: Champagner aus dem Jahr 2008. Unterschiede finden sich bei den Rebsorten: Blanc de Blancs, Blanc de Noirs, Cuvées oder bei der Dosage: von brut nature bis brut mit 8 Gramm Zucker pro Liter und einigen brut ohne genauerer Angabe, die evtl. noch höher liegen. Das kürzeste Hefelager dauerte drei, das längste dreizehn Jahre. Stahl, gebrauchtes und neues Holz und diverse Mischungen davon sowie eingeleitete und vermiedene malolaktische Gärung – es war alles dabei.
Ich entschloss mich zur Flucht nach vorne. Ich schrieb Jacques Selosse an und fragte ihn, welche Weine er denn in einem Dreier-Flight neben seinen Wein stellen würde. Er ließ mich über eine Mitarbeiterin ein paar Dinge wissen: Erstens sei es eine sehr gute Idee, jetzt den Jahrgang 2008 zu probieren, denn er präsentiere sich fantastisch. Zweitens halte er von solchen Proben wenig, denn diese Weine stünden für die ganze Vielfalt der Champagne und irgendwelche Ranglisten und Punkte, was da jetzt wem besser gefiele, würden der Sache nicht gerecht. Und drittens würde er Cristal und Egly Ouriet in ‚seinen‘ Flight wählen (Begründung unten im Probenprotokoll).
Die ganze Vielfalt der Champagne
Das war Wasser auf meine Mühlen. Wer hier regelmäßig liest, weiß, wie gerne ich Punkte und Ranglisten vermeide. Wenn schon Selosse uns nahelegte, lieber die Champagne in ihrer Vielfalt zu feiern, warum sollten wir dann einen Wettstreit draus machen. Also einigten wir uns im Organisatorenteam schnell darauf, dass es keinen Zwang zu Bewertungen geben würde. Die Verkoster waren angehalten, ein paar persönliche Favoriten zu wählen, die sie auf ein Porträtfoto mitnehmen würden. Das waren Weine, die selbst in diesem Kontext besonders waren, was nicht als Rangliste zu begreifen ist.
Nach einem schnellen Start gestaltete sich die weitere Einteilung der Flights mühsam. Es ist doch sehr viel Arroganz in der Champagne zu Hause. Etliche angefragte Weingüter reagierten erst zäh und später gar nicht mehr. Nur durch die Corona-bedingte Verschiebung der Probe konnte ich das Konzept zum Ende führen. Danke also an das Team Selosse, Olivier Collin, Julie Cavil und das Team von Krug, an Axel Gillery, Florent Nys und die Kommunikation von Billecart-Salmon sowie an Laurent Champs – auch an das Team von Deutz und Marie Noelle Ledru, die mangels Kenntnis der anderen Weine keine Hilfe leisten konnten, aber mir sehr schnell antworteten. Die letzten sechs Weine teilte ich schließlich selber ein, in einen reinen Blanc-de-Blanc-Flight zum Start und einen fast reinsortigen Pinot-Noir-Flight zum Schluss.
Champagner 2008 – die Einzelbetrachtung
Und so trafen wir uns am letzten Freitag vor der ProWein im Berliner Restaurant ‚The Chord‘ zu einer denkwürdigen Verkostung. Zur Begrüßung gab es einen Wein aus 2008, der gut außer Konkurrenz laufen konnte, denn wir hatten das Thema Rosé bewusst ausgeklammert.
Dom Perignon Rosé 2008 (aus der Magnum). Wundervolle Farbe (ist mir normalerweise egal, aber was für ein strahlendes Rosa!). Die Nase ist extrem Hefe-geprägt und hält nur wenig Frucht bereit. Dafür am Gaumen satt fruchtig, viel Himbeere, daneben aber auch viel Kreide – süße Frucht, aber gefühlt staubtrocken und im Abgang endlos fein schmirgelnd. Das gefällt mir sehr. (Es war noch nicht die Zeit für detaillierte Notizen).
Die Weine in Ihren Flights mit meinen Verkostungsnotizen und ein paar Informationen, wie das Internet sie bereit hält:
Flight 1: Deutz Amour de Deutz, Emmanuel Brochet Les Hauts Chardonnays, Dhondt Grellet Les Pensees
- Deutz, Amour de Deutz
Wo: Avize (57%), Mesnil-sur-Oger (38%) und Villers-Marmery (ca. 5%)
Rebsorten: 100% Chardonnay
Dosage: Brut 7g/l
Sehr klassische Nase, noble Hefearomen, auch röstig mit Brotkruste. Am Gaumen leicht mürber Apfel, wunderbare Süße, im Abgang ganz feine Phenolik, die mit der gigantischen Länge immer trockener wird. Die Runde ist sich einig, dass das ein ‚Haus’ sein muss, weil der Wein durch und durch klassisch und sehr harmonisch wirkt. Das ist klar auf der vollmundigen Wohlfühl-Seite, allerdings mit mutiger Säure und feiner Eleganz. Großer Klassiker
- Emmanuel Brochet, Les Hauts Chardonnays
Wo: Haute du Mont Benoit
Rebsorten: 100% Chardonnay
Dosage: Extra Brut 2g/l
Interessante Nase: Vanillecreme und Dosenbirne und dazu auch etwas Oxidation, am Gaumen eine sehr spezielle Mischung aus Sherry und Brausepulver. Hat es in diesem Flight sehr schwer, ist aber keineswegs deplatziert.
- Dhondt Grellet, Les Pensees
Klassifikation: Premier Cru
Rebsorten: 100% Chardonnay
Tirage: Mai 2009; Degorgement: Mai 2021
Dosage: 1 g/l
Die Nase ist wild, dezent animalisch, am Gaumen kräftige Säure, leichter Sauerkrautton, aber sehr attraktiv, weil dann viel grüner Apfel kommt und das wieder sehr klassisch (auf der extrem frischen Seite) wird und enorm hell und lang ausklingt. Das ist das genaue Gegenteil des ersten Weines, aber (für mich) fast so stark.
Flight 2: Selosse, Cristal, Egly Ouriet
Zusammengestellt von Jacques Selosse: To show the diversity of interpretation, lighting, enhancement, dressing, etc., here are the 2 wines that appeal to Mr. Selosse: Cristal from Louis Roederer, which can give the “La” of high-end Champagne vintages
Egly Ouriet, our alter ego (“my other self” as says Mr. Selosse), with pinot noir
- Selosse Extra Brut Millésime 2008
Wo: Ay, Ambonnay; Klassifikation: Premier Cru
Rebsorten: Pinot Noir, Chardonnay
Ausbau: Gebrauchtes Holzfass; Degorgement: Januar 2020
Dosage: Extra Brut
Sehr reife Nase mit viel Brioche, am Gaumen sehr mürber Apfel, üppig und (aromatisch) warm und süß (allerdings erkennbar kein Zucker) dazu sehr kräftige Säure. Das ist extrem nobel, aber auch sehr mollig. Was diesen Wein so außergewöhnlich macht, ist die Spannung, die er bewahrt, obwohl er sich aromatisch tief in die Komfortzone des Durchschnittstrinkers traut. Gehört zu den Weinen, deren Faszination in ihrer Widersprüchlichkeit liegen. (Mich haben die Champagner aufgrund der kursierenden Beschreibungen nie gereizt, bis ich eine Flasche eben dieses 2008ers mit Sascha im Podcast vernichten durfte.) Große Kunst.
- Louis Roederer, Cristal
Rebsorten: 60% Pinot Noir, 40% Chardonnay
Degorgement: September 2017
Dosage: 7,5 g/l
Aus der Magnum. In der Nase heller und viel tänzelnder als Wein 4, strahlt, zitrusfrisch mit viel Säurepfiff, das ist nach hinten raus dezent schmirgelnd, aber vor allem über das Süße-Säure-Spiel kommend, dabei aber ganz schön anspruchsvoll.
- Egly Ouriet Brut Grand Cru Millésimé
Wo: Ambonnay; Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 30% Chardonnay, 70% Pinot Noir
Ausbau: altes Holz, Degorgement: April 2020
Dosage: 5-6 g/l
Das erinnert durchaus ein bisschen an Nr. 4 ist hier vielleicht etwas schlanker, etwas knackiger, aber auch auf der dezent molligen Seite. Gefällt mir auch sehr gut. Der Wein wird nach hinten raus ein bisschen zu süß aber das ist schon immer noch besonders gut.
Flight 3: Ulysse Collin Les Roises, Krug Clos du Mesnil, Salon
(Zusammengestellt von Olivier Collin): I would choose:
-Salon because it is an iconic mono cru growth 100% in stainless tank, I think. We produce the same volume.
-In the single vineyards champagne production, Krug Clos du Mesnil is my favorite expression of loyalty to the Mesnil in oak barrels.
Anekdote am Rande. Da die Antwort von Olivier Collin in meinem Spam-Ordner ruhte, hatte ich bereits bei Krug nachgefragt, von wo dann der exakt gleiche Vorschlag für diesen Flight kam.
- Ulysse Collin Les Roises 2008
Rebsorten: 100% Chardonnay
Ausbau: 60% altes Holz , 40% neues Holz; Degorgement: 03.10.2012
Dosage: Extra Brut 0,85 g/l
Was für Kirchenfenster! Hier nur mittelfeine Perlage, durchaus oxidative Reifenoten, aber die wirken noch elegant, weil wir wieder eine kräftige Säure haben. Später auch dezent Hefegebäck. Ziemlich stoffig, schönes Frucht-Säure-Spiel. Ich mag das ganz gerne, die Kollegen sind etwas strenger. Das ist ganz sicher eine schwache Flasche. In dieser Verfassung, müsste man den Wein mit Essen servieren, da würden die balsamischen Noten gut passen.
- Krug, Clos du Mesnil
Wo: Cote de Blancs, Mesnil Sur Oger
Rebsorten:100% Chardonnay; Degorgement: Sommer 2021
Dosage: 4 g/l
Das ist sehr nobles Brioche in der Nase und etwas Bratapfel, am Gaumen dann aber superfrisch, die Fruchtaromatik erinnert mich an sehr reife Zitrone, feinste Perlage, leicht kreidig, und das ganze sehr schön durch passenden Zucker gepuffert. Die Komplexität im langen Abgang ist atemberaubend. Das ist perfekt.
- Salon, Brut Blanc de Blanc Le Mesnil
Wo: Le Mesnil-sur-Oger; Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 100% Chardonnay; Degorgement: Jan 2019
Dosage: Brut
Aus der Magnum. Die Nase erinnert an den Deutz, wobei sich das längere Hefelager aber durchaus wiederfindet. Am Gaumen wunderbar harmonisch, mit der richtigen Mischung aus nobler Reife und spannender Frische, enorm komplex, wird mit Luft immer besser. Das ist auch nahe an der Perfektion.
Flight 4 Jacquesson, Avize – Champ Cain, Pol Roger Sir Winston Churchill, Bollinger Vieilles Vignes Francaises, Pinot Noir
(Zusammengestellt von Pol Rogers Head of Comms Axel Gillery) ohne weitere Erläuterung
- Jacquesson, Avize – Champ Cain
Wo: Avize; Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 100% Chardonnay; Degorgement: April 2018
Dosage: 2,5 g/l
Deutlich Brioche in der Nase, aber das Bukett ist leider alles andere als perfekt, muffig. Am Gaumen startet das wenig spektakulär, legt dann den Turbo ein, wird extrem komplex, getragen von einem kleinen, attraktiven Bitterton, der mit der warmen, weichen Frucht tanzt! Aber das Bukett stört dann doch. Keine gute Flasche. Wir hatten den Wein in der Vorprobe und da war er zum Niederknien. Was uns damals so begeisterte, finde ich auch in diesem Glas, aber es wird unangenehm überlagert.
- Pol Roger, Sir Winston Churchill
Klassifikation: Grand Gru
Rebsorten: Pinot Noir dominated blend; Degorgement: Sommer 2017
Dosage: 8 g/l
Alles drin, alles dran, sehr feine Brioche-Note, tolle Säure, schöne Würztöne von der Flaschenreife, dazu frische Zitrusfrucht. Das ist nobel und elegant, aber mir mit dem Zucker auf die Dauer ein bisschen zu gefällig.
- Bollinger Vieilles Vignes Francaises, Pinot Noir
Wo: Vallée de la Marne, Ay
Rebsorten: 100% Pinot Noir; Degorgement: November 2020
Dosage: weniger als 3 g/l
Sehr ausladend in der Nase und am Gaumen, üppig, wollüstig, aber nicht so warm und reif wie der Selosse. Tolle Säure, tolle Spannung, aromatisch eine Bazooka mit üppiger Frucht und viel Gebäck. Unglaublich ausdrucksstarker Wein.
Flight 5: Billecart-Salmon Cuvee Nicolas Francois, Phillipponat Les Cintres (Pinot Noir), Henry Giraud Argonne Grand Cru
(Zusammengestellt von Billecart-Salmons Florent Nys) ohne weitere Erläuterung.
- Billecart-Salmon, Cuvee Nicolas Francois
Rebsorten: 60% Pinot Noir, 40% Chardonnay
Ausbau: 83% Stahltank, 17% altes Holz; Degorgement: September 2020
Dosage: 4 g/l
Brioche in der Nase und etwas reife Orange, am Gaumen eher reif, leicht balsamisch, kräftige Säure und auch ein leichter Bitterton. Da möchte ich gerne etwas zu essen. Solo und in diesem Feld ist mir das etwas zu würzig.
- Philipponat, Les Cintres, Pinot Noir
Wo: Mareuil-Sur-Ay
Rebsorten: 100% Pinot Noir
Ausbau: neues Holz; Degorgement: September 2017
Dosage: 4,5g/l
Viel Apfel in der Nase. Das Holz ist sehr gut integriert, aber trotzdem ist es immer noch prägend. Kräftige Säure, viel phenolischer Biss, sehr viel Spannung, aber auch deutlich Vanille, was mir sehr gut gefällt, aber nicht jeden in der Runde abholt.
- Henry Giraud, Argonne Grand Cru
Wo: Ay; Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 90% Pinot Noir, 10% Chardonnay
Ausbau: neues Holz; Degorgement: July 2017
Dosage: Brut
Aus der Magnum. Das ist fantastisch, auch wenn die Dosage etwas hoch wirkt. Tolle Säure, saftiger Apfel, feine Phenolik, sehr gut verdauter Holzeinsatz mit etwas Schmelz. Das hallt sehr lang nach und gefällt mir ganz wunderbar.
Flight 6: Vilmart & Cie, Coeur de Cuvee , Doyard, Les lumières extra brut, Benoit Marguet, Oenothèque Sapience.
(Zusammengestellt von Vilmart & Cie’s Laurent Champs) :
I know Yannick and Guillayme Doyard, they make beautiful wines in the same philosophy as Vilmart. I really respect their wines and what they do.
I know Benoit, he is absolutely convinced of what he is doing, he is a purist.
- Vilmart & Cie, Coeur de Cuvee
Klassifikation: Premier Cru
Rebsorten: 80% Chardonnay, 20% Pinot Noir; Degorgement: 03/2015
Dosage: 8 g/l
Schöne Bratapfelnase, sattfruchtig am Gaumen mit sehr kräftiger Säure, das hat sehr viel Spiel und die 8 Gramm Dosage sind gut gewählt. Aber man muss das mögen: Das ist Futter für die Rieslingtrinker in der Runde, denn das Süße-Säure-Spiel ist die Zentrale Thematik dieses wunderbaren Weines.
- Doyard, Les Lumieres Extra Brut Grand Cru
Wo: Mesnil Sur Oger, Ay; Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 66% Chardonnay, 34% Pinot Noir; Degorgement: November 2018
Dosage: 0,8 g/l
Frische Nase mit Hefe und Zitrus, am Gaumen Grapefruit, viel Brausepulver, sehr viel Leben und schöne Perlage, Eleganz und Länge. Ein sehr fröhlicher Wein. Ganz wunderbar!
- Benoit Marguet, Oenotheque Sapience
Klassifikation: Premier Cru
Rebsorten:50 % Chardonnay, 25% Pinot Noir, 25% Pinot Meunier
Tirage: Juli 2009; Degorgement: November 2019
Dosage: 0g/l
Das ist in der Nase erst einmal sehr wild, wirkt ‚natural‘. Am Gaumen ist das fordernd, aber ich finde den auf seine Art sehr gut: hell, Grapefruit, das ist mit ‚puristisch‘, wie Laurent Champs schrieb, schon ganz gut beschrieben. Wird von Teilen der Runde blind als Sapience erkannt, weil die Machart doch sehr dominiert. Ich bin damit sehr glücklich. Das gilt aber nicht für alle in der Runde.
Flight 7: Krug, Bollinger RD, Dom Perignon
(Zusammengestellt von Krugs Julie Cavil): Her idea is to propose side by side tasting of three iconic cuvées: Krug 2008, Dom Pérignon 2008 and Bollinger R.D. 2008. The idea is not to create a ranking, but rather to pay tribute to the Champagne region and its diversity!
- Krug
Rebsorten: 53% Pinot Noir, 22% Charonnay, 25% Meunier
Degorgement: Winter 2019/2020
Dosage: 5g/l
Was für eine schöne, klassische Prestige-Cuvée-Nase. Zum Reinlegen. Am Gaumen deutlich weniger mollig, frische Zitrusfrucht, kräftige Säure, feine Perlage, feines Schmirgeln, schönes Spiel, ‚helle‘ Anmutung. Das ist absolut aus einem Guss. Extrem hoher Spuckwiderstand. Das muss man trinken.
- Bollinger RD
Klassifikation: 100 % Grands et Premiers Crus
Rebsorten: 71% Pinot Noir, 29% Chardonnay; Degorgement: 09.09.2022
Dosage: 3 g/l
Etwas brotiger als der erste Wein im Flight, etwas süßer in der Frucht, dafür deutlich nussig, mit Karamell, aber, wie eine Mitverkosterin anmerkt: der war ein bisschen zu lang in der Pfanne. Ja, das ist minimal bitter und dadurch in diesem Flight minimal schwächer. Warme Aromatik, aber kühle Struktur, tolle Länge, tolles Spiel – für sich alleine monumental, in diesem Flight aber etwas in den Schatten gestellt.
- Dom Perignon
Rebsorten: 50% Chardonnay 50% Pinot Noir
Dosage: Brut 5g/l
Wieder: alles drin und alles dran, passende Dosage und hier ist die nussige Komponente perfekt und es gehen einem so ein bisschen die Worte aus. Das ist für die meisten Verkoster der größte Flight der Veranstaltung und für mich der bisher beste Schaumweinflight meines Lebens.
Flight 8: Jacquesson, Vauzelle Terme, Cedric Bouchard Roses de Jeanne Les Ursules, Marie Noelle Ledru, Millesime (Ambonnay)
- Jacquesson, Vauzelle Terme
Wo: Vallee de la Marne, Ay; Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 100% Pinot Noir; Degorgement: April 2018
Dosage: 0g/l
Aus der Magnum. Da ist ein interessanter, grün-grasig-vegetabiler Ton in der Nase, den ich ganz schön spannend finde. Auch am Gaumen flirtet das mit der Unreife, macht aber auch richtig Dampf: Mandarine, Grapefruit, leichtes Bitterl, kräftige Säure, mächtig Schub und Länge. Mag ich sehr. Ganz eigenständig!
- Cedric Bouchard, Roses de Jeanne, Les Ursules
Wo: Celles-sur-Ource, Côte des Bar
Rebsorten: 100% Pinot Noir
Ausbau: Stahltank; Degorgement: April 2012
Dosage: Brut
Aus der Magnum. Fantastische Reifenoten, unglaublich komplex, nussig – man würde nie denken, dass der so früh degorgiert wurde, denn aromatisch schreit das alles ‚Hefelager!‘ (Kollege Eichelmann ist überzeugt, dass das der Magnum-Bonus ist). Ausgesprochen harmonisch, löst Begeisterung in der Runde aus. Ich finde das unglaublich faszinierend, wenngleich er mir auf die Dauer ein bisschen zu süß ist.
- Marie Noelle Ledru, Millesime (Ambonnay)
Klassifikation: Grand Cru
Rebsorten: 85% Pinot Noir, 15 % Chardonnay
Dosage: Brut nature
Ich mag die Nase mit viel Frucht und feinem Brioche, wenngleich sie nicht die frischeste ist. Das vibriert und tanzt ohne Zucker und hat viel schmirgelnde Länge, wird später etwas belegt, bleibt für mich auf der gesunden Seite von wild. Ich will aber weder verheimlichen, dass die Runde ihn schwächer fand als ich, noch dass eine Mitstreiterin dem Wein ein leichtes Mäuseln attestierte.
Champagner 2008 – was für ein Jahr
Fazit: Das Vergleichen ist das Ende des Glücks, aber ich denke, die besondere Huldigung des Allergrößten sollte immer drin sein. Spannend bei einer Veranstaltung wie dieser finde ich zudem folgende Überlegung: Wenn bei einer Probe der besten Weine aus einem der besten Jahrgänge, des mutmaßlich besten Schaumweingebietes der Welt nicht mindestens ein perfekter Wein dabei ist, dann ist entweder der Jahrgang oder das Gebiet überschätzt. Ich denke, weder der Jahrgang noch die Champagne wird überschätzt. Dazu gehöre ich nicht zu den Menschen, die glauben, es gäbe keinen perfekten Wein und deswegen könne man nie wirklich einhundert Punkte vergeben. Das überhöht das Thema ins Alberne. Ich vergebe deswegen selten, aber regelmäßig die Höchstnote.
In dieser Probe hagelte es Weine, die mit ‚perfekt‘ ganz gut beschrieben sind. Selosse, beide Krug, Dom Perignon (tatsächlich!), Bollingers Vieilles Vignes Francaises und Salon wären meine Kandidaten. Mein Coup de Cœur ist von Deutz und der verblüffendste Wein stammt von Cedric Bouchard. Deutlich unter Wert geschlagen, weil aus erkennbar schwachen Flaschen waren zwei Weine, polarisierend vielleicht vier oder fünf, der Rest mindestens Weltklasse. Was für ein Erlebnis. Dank an die Gastgeber!
Endlich hab mich schon so lange auf deinen Bericht gefreut! Der Clos du Mesnil hat sogar bei fast jedem platz auf dem Tisch gefunden. Schade nur dass der es nicht schafft bei auf dem Tisch zu landen, da muss ich noch etwas sparen ;D
Stark finde ich dass Der Dompi so gut abgeschnitten hat, trotz hoher Stückzahl und vergleichsweise kleinen Preis weiß man Weltklasse abzuliefern.
Was ich mich frage, was kommt denn nun nach 2008?
Freu mich auch schon auf den Podcast wo ihr bestimmt nochmal über die Probe und die ProWein reden werdet.
Vielen Dank für den ausführlichen Bericht zu dieser legendären Probe! Hättet ihr im Nachhinein betrachtet unter den Eindrücken der Vor- und Hauptprobe über den Champ Cain hinaus weitere Kandidaten aus der Vorprobe ins Hauptfeld aufgenommen oder umgekehrt gestrichen?
Also ich muss da mal was gerade rücken. Das mit der Vorprobe ist so ein kleiner ironischer Insiderwitz gewesen. Grundsätzlich hatte der Gastgeber die Idee fast 30 Weine zur Probe zu stellen und wir haben ihm das ausgeredet. Und damit die Weine, die nicht zum Zuge kamen, trotzdem einen würdigen Auftritt kriegen, haben wir die im kleinen Kreis getrunken und das ganze `Vorprobe`genannt. Nachdem der Gastgeber dann aber noch zwei wirklich seltene Weine auftreiben konnte, haben wir noch einen Flight an die Probe drangehängt. Dafür fehlte dann natürlich noch ein Wein und daraufhin haben wir den ‚Siegerwein‘ der ‚Vorprobe‘ dazu genommen. Eigentlich entscheidend war, dass von dem noch eine Flasche da war 😉
Wow was eine interessante Probe, 2008 hat für mich als einer der präziseren Jahrgänge immer einen Reiz ausgeübt, leider konnte ich bis auf einige wenige Weine aus Deiner Liste (Cristal, Marguet, Dom Preginon) keine kleinen Winzerchampagner aus 2008 probieren, da ich gefühlt für den Jahrgang zu spät in die Materie eingestiegen bin. Ich hab mich in den letzten drei vier Jahren relativ viel auf der Printemps in Reims, auf den Weingütern und durch meine Freundschaft zu einigen Champagnerwinzern und Champagnerbareigentümern eher viel mit dem Nachwuchs beschäftigt. Ich hab immer so ein bisschen das Gefühl, dass die gerne mal in einer Qualitätsbetrachtung hinten „runterfallen“ ich hab mich auch schon mit Gerd Eichelmann eines schönen Sommertags in der Pfalz ausgiebig darüber unterhalten.
Spätestens mit seinem Buchupdate letztes Jahr habe ich einige meiner Favoriten auch mit einer sehr guten Bewertung gefunden. Sicherlich haben einige dieser Winzer 2008 vielleicht noch nicht die Qualität in die Flasche gebracht, waren noch mit den Häusern in Traubenabgeabeverträgen gebunden, oder die Flächen waren noch verpachtet. Aber mein Eindruck war, dass eine sehr starke Emanzipationswelle durch die Kindergeneration der Champagne geht.
Diese haben auch mal im Ausland studiert, Einflüsse aus anderen Weinregionen einfliessen lassen, Bio- / Biodynamischer Weinbau ist fast obligatorisch.
Klar, bei den möglichen Flaschenpreisen ist selbst ein Worse-Case Verkaufspreis immer noch ein sehr weicher Fall. Das gibt der Experimentierfreude und der Entwicklung einen deutlichen Auftrieb. Deswegen mein Plädoyer für eine weitere Probe ein Blick auf Next Gen Champagner. Wenn Ihr dafür einen wackeren Mitstreiter benötigt, dann würde ich mich auch ganz uneigennützig mit meiner Leber und meinen Weinen beteiligen.
GLG aus Stuttgart, Jens Wingerath (Wingerath Wein)
Lieber Jens, ich lehne mich mal aus dem Fenster: ich glaube, ich weiß, was Du meinst, aber ich teile Deine Meinung nicht. Die jungen Wilden sind alle tolle Typen und sie werden von Gerhard Eichelmann erst langsam gewürdigt (die Diskussion führe ich auch mit ihm), aber sie sind nicht ansatzweise in einer Form, die eine Teilnahme an so einer Probe zu einem aussichtsreichen Unterfangen machen würde. Wir trinken das gerne und regelmäßig, teils auch im Podcast. Bonnet-Ponson, Tristan Hyest, Charles Dufour, seine Schwester Julie, Janisson-Baradon, Le Brune de Neuville, Freres Mignon und viele weitere mehr sind Weine, die Sascha und ich regelmäßig bei mir trinken (bei ihm trinken wir die gediegeneren). Sie sind tatsächlich sowohl in der Basis, als auch bei den mittleren Qualitäten anders, aber nicht schlechter (oft finde ich sie spannender). Aber gerade, wenn es um die ganz großen Weine geht, kommen sie nicht hin. Und das ist nicht nur eine Frage der Zeit, sondern auch des Stils. So empfinde ich das jedenfalls.