Vorhang auf für die Weinschule!

Letzten Freitag ging mein neues Projekt online. Eine Weinschule im Internet – die Webweinschule. Gefühlte hundert Jahre bin ich mit dem Gedanken schwanger gegangen. Seit ich meiner Weinliebe fröne, begegne ich ständig Menschen, die mir erzählen, sie tränken eigentlich sehr gerne Wein, hätten aber leider keine Ahnung davon. Ein wenig Weinwissen wollten sie sich wohl aneignen, wissbegierig genug ein Buch darüber zu lesen seien sie dann aber auch wieder nicht, führt diese Spezies gerne aus. Und neulich bei dieser Weinverkostung im örtlichen Weingeschäft sei das zwar sehr spannend aber irgendwie auch etwas überkandidelt gewesen. Vorhang auf für die Weinschule! weiterlesen

Harte Zahlen – weiche Zahlen

Die folgende Erläuterung hat nichts mit Wein zu tun. Sie bezieht sich auf Dirk Würtz’ Artikel über die aktuellen Auflagenzahlen der Weinpresse und eine lebhafte Diskussion, die sich darum auf den verschiedenen sozialen Kanälen entwickelt hat. Da ich beruflich mit Absatzförderung befasst bin, wurde ich gebeten, einige klärende Anmerkungen zum Thema, wie läuft der Entscheidungsprozess in der Anzeigenschaltung, welche Reichweitendaten sind relevant und wie werden sie erhoben und ausgewertet, zu liefern. Da Facebook mangelhafte Such- und Archivfunktionen bietet, publiziere ich hier, wo der Text auch später leicht gefunden wird. Wer den Schnutentunker liest, weil er sich für Wein interessiert, der komme bitte nächste Woche wieder.

Die Zahl der gedruckten, verkauften, abonnierten und verschenkten Hefte deutscher Print-Medien wird von der Interessengemeinschaft für die Verbreitung von Werbeträgern (kurz IVW) gemessen. Die Zahlen der Weinmedien sind seit Jahren rückläufig. Die tatsächlich verkaufte Auflage einiger Medien nähert sich dem vierstelligen Bereich. Daraus lässt sich auf einen Niedergang schließen, trotzdem sollte man die richtigen Zahlen für die Analyse heranziehen.

Anzeigenkampagnen werden in Deutschland meist von zwei Dienstleistern für den Werbetreibenden erarbeitet. Die Werbeagentur (auch Kreativagentur genannt) konzipiert den Inhalt und die Gestaltung, die Media-Agentur sucht die idealen Umfelder für die Schaltung der Motive, verhandelt die Preise und übernimmt die Auswertung der Ergebnisse. Media-Agenturen haben einige Parameter, mit denen sie planen: Reichweite, Relevanz und Preis. Gehen wir sie einmal der Reihe nach durch.

Die Reichweite ist die Zahl der Menschen, die ein Anzeigenmotiv tatsächlich zu sehen bekommen, beziehungsweise die beste Näherung daran. Sie wird aufgrund von Daten einer Media-Analyse, der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG MA, die Studie heißt MA) berechnet. Die AG MA führt jedes Quartal Interviews mit einer Zahl von Menschen, die mindestens den Anforderungen an einen Zensus entspricht. Dabei werden Fragen zur Mediennutzung gestellt. Tuen wir für die Sekunde mal so, als gehörte ich zu den Interviewten.

Ich habe keine Weinzeitschrift abonniert und kaufe auch keine. Meine letzte Vinum habe ich bei einer Messe geschenkt bekommen, einen Falstaff besitze ich nicht. Wenn ich aber Donnerstags einen Absacker im Rutz nehme, an ‚unserem‘ Tisch hinten in der Ecke, und meine Frau geht sich kurz die Nase pudern, dann drehe ich mich um und greife in die Obstschale auf dem Tresen – da liegt die Vinum. Und wenn ich zum Plausch bei Planet Wein am Gendarmenmarkt weile und die freundliche Inhaberin Anja muss einen Kunden verarzten, dann liegt in der rechten Ecke der mittleren Fensterbank der Falstaff.

Während meines MA-Interviews werden mir Kärtchen mit den Logos von Medien gezeigt und Fragen zu meinem Nutzungsverhalten gestellt. Also sehe ich die Karte mit dem Vinum Logo und erkläre wahrheitsgemäß, wann ich das letzte Mal in dieser Zeitschrift gelesen habe. Je nachdem wie es sich damit verhält, lande ich entweder im sogenannten Weitesten Leserkreis (WLK), der Zahl von Menschen, die mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten das Magazin gelesen haben oder gar in den Lesern der letzten Ausgabe. Auf diese Art werden der LWK und die Leser pro Ausgabe (LpA) ermittelt und ergeben zusammen die Reichweite des Mediums. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Exemplar gekauft, geliehen oder geklaut war und das ist auch gut so. Ich nehme an, dass sowohl die Vinum im Rutz als auch der Falstaff bei Planet Wein entweder ein Freiabo oder ein sogenannter Sonderverkauf sind. Das ist für den Mediaplaner irrelevant.

Für die detaillierte Mediaplanung möchte die Agentur aber noch etwas über mich persönlich (abstrakt) wissen. Also gibt es drei sogenannte Markt-Media-Studien, die die MA-Zahlen in Bezug zu Leserprofilen setzen: die Typologie der Wünsche (TdW) von Burda, die Verbraucheranalyse (VA) von Springer und Bauer sowie die Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA) vom gleichnamigen Institut. Sollte ich als Studienobjekt von einer dieser Organisationen ausgewählt werden, so stellen sie mir Fragen über meine Soziodemographie, meine Interessen und mein aktuelles und geplantes Konsumverhalten. So ergeben sich für die Leserschaft der einzelnen Medien Interessenwerte, der sogenannte Affinitätsindex. Dieser sagt aus, wie sich das Interesse der Leserschaft über alle Leser gemittelt im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung darstellt. Ein Affinitätsindex von 400 beim Thema Wein bedeutet also, dass die Leserschaft des untersuchten Mediums eine viermal so große Liebe zu Wein pflegt wie der Durchschnittsdeutsche.

Aus diesen Daten lassen sich die entscheidenden Reichweiten- und Preisinformationen ableiten. Machen wir mal eine Beispielrechnung. Alle Annahmen sind erfunden. Gesetzt den Fall, der Spiegel hat 2 Millionen LpA und eine ganzseitige Anzeige kostet 100.000 Euro. Dann beträgt die Kenngröße Tausend-Kontakt-Preis (TKP) 50 Euro (100 TEUR/2 MM Kontakte = 50 pro Tausend). nehmen wir ferner an, die Auto Motor & Sport (AMS) hat eine Leserzahl von 500.000, ruft für die Anzeige aber 50.000 Euro auf, so verlangt sie einen TKP von 100 Euro. Da wäre ja zu heiß gebadet, wer in der AMS eine Anzeige schaltet? Jein. Es kommt der Effektiv-TKP ins Spiel: Die Leser der AMS haben eine sehr viel höhere Affinität zu Autos. Angenommen, die AWA ergibt, jeder fünfte Spiegel-Leser plant in den nächsten 18 Monaten einen Autokauf, bei der AMS sei es jeder zweite. Dann beläuft sich der Effektiv-TKP in der Zielgruppe der ‚Auto-Kaufentscheider Zeithorizont 18 Monate‘ beim Spiegel auf 250 Euro (100 TEUR geteilt durch 500.000 autointeressierte Leser), bei der AMS nur auf 200 Euro, denn hier sind die sogenannten Streuverluste niedriger, also Kontakte mit Menschen, die sich nicht für das beworbene Produkt interessieren. Deswegen bewirbt man Nutella nicht in der Men’s Health und Chanel nicht im Kicker.

Die Markt-Media-Studien fördern übrigens nicht nur Offensichtliches zutage, sondern auch vieles auf den ersten Blick nicht selbstverständliche. Wer Single Highland Malt Whiskey bewerben will, der geht in die P.M. – warum weiß nur die Software. Denn eine solche nutzen die meisten Media-Agenturen. Sie bietet den Vorteil, dass sie auch komplexe Zusammenhänge berechnen kann und die Frage beantwortet, die noch offen ist: Wenn die AMS für Mercedes doch so viel günstiger ist, als der Spiegel, wieso buchen die nicht nur AMS? Und hier geht es um den Werbedruck, die Kontaktzahl insgesamt und die absolute Reichweite. In Deutschland sind zu jeder Zeit 5 Millionen Menschen mit der Frage beschäftigt, welches Auto sie sich denn in den nächsten 18 Monaten kaufen sollen. Da hilft die AMS mit 250.000 relevanten Lesern nur bedingt. Mercedes muss breiter streuen, um schnell in der gesamten Zielgruppe anzukommen. Dabei bildet die Software dann Rangreihen und berechnet auch die Überschneidungen in der Leserzahl einzelner Medien.

Online funktioniert das Ganze analog: Die MA heißt hier AGOF und ist Mitglied in der AG MA, der WLK heißt WNK (Weitester Nutzerkreis) und die Daten werden mit der technischen Messung verknüpft, die ebenfalls von der IVW kommen.

Aye Aye und Goodbye, Captain!

Anmerkung: Manfred Klimek beendet zum Ende des Monats die Chefredaktion der Plattform Captain Cork und hatte sich von allen Deutschen Weinbloggern zum Abschied Gastbeiträge gewünscht. Das Folgende hätte meiner sein sollen. Dass er nicht bei CC erscheint, liegt nicht daran, dass Klimek den Text nicht mochte, es hat mit den Modalitäten seines Abschieds zu tun. Also erscheint er jetzt hier. Aye Aye und Goodbye, Captain! weiterlesen

#vcd13 – Tagebuch eines Vinocamps

Das Vinocamp Deutschland 2013 ist zu Ende und das Netz füllt sich mit Nachbetrachtungen. Wie so oft bin ich spät dran aber das hat sein Gutes: Ich konnte schon tolle Zusammenfassungen und persönliche Eindrücke lesen. Da fällt es mir leicht, in meinem Artikel nichts mehr zum Camp an sich, der Veranstaltungsform oder den Ergebnissen zu sagen. Ich verlinke lieber auf den Artikel von Carsten M. Stammen. Getreu dem Motto ,jedem Anfang wohnt ein Zauber inne‘ hat er auf einmalige Art seine Erlebnisse bei seinem ersten Vinocamp-Besuch aufgezeichnet. Und bei Nicola Neumann finden sich einige sehr schöne Fotos von der ,Unkonferenz‘. Ich beschränke mich hier auf meine persönlichen Höhepunkte und die Dinge, die ich gelernt habe. #vcd13 – Tagebuch eines Vinocamps weiterlesen

Mein erster Award

Der deutsche Wein Online AwardImmer wenn ich denke, ich hätte es mit meinem Weinfimmel übertrieben und der Haussegen stünde auf dem Spiel, überrascht mich meine sehr viel bessere Hälfte mit einem kleinen symbolischen Akt der Absolution: sie schenkt mir meine erste (und bisher einzige) Flasche Roederer Cristal, sie kauft eine Lampe für die Küche, die man mit leeren Weinflaschen bestückt oder sie erwähnt beiläufig, bei einem Glas Wein auf der Terrasse ,Schatz, ich habe einen Text von Dir für den Wine Online Award eingereicht‘.

Der Wine Online Award ist ein von Dirk Würtz und Thomas Lippert initiierter Preis für den besten in sozialen Medien veröffentlichten Beitrag zum Thema Wein. Bei seiner diesjährigen Premiere war er für die Kategorien Text und Foto ausgeschrieben. Dirk und Thomas fungieren als Jury für die Vorauswahl, die endgültige Entscheidung treffen die Teilnehmer des Vinocamp per Stimmzettel.

Ich habe den Award gewonnen – mit einer Stimme Vorsprung. Das führte zu der lustigen Situation, dass beinahe jeder, der für mich gestimmt hatte, mich im Laufe des Abends der Verleihung darauf aufmerksam machte, dass ja wohl seine Stimme die entscheidende gewesen sei. Hier muss ich einmal widersprechen: Es war natürlich meine Stimme, die den Unterschied machte, denn als VCD-Teilnehmer war ich stimmberechtigt und habe mich in die Tradition Adenauers begeben 😉

Damit gerechnet hatte ich nicht, denn Helmut O. Knalls nominierter Text erschien mir als übermächtige Konkurrenz. Dass daneben mit Bernhard Fiedler ausgerechnet der Winzer im Teilnehmerfeld war, dessen großzügige Gabe meinen Artikel über Verschlussdiskussionen im Internet inspiriert und möglich gemacht hat, könnte man als Ironie des Schicksals betrachten, wenn man nicht wüsste, dass Bernhard Awards völlig Schnuppe sind. Auch Torsten Goffin, der vierte Nominierte, nahm die Sache ausgesprochen gelassen zur Kenntnis.

So darf ich mich bedanken, bei den Initiatoren für die Idee und Durchführung, den Mit-Campern für die Juryleistung, meiner Frau für die Toleranz und Unterstützung – und vor allem beim Sponsor Sopexa. Dass ein Unternehmen aus der Branche den Award mit Preisgeld ausstattet, kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Dirk Würtz hat in einem Artikel die mit dieser Geste zum Ausdruck gebrachte Stimmung bestens zusammengefasst. Dort bitte lesen, alles was ich hier dazu schriebe, wäre nur Plagiat.

Gefeiert habe ich den Award vor Ort mit allen Anwesenden der Zeremonie mit diversen Schaumweinen, darunter Palmes d‘Or 2000 aus der Jeroboam (Dank an den Stifter, das Champagnerhaus Nicolas Feuillatte) und einem besonderen Sekt.

Solter Brut, Rheingau Riesling Sekt Reserve, 2007, Rheingau. Die Trauben stammen ausschließlich aus der Lage Rüdesheimer Berg Roseneck, was erst ab dem Folgejahrgang auf dem Etikett ausgewiesen werden wird. In der Nase betörend, weil er an einen gereiften Riesling erinnert, aber auch die Hefenoten eines guten Sektes nach traditioneller Methode bietet, dazu mit einem Hauch Petrol, der was magisches hat. Am Gaumen stoffig, weinig, ohne Breit zu wirken, auch weil die Perlage nach 60 Monaten Hefelager unglaublich fein ist. Das ist die gelungene Interpretation eines deutschen Rieslingsektes, kein Versuch einen Champagner zu imitieren. Es wäre dem Anlass nicht gerecht geworden, Aromen zu notieren, ich habe aber genug davon getrunken um schwören zu können, dass das ein Klasse-Sekt ist.

Hätte einen Award verdient…