Blogbuster

Wenn in den letzten Wochen hier die Veröffentlichungsfrequenz niedrig war, liegt das nicht an Sommerloch, Ferienzeit oder mangelnder Motivation meinerseits. Ich hatte in jüngster Vergangenheit schlicht eine Menge Frösche im Glas, die – trotz Kuss – kein Prinz werden wollten. Das kommt mal vor und ist kein Beinbruch.

Als ich mit dem Schreiben des ‚Schnutentunker‘ anfing, habe ich beschlossen, keine Verrisse zu veröffentlichen. Der Grund dafür ist, dass ein negatives Weinerlebnis mannigfaltige Ursachen haben kann: Der Winzer hat einen schlechten Wein gemacht (nur das rechtfertigt eine Negativ-Kritik), der Konsument hatte einen schlechten Tag (will niemand zugeben), die Flasche war fehlerhaft (passiert öfter als man denkt), der Korken oder die Lagerung hat die Entwicklung negativ beeinträchtigt (ist nicht immer eindeutig erkennbar) und einiges mehr. Mit einer Konterflasche kann man zwar den Korken als Ursache ausschließen aber die Lagerung nicht. Tränke man den Wein am zweiten Tag noch einmal, könnte man die Stimmung als Ursache herausfiltern (aber dann müsste ich einen Wein, der mir keinen Spaß bringt noch einen weiteren Tag trinken, auf die Gefahr dass er mir auch diesen verdirbt) – kurzum: ich habe keine Lust den Aufwand zu betreiben, der nötig wäre, um einen ‚fairen Verriss‘ zu schreiben.

Deswegen erwähne ich hier nur positive Weinerlebnisse. Die haben meist eine simple Ursache: Der Winzer hat einen guten Wein gemacht und darüber will ich reden. Sie können einem Stimmungshoch geschuldet sein und ich den Wein mithin weit über Wert verkaufen, aber ‚Der Schnutentunker‘ ist schließlich kein Einkaufsführer sondern ein subjektives Weintagebuch.

Nachdem ich der Frösche überdrüssig war, habe ich gestern mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Ich öffnete einen Wein, von dem ich weiß, dass er ein Knaller ist, den ich vom Gut direkt in den eigenen Keller bekam und dessen Geschmacksbild mir aus vielen Begegnungen so vertraut ist, dass ich ohne Zweifel Kork- und Flaschenfehler erkennen würde. Die Flasche war tadellos, der Wein wieder gigantisch und ich habe endlich was zu schreiben.

Emrich Schönleber, Monzinger Halenberg, Riesling Großes Gewächs, 2005, Nahe. In der recht rieslingtypischen Nase dominieren zunächst Zitrusaromen, ehe sich das Bild wendet und er mit Luft süßlich parfümierter wird – reif aber nicht alt mit Anklängen von Aloe Vera und etwas Aprikose. Am Gaumen ist dieser Stoff komplex. Eine wahrlich vibrierende Säure zieht sich durch das gesamte Geschmackserlebnis, das bizzelt herrlich im gesamten Mundraum, der sowieso von diesem druckvollen Wein ausgefüllt wird, ohne dass es plump wirkt (und nein, das ist keine Kohlensäure). Auf diesem Gerüst erscheinen dann mit jedem Schluck neue Aromen: süße Frucht (mal Pfirsich/Aprikose, dann wieder Mandarine), rauchige Mineralik, Toffee oder doch Karamell? Oder Kemmsche Kuchen? – mal so, mal so, wie man es bei ganz großen Weinen erleben darf. Der prickelnde und etwas rauchige Abgang dauert fast eine Minute. Es gibt einen klaren Mangel, der 100 Punkte verhindert: 13% Alkohol sind dauerhaft präsent und ein ganz bisschen zu viel. Deswegen ist der Wein nur ‚groß‘ und nicht der beste trockene Riesling, den ich je getrunken habe.

Bleibt die Frage nach der Stimmung des Verkosters: Dieses Urteil fälle ich zum wiederholten Male und dabei gibt es keinen Unterschied zwischen Urteilen in offenen und Blind-Verkostungen.

Mein erster Halenberg -R-

Es klingt zugegeben viel spektakulärer, einen Artikel mit ‚Mein erster Gaja‘ zu übertiteln, aber in der Rückschau muss ich feststellen, dass mir als bekennendem Rieslingliebhaber und Deutschweintrinker die erste Begegnung mit einem Monzinger Halenberg -R- des Weingutes Emrich-Schönleber fast so viel Genuss bescherte wie der Gaja im letzte Jahr.

Die Begegnung mit einem Halenberg -R- ist ungleich leichter herzustellen als mit Gajas Barbaresco, kostet der Wein doch 22 € und ist im gut sortierten Fachhandel verfügbar. Auch muss der Riesling nicht so lange lagern wie der rote Italiener, bevor er Genuss bereitet. Ein paar Jahre sollten es jedoch sein. Deswegen geht er auch mit einem Jahr Verzögerung in den Handel. Aber der Reihe nach.

Der -R- aus der GG-Lage Halenberg ist ein feinherber Riesling. Er hat mehr Restzucker als halbtrockene Weine gemeinhin haben, jedoch nicht so viel wie ein fruchtsüßer. Das wäre an sich nichts besonderes, befände der Halenberg sich an der Mosel oder im Rheingau, wo dieser Weintypus eher Tradition hat. Von der Nahe kommt so etwas selten. Weil dieser Wein am besten schmeckt, wenn sich die Süße und die Säure im Laufe des Reifeprozesses etwas integrieren, empfiehlt der Winzer eine längere Reife im Keller. Aktuell, ließen die Schönlebers die Kundschaft neulich in einem Rundschreiben wissen, tränke die Winzerfamilie selbst den 2001er. Um dieses Reifebedürfnis zu unterstreichen, kommt der -R- immer zeitgleich mit den Großen Gewächsen des Folgejahres auf den Markt. Ob für den Wein spezielle Parzellen innerhalb des Weingartens verwendet werden oder er aus einem separaten Lesegang stammt, ist mir nicht bekannt. Die Homepage der Winzerfamilie schweigt sich dazu aus.

Einen 2001er besitze ich nicht und ganz so lang wie die Erzeuger konnte ich mich nicht gedulden. Also zog ich dieser Tage einen 2006er auf. Er war erwartungsgemäß zu jung. Aber er war trotzdem ein Traumwein.

Emrich-Schönleber, Monzinger Halenberg -R-, Riesling QbA, 2006, Nahe. Die Nase ist eher zart und zurückhaltend jedoch nachhaltig von Blütenduft und gelben Früchten geprägt. Am Gaumen ist der Wein frisch und vibrierend. Wer sich je gefragt hat, was mit der Bemerkung gemeint ist, ein Wein sei ‚vibrierend‘, dem sei dieser Wein zur Erklärung ans Herz gelegt. Unter den Aromen finden sich Zitrus, Grapefruit, grüner Apfel und etwas Honigmelone – nicht alles auf einmal sondern entlang des Weges auf der Entdeckungstour, die der Genuss so großartiger Weine darstellen kann. Der -R- ist von mittlerer Dichte (keinesfalls fett), geradlinig strukturiert mit tollem Spiel, halbtrockenem Geschmacksbild und mit einem wahnsinnig langen Abgang, getragen von Mineralik und einem ganz leichten Hauch von Karamell. 12,5% Alkohol treten nicht weiter in Erscheinung.

Der Wein ist ein bisschen jung und mir daher noch einen Tick zu süß. Erfahrungen mit feinherben Moselrieslingen lassen mich hoffen, dass sich das noch bis zur Perfektion harmonisiert. Kein Problem: jetzt, wo ich weiß, dass der Wein so toll ist, wie ich immer gehofft habe, fällt es mir leichter, mich in Geduld zu üben.

Pssst… geheim!!!

Geheimtipps sind der direkte Weg ins Abseits. Denn was ist schon wirklich geheim in dieser vernetzten Welt? Neulich war ich bei einer Probe eines Weinhändlers, als mir meine Augenblicksbekanntschaft zur linken im Laufe eines lockeren Gesprächs mit gesenkter Stimme anvertraute, ich sollte doch mal die Weine von Alexander Laible einer genauen Prüfung unterziehen. Das sei der Geheimtipp schlechthin.

Zum Glück bin ich nicht nur höflich, sondern auch mit ein klein wenig schauspielerischem Talent gesegnet, so dass ich mit verbindlichem Zwinkern und fester Stimme meinem Dank Ausdruck verlieh, obwohl die dunkle Seite meiner Seele die Antwort ‚Wo warst Du die letzten Jahre, Bruder?‘ bevorzugt hätte.

Und macht mich das vorsichtig? Nein, eher nicht. Aber immerhin komme ich hier mit einer Art ewigem Geheimtipp, also einem, der nicht neu und demnächst (oder doch schon jetzt? – siehe oben) in aller Munde ist, sondern einem jener Winzer, die dauerhaft unterbewertet sind. Das Weingut Rudolf Sinß ist meiner Meinung nach so einer. Was dem Gut zum Durchbruch fehlt, sind vermutlich überirdische Rieslinge. Denn an der Nahe kann man mit perfektem Barrique-Einsatz und weißen wie roten Burgundern (und das ist Sinß‘ Stärke) vermutlich so gut Punkten wie mit einer Männerballettgruppe in einem kanadischen Holzfäller-Camp. Böse Zungen behaupten ja, ‚Burgunderschwuchtel‘ sei ein gängiges Schimpfwort unter Deutschen Rieslingerzeugern, aber ich schweife ab…

Hier also ein zweiter Erzeuger (neben dem hier), den ich vor allem für seine Spätburgunder schätze, obwohl er aus einem klassischen Riesling-Gebiet stammt: Windesheimer Rosenberg, Spätburgunder Auslese trocken – im Barrique gereift, 2004, Weingut Sinß, Nahe. In der Nase viel Himbeere und Leder, am Gaumen saftig und süße Frucht wiederum von Himbeere. Was den Wein aus der Masse heraushebt ist die perfekte Balance aus Frucht, Säure und Tannin, der als vierte Gewalt ein wenig die 14,5% Alkohol im Weg stehen, sonst wäre die Begeisterung grenzenlos. Ausgesprochen lang und wahnsinnig gut.

Update: Hier wird nix gelöscht. Aber neun Jahre später stellt sich das für mich ganz anders dar… 

Die letzten ihrer Art

Wie hier schon beschrieben, war 2006 der letzte Jahrgang, in dem die VDP-Winzer an der Nahe Spätlesen aus ihren GG-Lagen abgefüllt haben. Zwar fließen immer noch Trauben aus den GG-Lagen in einfachere Weine ein, den direkten Vergleich zwischen Spätlese und GG wird man künftig aber nicht mehr haben. Schade, lohnte sich doch so manches Mal die Diskussion, was jetzt eigentlich besser ist, das GG oder die Spätlese. Hier fällt mir die Entscheidung jedoch leicht.

Monzinger Frühlingsplätzchen, Riesling Spätlese trocken, 2006, Emrich Schönleber, Nahe

Der Wein ist in der Nase und am Gaumen von ziemlich heftigen Zitrusnoten dominiert. In der Nase Zitrone und ein bisschen Aloe Vera sowie etwas Hefe. Das erscheint mir nicht besonders harmonisch, einerseits parfümiert, andererseits stechend. Am Gaumen ist der Wein sehr von der Säure dominiert. Ich könnte mir vorstellen, dass die Spätlese mit der Zeit etwas harmonischer wird – wer ihn hat, sollte den Wein  vielleicht ab 2011 trinken – aber so richtig großartig wird er wohl nicht werden.

Verborgene Talente

Wenn vom Weingut Dönnhoff die Rede ist, dreht es sich immer um Riesling. Bevorzugte Diskussionspunkte sind die Großen Gewächse, die mancher in Deutschlands Spitze wähnt, während andere sie zu geschliffen finden (im Sinne von ‚ohne Ecken und Kanten‘), oder seine Edelsüßen über die man selten anderes hört als helle Begeisterung – insbesondere seine Eisweine sollen grandios sein (das Vergnügen hatte ich noch nicht, einige Auslesen kenne ich). Verborgene Talente weiterlesen