Sommerweine vom Möbelhändler

Der Online-Möbelmarkt gilt gemeinhin als letzte Spielwiese, in der sich noch ein Milliardengeschäft etablieren lässt und so versuchen sich gleich mehrere Startups aus dem In- und Ausland daran das ,Amazon für Möbel‘ aufzubauen. Der Händler Westwing, der den Möbelmarkt mit einem brands4frands-ähnlichem Geschäftsmodell aufzurollen versucht, setzt zu eben jenem Zweck auf ein buntes Sortiment, das einen hippen Lifestyle suggerieren soll und neben Möbeln auch Gläser, Designer-Tischwäsche, Pfeffermühlen und gelegentlich sogar Wein umfasst.

Nun traue ich mir eine Menge Dinge zu, jedoch garantiert nicht, dass ich mir Wein auf der Lifestyle-Schiene andrehen lassen würde. Wenn doch nur nicht mein Schnäppchenreflex wäre… Denn zum Grundprinzip bei den meisten Aktions-Shoopingseiten gehört, dass alle Waren unter Normalpreis verkauft werden. Neulich gab es gleich drei Weine von Weingütern, deren Erzeugnisse ich seit langem mal (wieder) probieren wollte. Und weil eine wichtige Voraussetzung für Wachstum die Generierung von ausreichend Kundenadressen ist, werfen Anbieter wie Westwing mit Neukundengutscheinen um sich. So gab es die ursprünglich um einen Euro pro Flasche rabattierten Weine mit weiteren 15 Euro Neukundenrabatt sowie 8% Cashback über qipu (Der guten Ordnung halber: mit diesem Unternehmen bin ich wirtschaftlich verbunden) zu einem Gesamtpreis inklusive Porto der rund 35% unter Weingutspreis lag – und ich erlag der Versuchung.

Matrjoschka verpackt WeinEs gehört sich eigentlich nicht, jemanden, der mich so günstig mit Wein versorgt, dafür auch noch zu schelten, doch was ich einige Wochen später daheim vorfand, nachdem mein Möbeldealer seine Weine geliefert hatte, war eine Sünde. Offensichtlich hatte entweder der Logistiker oder die Winzer die Weine jeweils in Dreierpakete vorsortiert, für diese aber aus irgendeinem Grunde 6er-Versandkartons verwendet. Der Möbelhändler sah sich dann nicht nur außer Stande, diese Weine aus- und umzupacken, beispielsweise in einen 12er-Karton, er hatte auch noch jeden einzelnen Dreierpack in einen großen Möbelversandkarton gesteckt. Am Ende kamen Kartons mit einem Gesamtvolumen von fast einem Kubikmeter bei mir an um 9 Flaschen Wein zu überstellen. Nun denn: ich wollte eh nicht dauerhaft meine Weinbezugsquelle wechseln.

Und das war drin:

WillemsWillems, Weißburgunder, 2011, Mosel. Es ist lange her, dass ich Weine dieses Gutes getrunken habe und sie waren alle sehr gut. Deswegen war ich ganz gespannt auf die erste Begegnung seit vielleicht 5 Jahren. Ich mach es kurz: ordentlich aber nicht inspirierend. Weißburgunder kann leicht etwas ,ordinär‘ sein (ein Ausdruck meines Vaters, den ich mangels besserer Idee übernommen habe). Die Birnenfrucht ist dann eher Dosenbirne und klingt etwas pappig aus, die Nase ist (Achtung, wieder keine Weinsprache) käsig. Damit meine ich keinen Weinfehler, sondern einfach einen Mangel an Spannung und satter Frucht. Dieser Weißburgunder erschien mir so. Durchaus trinkbar aber für einen Snob wie mich nicht reizvoll genug um ihn lange zu studieren. Der Rest wurde verkocht, die übrigen zwei Flaschen sind den Schorletrinkern in meinem Freundeskreis reserviert. Geschmacksache.

Krebs, Hofmann, WillemsWillems
Mit schicken Etiketten fit für den Designermöbelshop

Krebs, Sauvignon Blanc, 2011, Pfalz. Ein Weingut, von dem ich viel gelesen aber noch nichts getrunken hatte – willkommene Gelegenheit dieses zu ändern. Der Sauvignon Blanc ist richtig gut, fast zu gut für mich. Diese ganz puristischen Interpretationen, die richtig schön kratzen, sind mir manchmal sehr angenehm, oft hab ich es aber eher mit den leicht weichgespülten, typisch deutschen Vertretern der Rebsorte. In der Nase Stachelbeere, Gras, Kräuter und Zitrus – extrem grasig. Am Gaumen ist der Weißwein schlank, mit kräftiger Säure, ziemlich trocken und mit reichlich Gerbstoff – er kratzt, was für einen Sauvignon Blanc ja ein gewisses Adelsprädikat ist. Dazu Zitrus, Kerbel, Estragon, etwas Mineralik – eine herbe Schönheit, die mir fast etwas zu herb ist, aber das ist Tagesform. An manchen Tagen habe ich den absoluten Mainstream-Geschmack (dann wäre der Krebs ein bisschen zu viel des Guten für mich) und an anderen suche ich eher das Besondere (dann sollte es ein Wein wie dieser Sauvignon Blanc sein).

Hofmann, Grüner Silvaner, 2011, Rheinhessen. Auch eine Begegnung nach längerer Pause; von Hofmann kenne ich nur den sehr guten Hundertgulden aus 2007. Der Silvaner  hat ob seiner Eigenart, mit Frucht zu geizen, das Potential sperrig zu sein. Dieser hier ist zwar in der Nase eher langweilig, am Gaumen aber ganz und gar nicht sperrig: cremig, milde Säure, grüner Apfel, Pflaume aber auch einfach Weintraube – viel Frucht und harmonische Fülle kleiden den Mund aus. Der Alkohol ist moderat (12,5%, wie bei den anderen beiden Weinen auch), der Abgang lang und fruchtig. Das ist ein sehr schöner Sommerwein für jeden Typ Weintrinker.

Wie die Jungfrau zum Kinde

Als ich vor einigen Jahren meine erste Weinreise an die Mosel unternahm, wurde ich an der Pforte eines bekannten Weingutes vom Hofhund fast über den Haufen gerannt. Ich solle mir keine Sorgen machen, beruhigte mich der herbeigeeilte Hausherr, der beiße ,nur Flachlagenwinzer und Chardonnaytrinker‘.

Das beschreibt die Hierarchie wohl ganz gut. Riesling, Steillage – wer es sich leisten kann, betreibt an der Mosel seinen Job puristisch. Weiß- und Spätburgunder sind akzeptiert, Dornfelder und Rivaner für die Belgischen Touristen zumindest geduldet, Sauvignon und Chardonnay sind was für Außenseiter.

In der semipuristischen Welt (Riesling Steillage plus Touristendornfelder) angesiedelt ist auch das Weingut Ludwig Thanisch & Sohn. Dass ich den schlanken Stil des Hauses sehr schätze, habe ich schon mehrfach erwähnt – ebenso wie gut ich den Weissburgunder finde und auch, dass ich dem Hause freundschaftlich verbunden bin. Als ich im April mit dem Winzer telefonierte um nach dem zu erwartenden Jahrgang zu fragen, erfuhr ich unerhörtes: aufgrund eines Koppelgeschäftes bei der Weinbergspacht gelangte das Gut letztes Jahr in den Besitz einer Parzelle Schieferboden, die mit Chardonnay bestockt ist und die es künftig vor dem Verwildern zu bewahren gilt um eine andere – heiss begehrte – Riesling-Parzelle nutzen zu dürfen. Das spült dem Weingut in absehbarer Zukunft jährlich rund 1000 Liter Chardonnay in den Keller.

Ohne genaue Vorstellung, was daraus werden soll (so meine Interpretation seiner Ausführungen), hat Winzer Thanisch diesen Winter seinen Erstling produziert. Der Most wurde zu 80% im Stahltank, der Rest in einem gebrauchten Barrique ausgebaut. Vergoren wurde er zunächst spontan – und die Aromen im Wein sind teiweise jungen Thanisch-Rieslingen so ähnlich, dass ich einmal mehr an die Dominanz der kellereigenen gegenüber den weinbergseigenen Hefen glaube – bevor er zusätzlich mit Reinzuchhefen beimpft wurde um sicherzugehen, dass er auch wirklich durchgärt. Halbtrockenen Chardonnay trinken wohl nicht einmal die Belgischen Touristen, da wollten die Thanischs kein Risiko eingehen. Während der rund halbjährigen Tank-/Fassreife wurde die Hefe regelmäßig aufgerührt. Gefüllt wurde er vor wenigen Wochen – in der Burgunderflasche unter Schraubverschluss – und ist seitdem für 8,50 Euro unter dem Namen ,Chardonnay Zero‘ zu haben.

Drei Tage lang habe ich mich mit dem Wein vergnügt. Mit reichlich Belüftung und knapp zweistelliger Trinktemperatur gefiel er mir am besten. Es ist ein Wein für Moselallergiker, weil er die Charakteristik der Mosel ohne das Schreckgespenst ihrer Säure transportiert und ein Wein für Chardonnayverächter, weil er die Charakteristik der Sorte (sogar in ihrer holzausgebauten Form) ohne ihre manchmal zügellose Wucht rüberbringt. Der ,Zero‘ ist ein Wein für Laien, weil man ihn einfach locker schlorzen kann und ein Wein für Kenner, weil man damit definitiv alle Klugschieter im Freundeskreis aufs Glatteis führt. Ähnlich wie Stefan Steinmetz auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses dem Merlot eine Moseltypizität einzuhauchen vermag, gelingt es Thanisch hier beim Chardonnay – so zumindest meine bescheidene und vermutlich nicht völlig unparteiische Meinung.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Chardonnay Zero, 2011, Mosel. In der Nase zunächst zarter Blütenduft, Eisbonbon und Litschi mit mehr Luft etwas Chardonnay-typischer: Birne, Haselnuss, Quitte, auch etwas blonder Tabak, ein bisschen Holz. Am Gaumen ist der Wein von mittlerem Volumen und angenehm cremiger Textur. Der Chardonnay hat nur vierkommairgendwas Gramm Säure, wirkt aber viel knackiger, was daran liegen mag, dass er auch nur einskommanochwas Gramm Restzucker aufweist. Letztere wiederum mag man kaum glauben, weil der ,Zero‘ so viel süße Frucht präsentiert. Ein kleines Aromenfeuerwerk brennt er mit einem Tag Belüftung ab: Apfel, Birne Haselnuss, Marzipan, Butter, und sogar etwas Schokolade, eine kleine Spur Holz und Rauch. Im sehr langen Abgang macht sich eine schöne Mineralik breit. 13 % Alkohol sind stimmig für diesen Wein. Ich finde ihn sehr gelungen und vor allem originell.