Colli Euganei Weinberge

Norditalienische Bordeaux-Killer

Colli Euganei DOC Rosso ist ein Hinweis auf dem Etikett, der großes Preis-Leistungsverhältnis bedeuten kann. Zielgruppe sind Bordeaux-Trinker, deren Lottogewinn langsam aufgebraucht ist.

Weinschreiber sind korrupt. Sie lassen sich zu luxuriösen Reisen einladen und jazzen anschließend die verkosteten Weine und das besuchte Gebiet hoch, weil die Veranstalteragentur sie sonst von der Einladungsliste für künftige Events streicht. Ein bisschen Wahrheit steckt drin in diesem häufig gehörten Weinstammtisch-Vorwurf. Ich kenne zumindest eine Agentur, die mich nicht mehr für Reisen anfragt, seitdem meine Berichterstattung über ein Event nur zu 85 Prozent positiv war. Das mit der Gefälligkeitsberichterstattung allerdings ist arg übertrieben.

Stellen Sie sich vor, Sie kriegten Besuch mit der Maßgabe, den Gast von ihrem sonnigen Gemüt zu überzeugen. Sie richteten das Gästezimmer her, kauften tollste Lebensmittel, machten die schönsten Weine klar und läsen ihrem Besucher drei Tage jeden Wunsch von den Lippen ab. Sie müssten schon ein ziemliches Ekelpaket sein, damit der Gast anschließend schlecht über sie redet, oder? Weinreisen sind meistens genau so organisiert: Gute Hotels, spannendes Programm und die besten Weine, gerne kombiniert mit herausragender regionaler Küche authentischer Gasthäuser. Das zeigt natürlich Wirkung.

Geheimtipps findet man vor Ort

Castello del Catajo und Panorama
Palazzo und Panorama mit Hundert Hügeln

Um nicht in Verlegenheit zu kommen, habe ich eine sehr einfache Strategie entwickelt. Ich nehme Einladungen nur an, wenn ich schon aus Vor-Reise-Erfahrungen eine positive Geschichte schreiben könnte. Ich weiß also, dass es gute Weine in der Region gibt. Ich vertiefe Kenntnisse, die ich schon habe und schreibe dann darüber, wobei vor Ort erworbenes Insiderwissen und verkostete Geheimtipps die Geschichte würzen und die Reise rechtfertigen (auch vor meiner Frau). Da ich im Schnitt nur zwei Einladungen pro Jahr annehme, bin ich mit dieser Strategie zuletzt gut gefahren. Bis zur vorletzten Woche.

Ich war in den Euganeischen Hügeln, den Colli Euganei, die sich ein paar Kilometer südwestlich von Padua auf einem Gebiet von 12 mal 18 Kilometern ausbreiten. Hingefahren war ich, weil ich eine Einladung vom örtlichen Konsortium angenommen hatte und das, weil nach einer positiven Erfahrung mit den Weinen diese seit Jahren auf meiner To-Do-Liste stehen. Im Rahmen der Vinitaly 2016 nahm ich an einer kleinen Master-Class mit Rotweinen der DOC teil und war beeindruckt. Die Euganeischen Hügel sind ein Weinbaugebiet mit einem Schwerpunkt auf Merlot-dominierten Cuvées klassischer Bordelaiser Prägung. Anders als in der Toskana stehen die internationalen Sorten hier schon 150 Jahre. Anders als im Bordelais hat die Carmenere hier die Reblaus überlebt und spielt noch eine gewisse Rolle.

Colli Euganei – mehrheitlich Rotwein

Keller Monte Fasolo
Psycho Keller…Qu’est-ce que c’est?…Fa-fa-fa-fa…

Die 2400 Hektar sind mehrheitlich mit roten Rebsorten bepflanzt, Weißwein spielt die zweite Geige, allerdings durchaus vernehmbar. Zum einen steht hier Glera, meist ‚Serprino‘ genannt und dazu Moscato Giallo (Goldmuskateller, unser Gelber Muskateller heißt Moscato Bianco in Italien). Letzterer hat eine eigene DOCG namens Colli Euganei Fior d’Arancio für Still- und Schaumwein in trocken und süß sowie Passito. Für einen Großteil der Glera-Flächen besteht das Angebot, sie als Subzone in die Prosecco-DOC aufzunehmen, was unter Winzern kontrovers diskutiert wird.

Spätestens jetzt wird die Geschichte für den typischen Leser dieses Blogs langweilig. Also kommen wir zum spannenden Teil. Der typische rote Colli Euganei ist ein echter Bordeaux-Killer. Er kostet zwischen 13 und 18 Euro, bewegt sich mithin preislich auf Cru-Bourgeois-Niveau. Er ist aber etwas früher zugänglich und qualitativ seinen Bordelaiser Pendants häufig mehr als ebenbürtig. Da der klassische Besser-Weintrinker Weine dieser Preisklasse nicht auf ihre Haltbarkeit hin kauft, sondern eher als Genussmittel für ein Gläschen unter der Woche, ist die frühe Blüte sehr von Vorteil. Wer jammert, dass sich der Alltag nicht mehr mit preislich attraktiven Bordeaux begleiten lässt und dem rechten Ufer (oder einem höheren Merlot-Anteil in der Cuvée) zugetan ist, der sollte sich mit den Euganeischen Hügeln beschäftigen. Also fuhr ich hin, sicher, dass ich mit etlichen Geheimtipps zurück kommen würde.

Doch es kam ganz anders. Gerade einmal 7 der nur 45 während der Reise verkosteten Weine fielen in die klassische Rosso-Cuvée-Kategorie. Rund die Hälfte der Weine war weiß. Nun hat jedes Land seine eigenen Muskat-Spielarten und gefühlt hat jedes Land auch genug davon. Gelber Muskateller boomt bei uns. Müller-Thurgau, den man geschmacklich in die Nähe bringen kann, ist stark rückläufig. Dazu hat Prosecco eine größere Strahlkraft als der kleine Nachbar. Die Marktchancen der Fior d’Arancio-Weine und der Biancos aus Colli Euganei sind überschaubar, das Interesse meiner Leser vermutlich auch.

Euganeische Hügel – Naturpark zum Sattsehen

Die Gegend feiern muss ich allerdings ohne wenn und aber. Die Euganeischen Hügel sind nicht nur umwerfend schön, das Weinanbaugebiet ist es auch. Vor 43 Millionen Jahren wurden große Blasen aus dem damals noch Meeresboden aufgeworfen. Einige hielten, einige platzten auf. Vor einigen Millionen Jahren tauchte dann die ganze Ebene aus dem Meer auf. In welche Kategorie er fällt, kann man jedem einzelnen der 100 Hügel des Gebiets von weitem ansehen. Die spitz zulaufenden sind geplatzt, die mit den runden Kuppen haben gehalten. 10 Gesteinsarten dominieren die Terroirs, 5 vulkanische an den Hängen der Kegel, 5 Sedimentgesteine an den Hängen der Buckel. Was das Gebiet so außergewöhnlich macht ist die extensive Bewirtschaftung. Es ist ein großer Naturpark, in dem neue landwirtschaftliche Flächen anzulegen strengen Auflagen unterliegt. Weingärten findet man regelmäßig eingerahmt von Wäldern und Brachen, von Monokultur keine Spur. Viele der Weingüter liegen auf Gipfeln und Kuppen und bieten atemberaubende Ausblicke, andere haben den Weinkeller in den Fels gehauen. Die Gegend war immer fruchtbar, nie arm und hat manch stolzen Palazzo zur Besichtigung zu bieten.

Castello del Catajo
Schauplatz von Franz-Ferdinands letzter Party vor der Abreise nach Sarajewo 1914

Die Zahl der deutschen Touristen ist riesig, dazu kommen reichlich Kurgäste. Die Hälfte unserer Ansprechpartner und der besuchten Winzer sprach hervorragend Deutsch. Die Ab-Hof-Verkaufsquote ist hoch und unter denen, die sich da den Kofferraum voll machen, finden sich viele Österreicher und Süddeutsche. Trotzdem – oder vielleicht auch deswegen – haben die meisten Weingüter keinen flächendeckenden Vertrieb in Deutschland. Hierzulande verkauft sich das alles nicht von alleine, wer es aber mal im Glas hatte oder vor Ort war, schwört oft drauf. Verkaufsdruck herrscht bei den Winzern eher nicht. Fast alle sind am Ende der Saison ausverkauft. Das liegt allerdings auch an den günstigen Preisen. Kommen wir also zu den lohnenswerten Weinen.

Colli Euganei – die Weine

Giorgio Salvan
Giorgio Salvan und sein wunderbarer ‚Oltre il limite… e altro‘

Alles startete mit einem Abendessen und einem ersten Aperitif. ‚Serprino‘ Frizzante 2021 vom Weingut ‚Il Pianzio‘. ‚Serprino‘ Frizzante ist ein Glera mit ziemlich wenig Druck und ein bisschen (hier 10 Gramm) Zucker, immer in die Bordeaux-Flasche gefüllt, enorm erfrischend, weil nicht wirklich süß. 11,5 Prozent Alkohol, Charmat-Methode, entsprechend viel Pfirsich, aber nicht so bunt wie beim Prosecco. Das ist ein ausgesprochen schöner Apero für 7,50 Euro. Davon begegneten mir in der Folge noch weitere Exemplare, die hier nicht weiter beschrieben sind, weil das letztlich ein Urlaubswein ist. Einen roten Urlaubswein zeigte der zweite anwesende Winzer mit seinem ersten Merlot. Giorgio Salvan füllt seinen einfachen Colli Euganei Merlot als poppigen und etwas parfümierten, fröhlichen Rotwein mit ansprechender Frische. Der 2021er hat 13% Alkohol und verspricht unkomplizierten Genuss. Die Merlot Riserva 2015 reifte in 20 Jahre alten 5000-Liter-Fässern. Ein Schmeichler mit feiner Phenolik im Abgang, ausgewogen, sehr gelungen und mit rund 12 Euro spottbillig.

Es folgte der erste Wein aus der klassischen Kernkompetenz, produziert nur in guten Jahren: Colli Euganei DOC Rosso ‚Oltre il limite… e altro‘ 2015 ist eine Cuvée aus 80% Merlot und 20% Cabernet Franc. Letzterer strukturiert mit leicht grünem Eindruck und bissiger Frische den üppigen Merlot ganz wunderbar. Grip und süße Frucht tanzen auf der Zunge, 14 Prozent Alkohol machen angenehmen Druck, der lange Abgang ist ausgesprochen Elegant. Wunderbarer Stoff für unter 20 Euro. Ein abschließender 2011er Merlot aus der Magnum unterstrich die Langlebigkeit der Salvan-Weine. Den Abend beschloss dann wieder das Weingut Il Pianzio mit einem ‚Fior d’Arancio‘ Spumante (Charmat) Moscato Giallo. 7 Prozent Alkohol, 100 Gramm Restzucker, sehr bunte Nase, am Gaumen leicht kräutrig, etwas bittere Orangenmarmelade, fantastisches Spiel und große Erfrischung. Der Wein wird zwei- bis dreimal pro Jahr gefüllt, um die Frische zu gewährleisten – unglaublich lecker. 8,50€! Sowas muss man in meiner Wein-Bubble zwar heimlich trinken, aber man sollte es mindestens ein Mal im Leben getrunken haben.

Colli Euganei Monteversa

Auch zu Beginn des zweiten Tages lernten wir auf dem Weingut Monteversa, malerisch auf gleichnamigen Hügel gelegen, erst einiges über Weißwein, bevor wir zu den Rossos kamen. Allerdings war das hochwillkommenes Weißweinwissen, Schließung einer frappierenden Bildungslücke: Mein erster reinsortiger Manzoni Bianco. Das ist eine Rebsorte, die vor gut 90 Jahren von Luigi Manzoni aus Riesling und Weißburgunder gezüchtet wurde. In Deutschland wenig bekannt steht sie in Norditalien großflächig in den Weinbergen (die fast 10.000 von Wikipedia kolportierten Hektar konnte ich in keiner zweiten Quelle finden). Reinsortig ist sie allerdings selten. Im Versavó Bianco 2021 (12€) riecht sie wie eine Kreuzung aus Pinot Bianco und Riesling mit einem kleinen Stinker. Auch geschmacklich erinnert das stark an die Eltern, schmeckt aber nicht wie eine Cuvée, sondern eher wie das beste beider Welten: dezent schmelzig, schöne Säure, etwas getrocknete Kräuter, recht stoffig, noch jung. Ausgesprochen interessant. Den Reifetest veranstalteten wir mit einem auf Bitten geöffneten Versavó 2011, der allerdings nur eine Cuvée mit dominant Manzoni ist. Der ebenfalls vertretene Chardonnay macht sich bemerkbar. Mir ist das zu reif, auch leicht käsig, aber ein valider Beweis, dass Manzoni reifen kann.

Rotwein unter 20 Euro für Anspruchsvolle

Dann auch hier die Kernkompetenz: Versacinto Rosso 2019, 9000 Flaschen, 14 Euro, 13,5% Alkohol, Hälfte neues Holz, Hälfte gebrauchtes, 18 Monate, danach Zement, 60/20/10/10 Merlot/Cabernet Sauvignon & Franc/Carmenere. In der Nase vollfruchtig, am Gaumen schöne Struktur, eher schlank, mit viel feinem Tannin, spürbarer Säure, etwas Trüffel und Zeder, strahlender Frucht; eher leise, aber durchaus mit Druck. Das ähnelt extrem einem guten Bordeaux; auf der eleganten Seite, viel zu jung.

Zum Abschluss gab es den Cabernet Sauvignon 2018, 24 Monate neues kleines Holz, 6 Monate Beton. Der ist mit 38€ kein Schnäppchen. Satte Johannisbeere in der Nase, am Gaumen nicht ganz so krass, da ein bisschen holzig, mittlere Frucht, ordentliche Säure, feines Tannin. Derselbe Wein kam noch in ein zweites Glas, aus einer Karaffe, in der er seit einiger Zeit atmen durfte:  etwas minzig, lebendiger, säurebetonter, hier schmeckte ich auch das Blut, das die anderen schon im frisch geöffneten hatten. Ich finde den extrem stark, sogar für diesen Preis.

Magere Ausbeute dann bei der nächsten Station, denn in der Fattoria Monte Fasolo verkosteten wir Sekt, einen etwas einfachen Blockbuster-Merlot mit 36 Monaten Holz und einen Passito ohne Marktrelevanz in Deutschland. Allerdings durfte ich noch einen der seltenen sortenreinen Manzoni Biancos probieren und das machte Freude: denn hier erinnert der an Müller-Thurgau, allerdings an besonders guten M-T. Etwas blumig, auch in Richtung Muskat, aber auch tolle Säure, Festigkeit und Phenolik. Kein Leichtwein. Das hätte ich gerne mal über zwei Tage im Glas.

Vignalta hat Zeit und Geld

Weiter ging es zu Vignalta. Das ist einer der Vorzeigebetriebe des Gebietes und der Besuch war ein denkwürdiger. Zunächst einmal, weil unser Gastgeber (angestellter Marketingmanager mit Önologenausbildung) angenehm BlaBla-befreit auftrat. ‚Unsere Rotweine sind nach der Gärung unangenehm sperrig und harsch, deswegen geht alles Rote bei uns anschließend mindestens 2 Jahre ins Holz – Ausnahme Pinot Noir mit gelegentlich nur 18 Monaten.‘ erklärte er das Grundsätzliche um dann anzufügen: ‚Außerdem können wir es uns leisten, die Weine so lange bei uns zu behalten, bis sie trinkreif sind’. Sowas kann natürlich auch ein Statement als Trotzreaktion auf volle Lager sein, doch der Kollege zeigte auf eine Menge Tanks und trat den Gegenbeweis an. ‚Wir nutzen diese Zeit, um die Filtration zu vermeiden, und ziehen die Weine aus dem Holz in diese schmalen, hohen Edelstahltanks um. Dort lassen wir den Trub über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr absetzen.’ Klare Vorstellung von guter und schonender Weinbereitung, die sich trotz ziemlicher Produktionsmenge deutlich im Glas wiederfindet.

Vignalta Wein

Doch die Verkostung war erst einmal schräg: Metodo Classicos in Blanc de Blancs (Chardonnay) und Blanc de Noirs (Raboso Friularo, erstmals sortenrein in meinem Glas), Stillweine aus Weißburgunder, Chardonnay (als Reserve), Gold Muskateller und dann ein Pinot Noir 2016 aus semi-carbonique Gärung und noch ein reinsortiger Carmenere Riserva – das war das Vorprogramm an teils zwar hochinteressanten, für diesen Artikel aber völlig irrelevanten Weinen, bevor es zur Kernkompetenz ging. Da wartete dann allerdings der Wott! (Wine of the Tour): Colli Euganei DOC Rosso Riserva 2017 60/40 Merlot/Cabernet Sauvignon, satte Frucht und das beste beider Welten (Rebsorten), akzentuiertes, aber feines Tannin, feine Säure, gute Frische, leicht balsamische Noten am Beginn der Trinkreife. 2017 ist der aktuelle Jahrgang, 2018 wird erst noch gefüllt. 60.000 Flaschen produziert Vignalta davon. 14,50 Euro kostet der wunderbar balancierte Wein ab Weingut. Hammer! In Deutschland gibt es den Wein derzeit im Frischeparadies für 19 Euro, was immer noch einen sehr guten Weinwert darstellt.

Es folgte die Merlot Riserva 2016. Satt, tief, etwas fester als der Merlot vom Voraband, aber immer noch mit Crowd-Pleaser-Qualitäten, bei viel Potential und einer gewissen Feinheit. Müsste man länger verkosten, aber ich glaube, das ist stark. Der ‚Gemola‘ 2016 stellt dann die rote Spitze von Vignalta dar. 70/30 Merlot/Cabernet Franc vom Vulkan, 2 Jahre überwiegend neues Holz, dann wieder fast drei Jahre Stahl. Wow, da macht der Cabernet Franc dem Merlot Beine, Im Mund legt die satte Frucht einen eher üppigen Start hin, doch dann kommt der Wein ans Laufen, Blut/rohes Fleisch, Bleistift und feiner Biss, nach hinten raus wird das richtig groß! Kostet in Deutschland 37 Euro und wird dem Preis gerecht. Nächstes Jahr kommt 2018 vor 2017 in den Handel. 2018 hat gerade tre bicchieri im Gambero Rosso errungen.

Reifetest beim Weissweinspezialisten

Auch das Weingut Borin gehört zur ersten Garde des Gebietes, Das Familienweingut füllt seit 60 Jahren Wein in Flaschen. 25 Hektar eigene Flächen, kein Zukauf, ein Drittel der Produktion geht ab Hof auch an viele deutsche Kunden. Allerdings sind die Borins Weißweinspezialisten. Das beeinflusst auch die Rotweinproduktion. Die werden extrem schonend bereitet; vorsichtiges Überpumpen während der Gärung, kein Unterstoßen des Tresterhuts und keine Pressung am Ende, sondern lediglich Auffangen des frei ablaufenden Weines. Rocca Chiara Merlot Riserva 2018, 17,50€, vom Lehm, 18 Monate Barrique, dann zurück in Stahl für ein Jahr, aktuell im Verkauf. Kakaopulver, Rauch, dunkel; feines, sehr röstiges Tannin, davon nicht zu viel, nach hinten raus passiert derzeit ein bisschen wenig, aber das ist immer noch sehr gut, weil sehr strukturiert und nicht marmeladig.

Coldivalle, Cabernet Sauvignon 2019 vom Kalkstein, etwas früher gefüllt, um Tannin für die Flaschenreife zu lassen. 25 Euro, 2000 Flaschen. Der Winzer sagt, man müsse sich Mühe geben, aus dieser Lage einen schlechten Wein zu produzieren, hier gäbe es immer gesunde, reife Trauben zu ernten. Das hat viel Typizität, leichte und frische Johannisbeere, erstaunlich schlank, minimal grasig, aber nicht auf der unreifen Seite. Einigen wir uns auf ‚Präzision’ – null Plüsch. Tolles Tannin, große Länge, wunderbarer Wein.

Zuàn von Borin Vini
Eine Reise durch die Reife

Giovanni Borin ‚Zuán‘ 2019, Cab S 62%, Syrah 33%, Merlot 5%. Veneto IGT, 19,50 €, 2000 Flaschen. Das ist für mich eine komische Mischung, einerseits etwas Bonbon, Vanille, schöne Säure, ordentliche Portion Tannin, deutlich Holz. Sehr jung. Unsere Nachfrage, wie sowas reift, wird aufs großzügigste beantwortet. Wir kriegen drei alte Weine (unter anderem den Erstling), bei denen allerdings der Syrah noch durch Cabernet Franc ersetzt war. Deswegen wurden die alten Weine auch noch als DOC gefüllt. Die Borins hatten nach eigener Aussage nur Pech mit ihrem Cabernet Franc, weswegen sie ihn jetzt durch Syrah ersetzt haben.

‚Zuán‘ 2016, als DOC mit Cabernet Franc statt Syrah und etwas mehr Merlot. Schmeichelnder, das Tannin ist voll integriert, die Frucht ist reif und weich, aber nicht matschig, das Holz noch deutlich spürbar, sehr schöner Wein. ‚Zuán‘ 2007, zeigt, dass der Wein wirklich reifen kann: in der Nase etwas gemüsig, aber die Flasche ist auch frisch geöffnet. Am Gaumen hat das Biss, eine angenehme grüne Frische vom Cabernet Franc, süße Frucht vom Cabernet Sauvignon und gut passende balsamische Noten. Ist vielleicht schon kurz hinter dem Höhepunkt, aber ganz sicher nicht dem Ende nah. Guter Wein. ‚Zuán‘ 2004, der Erstlingsjahrgang, frisch geöffnet, die Nase etwas sauberer, leicht ätherisch. Am Gaumen große Frische, die Frucht CS dominiert, das Tannin ist feinkörnig. Ist auch leicht balsamisch und kann sein Alter nicht ganz verstecken, aber das hat schon wirklich Gesicht! Auch wenn die Weine für mich qualitativ nicht an der Gebietsspitze stehen, ist das hier doch der Beweis, dass die Rossos aus den Euganeischen Hügeln wirklich gut reifen können, jedoch früher zugänglich sind, als diese Art von Cuvée aus den meisten anderen Herkünften.

Am Ball bleiben lohnt sich

Elisa Dilavanzo Weingut Maeli
Elisa Dilavanzo, Weingut Maeli

Beim abschließenden Lunch treffen wir Elisa Dilavanzo vom Weingut Maeli. Die überzeugte dereinst die Bisol-Brüder vom großen gleichnamigen Prosecco-Produzenten, ihr durch ein Investment die Übername eines Weingutes zu ermöglichen, das sie jetzt als geschäftsführende Gesellschafterin mit ihrem Team führt. 7 Frauen machen Wein und sind ziemlich experimentierfreudig. Moscato Giallo ‚dilá‘ 2017, der zum Start gereichte Brut Natur Flaschengärer ist wohl der beste der vielen Schäumer, die ich die Tage über im Glas hatte. 30 Monate Hefelager, 1800 Flaschen, Einzellage, 28€, Nase ist nicht zu expressiv, angenehm hefig. Große Frische, schönes Mundgefühl, die leichte Orangenaromatik ist da, dazu auch etwas Grapefruit, hier ganz ohne Bittertöne. Fantastischer Apero, weil enorm speicheltreibend. Toll.

Der Rote, mit dem Namen D+ Riserva 2017 etwas schräg betitelt, ist sehr ‚natural‘. 14,5% 1800 Flaschen, 24 Euro, die Nase mit Klebstoff und Acetaldehyd, das schwenkt sich etwas weg, 50 Merlot, 45 Cab S und 5 Prozent Carmenere. Der Cab hat 48 Tage auf den Schalen gelegen, die anderen 24. Satte Frucht, etwas Schoko, extrem schöne Mischung aus Bumms und Struktur, auf der fetten Seite, aber nicht auf der marmeladigen, schöne Säure, gutes Holz (ein Viertel, dritter Durchgang, Rest Beton) tief und mit Potential. Sehr schön (aber nur für Freaks).

Wer ein Urlaubsziel mit Naturparks, Thermalquellen, umwerfenden Landschaften und einer auf Publikumsverkehr ausgelegten Winzerschaft sucht, der ist in den Euganeischen Hügeln bestens aufgehoben und das auch, wenn er oder sie sich eigentlich mit französischen Rotweinen leichter tut. Davon konnte ich mich vor Ort überzeugen. Da es mir auf dieser Reise noch nicht gelang, alle Hidden Champions, vielversprechenden Newcomer und Preis-Leistungsgiganten auszugraben, werde ich das Thema weiterverfolgen. Bei der Preisentwicklung der etablierten Produzenten hochwertiger Bordeaux-Cuvées gebietet das schon der Selbsterhaltungstrieb.

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