Es gibt auch beim Wein Geschichten, die sind so stimmig, die entlassen den Autor aus der Verantwortung, besonders kreativ oder erheiternd zu sein. Da reichen die puren Fakten, besteht keine Notwendigkeit für Anekdoten. Die Geschichte von Florent Dananchet ist so eine. Dass sie trotzdem reich an Anekdoten ist, liegt nur an Florent, der nicht nur ein interessanter Winzer, sondern auch ein unterhaltsamer Mensch ist – wenn man ihn in die richtige Umgebung stellt.
Eben, bei der Begrüßung auf dem Hof des Gutes, war er eher schüchtern, glänzte mit hervorragendem Englisch, spulte aber eher routiniert die Fakten zum Weingut der Familie ab, das er mit seinem älteren Bruder führt, wobei der Vater noch mit an Bord ist.
Die grüne AOC des Burgund
Doch jetzt stehen wir in Florents Weinbergen und sprechen über die Rebzeilenbegrünung. Jetzt taut unser Gastgeber auf. Und ein bisschen stolz ist er auch: Florent Dananchets Vater ist einer der beiden Autoren und Schöpfer der AOC-Regeln für diese Appellation. Sie heißt Viré-Clessé, liegt im Norden des Maconnais und ist ziemlich neu, genau genommen seit 1998 in Kraft. Florents Vater ist seit jeher umweltbewusst, setzte schon damals auf schonende Weinbergspflege und hat deswegen die Pflicht zur Rebzeilenbegrünung ins Regelwerk geschrieben. Wir erkennen trotzdem sofort, welche Zeilen zur Domaine des Gandines – so der Name des Weingutes der Familie Dananchet – gehören und welche zum Nachbarn. ‚Die meisten Winzer lassen nur einen Streifen von 30 Zentimetern zwischen den Reben stehen, der Rest wird gespritzt‘ erklärt uns der Junior. ‚35 Winzer gibt es in der Appellation und nur fünf brechen die Begrünung um oder pflügen sie unter, der Rest nutzt Herbizide‘.
Hier, wo wir jetzt stehen, tut ihm das besonders weh, denn die erste Nachbarzeile bekommt immer etwas ab und das ist hier keine Kleinigkeit. ‚Schaut mal‘, deutet er auf den Horizont, ‚die Rebzeilen hier sind absurde 350 Meter lang. Bei der Handlese laufen wir 180 Meter mit der leeren Kiepe ins Feld, lesen ein paar Trauben und laufen dann wieder 180 Meter zurück zum Hänger. Die Ernte der paar Zeilen hier dauert einen ganzen Tag‘. Die Dananchets sind in der letzten Phase der Umstellung von bio auf biodynamisch, ab nächstem Jahr demeter-zertifiziert. Die Arbeit wird nicht weniger werden.
Wanderjahre bei ersten Adressen
Zurück auf dem Hof lernen wir seinen Bruder kennen, der eher der große Mann auf dem Trecker ist, wenngleich ich ihn das nicht fragen kann, weil er nur Französisch spricht. Er ist einige Jahre älter als Florent und früh ins Weingut eingestiegen. Das verschaffte dem jüngeren Bruder Zeit, die er genutzt hat. Erst war er einige Zeit in Australien und Neuseeland unterwegs, kam dann zurück um im Gut mitzuarbeiten und brach doch noch einmal auf – nach Kalifornien, denn es war ihm gelungen, einen Arbeitsplatz bei Screaming Eagle zu ergattern. Nun tobt er sich im Keller aus. Und da fühlt er sich erheblich wohler, weswegen er die Probe aus der Probierstube zwischen die Tanks und Fässer verlegt. Wenn jetzt die Weine noch annähernd so gut sind wie der Lebenslauf des Winzers und die Geschichte des Gutes …
Wir starten die Verkostung mit einem Bourgogne Rosé nach Saignée-Verfahren mit einem faszinierendem Pampelmusen-Aroma. Einfach, aber sehr gut auch der Einstiegs-Chardonnay: der Macon Village 2017 ist einen Hauch laktisch in der Nase, am Gaumen aber ganz klar und fruchtig, gute Flussgeschwindigkeit auch dank sehr zurückhaltendem Schwefel, lediglich 20 Milligramm pro Liter haben die Brüder vor der Füllung zugesetzt. Schwefel ist in der Domaine de Gandines derzeit das beherrschende Thema, wobei Florent Dananchet die Gesamtmenge niedrig hält, aber auch den Zeitpunkt der Schwefelgabe hinauszuzögern versucht. Grundsätzlich liegen die Weine mehrere Monate auf der Feinhefe. Beim Macon-Péronne 2017 führt das zu einer Mischung aus Apfel und Würze bei schöner Textur: voll, aber balanciert – mit etwas Pfeffer im Abgang, viel Wein für zwölf Euro. Gerade mal zwei Euro mehr kostet ‚Terroir de Clessé 2016‘, der 11 Monate im Edelstahl auf der Feinhefe reifte und im Abgang ein paar schöne Gerbstoffe zeigt die eine falsche Fährte in Richtung Holz legen. Begeisterung kommt dann beim Climat Les Gandines 2016 auf, einem richtig vollmundigem Einzellagen-Chardonnay aus gebrauchtem Holz, das sehr fein schmeckbar ist, da einige Zweitbelegungen darunter waren. Viskos, dick, kraftvoll, aber nicht alkoholisch und sehr tief! 14,2 Prozent Alkohol habe der Wein, erklärt Florent und hat eine weitere Anekdote parat. In seinem Keller und Weinberg habe sich ein Hefestamm breit gemacht, der eine extreme Alkoholausbeute betreibe. Man sage zwar, Spontangärung führe zu etwas weniger Alkohol, das könne er aber nicht bestätigen. ‚Wir haben hier regelmäßig am Ende der Gärung deutlich höhere Alkoholwerte als in der Theorie aus dem Mostgewicht entstehen dürfte, aber geschmacklich ist der Alkohol selten dominant‘, nimmt der junge Kellermeister es gelassen.
Es muss nicht immer trocken sein
Und seine Weine stecken noch andere Widrigkeiten weg: der ‚M’lle Agathe 2015‘ – benannt nach seiner Nichte – ist ihm in der Gärung stecken geblieben. Nun hat er 14 Prozent Alkohol und 6 Gramm Restzucker – und funktioniert trotzdem hervorragend, was vielleicht auch an 25 Milligramm Schwefel (total, nur 10 zugesetzt) liegt. Den größten Anteil am Vergnügen hat aber sicher die sehr lebendige Säure.
Auch der Neffe hat seinen Wein: ‚Loris 2015‘ ist ganz großer Sport, in der Nase und am Gaumen viel weniger Holz, als man bei 100 Prozent Erstbelegung erwarten würde, sortentypisch schmelzig, nussig, Mit 27 Euro nicht mehr geschenkt, aber halb so teuer, wie vergleichbares, das mir in den Sinn kommt. Der Loris lag über ein Jahr ungeschwefelt im Fass und bekam erst zur Füllung eine Mini-Dosis. ‚Ganz auf Schwefel zu verzichten traue ich mich noch nicht beim Chardonnay‘, erklärt Florent, um dann seinen komplett ungeschwefelten Macon-Burgy 2016 aus zugekauften Gamay-Trauben einzuschenken. Sehr sortentypisch und damit nicht mein Favorit. Anders die Pinots: Der 2016er Bourgogne Pinot Noir stammt aus dem Stahltank, weil Florent für den Jahrgang keinen Vorteil im Holz sah. Er ist karg, pur, würzig, jung – und macht glücklich.
Wir verlassen das dekorative Fass mit den Flaschen und Karten und gehen zu den Fässern, die noch ihre ursprüngliche Aufgabe erfüllen, denn die letzten beiden Weine sind Proben des Pinots aus 2017. Für diesen Jahrgang hat sich die Familie entschieden, einen Teil im Stahl und einen im Fass auszubauen. Die kriegen wir jetzt nacheinander ins Glas. Zwei tolle Ausschnitte, die mal ein großartiges Ganzes ergeben werden.
Lebendige Weinberge, demeter-Zertifikat, in zweiter Generation Rebell, Low- und No-Schwefel-Experimente und extrem schöne Weine zu vernünftigen Preisen, dazu eine unterhaltsame Art und feines Englisch: Florent Dananchet ist der der Traum aller Schwiegermütter Weinblogger. Wer braucht da noch Anekdoten.