Eichelmann Champagner Buch

Champagner 456 – das perlt!

Gerhard Eichelmann hat sein zehntes Champagner-Buch veröffentlicht. Er bringt darin seine Klassifikation wichtiger Erzeuger auf den neuesten Stand.

Champagner ist ein Schaumwein, den man öffnet, wenn man ausgesuchten Gästen eine besondere Wertschätzung vermitteln will. Für den Alltag reichen auch einfachere Getränke und wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, dann findet man deutsche Winzersekte, die zu einem Bruchteil des Preises das gleiche – teils gar mehr – Vergnügen bereiten. Wenn Sie jetzt drei mal bedächtig genickt haben, will ich Sie nicht schelten, aber sie können ihre Lebenszeit sicher mit Sinnvollerem als der Lektüre dieses Artikels verbringen.

Champagner – Beschäftigung lohnt

Champagner ist einzigartig – ja, andere Mütter haben auch schöne Töchter, aber nicht in der Zahl und in der Spitze auch nur selten von so vollendeter Schönheit. Die Champagne ist ein Meer an süß-sauren Frechheiten – allerdings mit einer riesigen Zahl von Inseln der Glückseligkeit darin. Champagner ist das Weinbaugebiet mit der geringsten Korrelation zwischen Preis und Qualität auf diesem Planeten – nirgendwo kann man so sinnlos Geld verplempern wie bei Armand de Brignac und Veuve Clicquot manchem Blingbling-Haus oder Massenproduzenten. Wenn Sie jetzt drei Mal genickt haben, dann hätte ich einen Tipp für Sie.

Zum Zehnten Mal versucht sich Deutschlands Chef-Auskenner in Sachen Champagne an einer Klassifikation. Nachdem im neunten Buch, das nur auf Englisch erschien, 1.335 Produzenten anhand von 13.451 verkosteten Champagnern auf dem Prüfstand standen, sind es in der nun wieder in Deutsch publizierten zehnten Version nur noch 456. Und auch von diesen waren nicht alle mit so vielen verschiedenen Weinen (insgesamt 2800) in Eichelmanns Glas vertreten, dass das Urteil immer aktuell ausfällt. Weingüter wie Ulysse Collin oder Billecart-Salmon kommen im Textteil ohne Sterne-Bewertungen daher, weil der Autor in den letzten zwei Jahren nur je drei oder vier Weine aus den umfangreichen Kollektionen im Glas hatte. In den tabellarischen Auflistungen erscheinen sie jeweils kursiv gesetzt mit ihrer Sternebewertung der neunten Ausgabe, was kein echter Makel ist, denn die Zahl dieser Art gelisteter Güter ist gering.

Champagner-Buch – eine Lebensaufgabe

Bleibt trotzdem die Frage nach der Vollständigkeit. Die Quellenlage bei reiner Internet-Recherche ist unübersichtlich: Der Champagner-Markt besteht wohl aus etwas über 2.000 flaschenvermarktenden Erzeugern die rund 50.000 verschiedene Etiketten auf Flaschen kleben. Anders als bei seinem Weinführer für Deutschland verkostet Eichelmann Champagner allein. Damit ist klar, es kann immer nur eine Auswahl geben. Das ist auch deswegen sinnvoll, weil etliche Erzeuger mit Kleinstauflagen am Markt vertreten sind und keine Mengenrelevanz besitzen. Trotzdem fehlt dem Buch zu einem echt umfassenden Guide die Übersicht, die Aufschluss darüber gibt, was mit den 900 Erzeugern ist, die es zwar in des Autors Glas, nicht aber ins zehnte Buch geschafft haben. Auch von den Erzeugern, die im neunten Buch noch mit drei Sternen dabei waren, jetzt aber gar nicht erscheinen, wäre es interessant zu wissen, ob die Qualität abgestunken, oder die Zeit einfach nicht gereicht hat.

Gerhard Eichelmann Champagner 456 Mondo Verlag Erfahrung

Aber genug gemeckert, reden wir über die Stärken von Champagner 456. Gerhard Eichelmann hat  den frei gewordenen Platz gut genutzt. Das Buch ist herrlich nerdig. Wahrhaft Interessierte, die wissen, ob sie die Weine von der Côte de Blancs lieber straight aus dem Stahltank, ohne biologischen Säureabbau, dafür brut dosiert (süßsaure Frechheiten, Sie erinnern sich) oder doch eher oxidativ ausgebaut, mit ‚Malo‘ aber Extra Brut mögen, womöglich gar mit 20% Reserveweinen aus der Amphore und 10% schmeckbarem Holz – die werden verwöhnt. Eichelmann beschreibt den Stil des Hauses, die bevorzugte Keller-Strategie, die Dosage-Gewohnheiten und geht bei regelmäßig produzierten Weinen auch auf die Details bezüglich Rebsorten, Reservewein-Anteil etc. ein. Das ist kein Buch, das den Leser in seinen Bann zieht und von vorne bis hinten gelesen werden will. Das ist aber auch kein bloßes Lexikon. Es ist irgendwas dazwischen – irgendwas Gutes dazwischen.

Champagner-Know-how gibt’s auch

Die historischen Betrachtungen, technischen Notizen, das Glossar und die Texte zu den einzelnen Regionen sind leicht aktualisierte Fassungen früherer Ausgaben. Da gibt es schließlich nichts Neues zu erfinden. Wer diese Zusammenfassungen nie gelesen hat, der wird sie tatsächlich in einem Rutsch abarbeiten. Sie gehören in jeden Weinfreak-Haushalt und jedes Weinkennerhirn. Bestenlisten mit den höchstbewerteten Blanc de Blancs, NV Bruts etc. schenkt sich der Autor und das ist gut so. Erstens bewertet er eh mit dem etwas gröberen Raster von einem bis fünf Sterne mit Halbsternschritten und Goldfärbung (nur bei Fünf-Sterne-Weinen, um die Monumente von ‚nur‘ Großen abzuheben) und zweitens fehlen dazu zu viele Weine in der Liste der getesteten Champagner. Wo möglich gibt Eichelmann aber deutsche Endverbraucherpreise zu den Weinen an. Und das eröffnet einen wunderbaren Ansatz.

Wer auf den Taler schauen muss, der blättert in diesem Wälzer, bis er einen Erzeuger mit (relativ) hoher Bewertung und (relativ) kleinen Preisen findet. Alsdann kann er dem Text in der Regel sehr detaillierte Hinweise zu Stil und Geschmack der Weine entnehmen. Klingt das nach Beuteschema, so wechsele man zum Browser und mache sich auf die Suche nach Bezugsquellen. Wer nicht auf den Taler schauen muss, der geht halt nur nach den Bewertungen (erst Weingut, dann verkostete Weine). Wer wiederum im Wein-Alltag über einen Champagner stolpert, der besonders hell strahlt, der findet mit hoher Wahrscheinlichkeit interessante Details zum Produzenten im Buch. Die schönste Form des Einsatzes für Champagner 456 empfiehlt unterdessen der Autor selbst: es ist ein guter Reiseführer durch die Champagne. Im vorderen Teil sind zu jeder Ortschaft die empfehlenswerten Erzeuger gelistet.

Der Meister ist streng – und konservativ

Gerhard Eichelmann hat einen eher konservativen Champagner-Geschmack. So interpretiere ich zumindest seine Urteile zu Weingütern, die mehr oder weniger auf der Natural-Welle surfen. Raw-Liebling Tristan Hyest tauchte in Ausgabe 9 noch auf, fehlt mittlerweile aber ebenso wie Julie Dufour, die eventuell aber auch mit nur zwei Weinen zu wenige Champagner für ein Urteil produziert. Ihr Bruder Charles, Held der Nonkonformisten, hatte in Ausgabe 9 noch 3 Sterne und fehlt jetzt – trotz sehr prominenter Repräsentanz im Deutschen Markt (Champagne Characters, weinladen.de uwm). Auch hier kann theoretisch Zufall im Spiel sein, doch das Urteil zu meinen persönlichen Lieblings-Freaks von Bonnet-Ponson (‚wer Harmonie und Eleganz sucht, ist hier heute fehl am Platz‘) ist eindeutig – nicht falsch, eher Ansichtssache, aber definitiv sehr konservativ.

Das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Gerhard Eichelmanns Champagner 456 ein uneingeschränkt nützliches und vergnügliches Weinbuch ist. Denn der Freakstoff ist eine nette Spielart, keinesfalls die Hauptattraktion des tollsten Schaumweingebietes der Welt (so konservativ bin dann auch ich). Außerdem gibt es ja zum Glück in der Weinwelt keine Regel ohne Ausnahme. Als Begleittrunk zum Schreiben dieses Textes diente mir nämlich einer von jenen Nonkonformistenlieblingschampagnern, denen auch Gerhard Eichelmann höchstes Lob zollt (vier Sterne für Erzeuger und (Vorjahres-)Wein).

Jeaunaux Robin Eclats Champagne

Jeaunaux-Robin, Éclats de Meuliére Extra brut (2019/2020), Champagne. PM, PN, CH ohne Angabe der Anteile. In der Nase ein recht reifer Apfel, nur etwas Hefe und ein paar getrocknete Kräuter. Am Gaumen für so kurzes Hefelager eine erstaunlich feine Perlage, dazu ist der Wein, wie der Meister schreibt, ‚frisch, präzise, zupackend‘. Das hat kräftig Säure, braucht die 3,5 Gramm Dosage auch, damit es nicht beißt, ist aber so zurückhaltend, dass niemand von süß-saurer Frechheit reden würde. Stattdessen ein wahnsinnig durchschlagskräftiger Wachmacher, hervorragend geeignet als Aperitif, noch besser als Schreib-Begleiter.

Eichelmann Champagne 456 hat 770 Seiten, ist bei Mondo erschienen und kostet 70 Euro. Wenn Sie es über diesen Link bei Amazon kaufen, bekomme ich eine Provision, wenn Sie es über diesen Link beim Verlag bestellen (der dem Autor gehört), unterstützen Sie einen anderen großartigen Weinautor. Mir ist das ausnahmsweise egal. Ich habe aber auch schon zwei Gläser wunderbaren Champagners getrunken.

5 Gedanken zu „Champagner 456 – das perlt!“

  1. Hi Felix,

    das Thema beschäftigt mich aktuell auch.

    Wenn man eben die bekannten Markenchampagner hinter sich hat und eigentlich eher enttäuscht worden ist.
    Hast du einen Tipp, wie man die Champagne sinnvoll erkunden kann?
    Und am Ende vor allem so, dass man keine Unsummen ausgeben muss.

    Viele Grüße
    Rene

    1. Manchmal gibt es Champagner unter 25 Euro, die nicht nur Spaß machen, sondern auch Erkenntnis vermitteln. Etwas häufiger findet man die zwischen 25 und 30 Euro. Die Musik spielt aber sicher zwischen 30 und 50 Euro. Wenn Du Lust hast, dich im vollen Bewusstsein dieser Preis-Spanne mit dem Thema zu beschäftigen, sind 70 Euro für Eichelmanns Buch eine sehr vernünftige Investition. Wie Du dann mit diesem Buch vorgehst, habe ich ja im Artikel beschrieben. Wenn Du aber erst mal noch zwei oder drei Weine probieren möchtest, ob denn wirklich für Dich die Champagne ein gewinnbringendes Thema ist, dann stöber doch mal bei Champagne Characters und such Dir was im Bereich 30 bis 35 Euro aus, was spannend klingt. Nicola Neumann verkauft eigentlich nur Weine, die was zu erzählen haben. Wenn dann der Funke nicht überspringt, würde ich tatsächlich erst mal ein bisschen kleinere Brötchen backen und zum Beispiel Schaumwein aus dem Trento DOC probieren.

        1. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Halbflaschen beim Champagner. Ich weiß auch gar nicht, ob in den Flaschen vergoren wird. Die Piccolos (oder Quarts) werden nach der Gärung umgefüllt, wie das bei den Demis aussieht konnte ich auf die Schnelle nicht herausfinden.

        2. Passend zum Thema Flaschengrößen und Champagner hat Konstantin Baum gerade ein YouTube Video veröffentlicht. Beim Thema halbe Flaschen könnte es dir helfen 😉.

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