Mazzella Paterico

Aus Kampanien in die Fine-Wine-Welt

Ich war in Hamburg zur Premiere des ‚Paterico‘, eines Taurasi Riserva DOCG aus Kampanien von Gian Luca Mazzella. Das war durch und durch besonders und die Reise wert.

Es gibt Geschichten, die kann man sich nicht ausdenken. Ich schrieb gerade meinen Bericht von der Premiere des Kniebrecher-Silvaners, als mich eine Einladung erreichte. ‚Selbst der Weg zur Legende beginnt mit dem ersten Schritt‘ hieß es darin und angekündigt wurde ein neuer Superduperwein. Und das während ich gerade den Satz schrieb: ‚Ich habe nichts übrig für künstlich verknappte Pseudoraritäten, die (…) schon vor offiziellem Verkaufsstart zum Kult (v)erklärt werden. Die sich oft genug als Luftnummer entpuppen, meistens sehr hübsch, aber eben zwei Nummern kleiner als die Story.’ Das wäre ein guter Grund gewesen, nicht hinzufahren.

Edle Weine

Der Wein, ‚Paterico‘ benannt, war als reinsortiger Aglianico des Winzers Gian Luca Mazzella angekündigt. Keine Investoren im Hintergrund, reines Handwerk, kleine Stückzahl – quasi eine Art Kniebrecher aus Kampanien. Das war ein guter Grund hinzufahren. Die Weltpremiere des Weins fand am 10. Juni 2024 im Weingut Egon Müller und einen Tag später im Restaurant chez l’ami des Hotels Tortue in Hamburg statt. Meine Einladung lautete auf den 11. Juni. Ich wollte sowieso mal wieder in die alte Heimat. Also buchte ich Ticket und Hotel.

Mönch, Journalist, irgendwas mit Wein

Gian Luca Mazzella ist ein bunter Hund. Geboren und aufgewachsen in Italien absolvierte er schon mit 16 seinen ersten Schülerjob auf einem Weingut – allerdings im Burgund. Beide Eltern entstammen Winzerfamilien, die Verbindung zum Wein war immer da, doch Gian Luca studierte ‚Spirituelle Theologie‘ und liebäugelte mit dem Mönchsgewand, entschied sich dagegen, unterrichtete aber fünf Jahre Theologie an der Universität, um dann in den Journalismus zu wechseln. Wein spielte immer eine Rolle und irgendwann schrieb er über Wein – viel auch für den Feinschmecker. Deutschland war sein Tummelplatz. Er produzierte einen Film über die Riesling-Renaissance und schließlich arbeitete er für Weingüter. Er hat eine schöne Formulierung dafür: Erst um zu lernen, dann um zu helfen und schließlich, weil man nach seinen Fähigkeiten fragte. Nach Frankreich und Deutschland kam die italienische Heimat: Piemont, Toskana, Veneto. Kampanien, Heimat einer Hälfte seiner Familie, wurde schließlich Basis seines ersten eigenen Weingutes. Viel weiß er darüber zu erzählen, mehr als ich mitschreiben konnte. Es gibt aber eine ausführliche Dokumentation, die mir auch in anderer Hinsicht aushilft: Ich habe vergessen, ein Foto von Gian Luca Mazzella zu machen.

Der Paterico ist kein Projektwein. Mazzella baut ein richtiges Weingut, sein Weingut. Um Geld zu beschaffen, hat er die ersten beiden Jahrgänge an seine Distributoren in Subskription verkauft. Das unterscheidet diese Gründungsgeschichte von anderen. Bekannte Händler haben den Wein aus den Fässern genascht und haben sich mit einer signifikanten Summe engagiert und das zwei Jahre bevor die erste Flasche das Weingut verlassen konnte. Drei der europäischen Wiederverkäufer sind in ihren Märkten Repräsentanten der Domaine de la Romanée-Conti und auch der deutsche Importeur ist kein 08/15-Händler.

Edel sei der Wein, teuer und gut

Große Namen

WeinArt handelt mit Bordeaux, Burgund und Weinen von Klaus-Peter Keller sowie Raritäten aus dem Sekundärmarkt. Die Expertise in Sachen Spanien oder Italien (jenseits der Supertoskaner) halte sich bei ihm in engen Grenzen, erklärte Nedjelko Mrcela, geschäftsführender Gesellschafter der Hawesko-Mehrheitsbeteiligung und Gastgeber des Abends. Und so wählte der Händler aus dem Rheingau für die Premiere eine WeinArt-Inszenierung, baute die beiden existierenden Jahrgänge Paterico in einen Probenparcours aus seiner Welt. Dem 2019er stellte er aus gleichem Jahr die Chateaux Montrose und Haut Brion, die Supertoskaner Solaia und Ornelaia, den Überspanier Pingus und einen Vosne-Romanée Premier Cru ‚Aux Brûlées‘ der Domaine Meo-Camuzet zur Seite. Der kurzfristig eingebaute 20er Jahrgang, frisch gefüllt, aber erst ab nächstem Jahr erhältlich, erhielt einen Partner: Clos de la Roche Grand Cru 2020 von Felettig. Der kam in der Magnum und durfte deswegen auch am Abendessen teilnehmen, wo neben den beiden Patericos eine Doppelmagnum 1999er Cheval Blanc im Einsatz war.

Montrose Haut-Brion Ornellaia

So pompös das alles klingt, so wenig ging es dabei um Angeberei oder Distinktionsgehabe. Mrcela brennt für guten Wein, ist von dem Projekt überzeugt, schätzt den Winzer sehr und huldigt ihm auf seine Weise. Das sieht bei einem der führenden Raritätenhändler Deutschlands halt anders aus als die Premiere des neuen Hausweines in der Pizzeria um die Ecke. Allerdings wirkte die Inszenierung auf mich nicht hundert Prozent stimmig, dazu ist der Paterico zu eigen. Es ist eben kein glattgebügelter Super-Kampanier, sondern ein mit viel Aufwand im Weinberg und minimalster Intervention im Keller produzierter Terroir-Wein mit Ecken und Kanten. Davon gibt es in Mrcelas Welt nicht so viele. Da standen zwei schwarze Schwäne inmitten all der strahlend weißen aus der Weltweinliga – wohlgemerkt: schwarze Schwäne, nicht hässliche Entlein.

Nahenullintervention – ganz unpoliert

Solaia Pingus Paterico

Was den Paterico von Ornellaia und Co unterscheidet, kann der geneigte Interessent in der sehr ausführlichen Dokumentation bei WeinArt nachlesen. Ich versuche derweil eine Kurzfassung. Aglianico ist sehr spät reifend. In der relativen Höhe Irpiniens fällt die Lese regelmäßig in den November. Da Kampanien jedoch auch in Höhenlagen nichts mit Sibirien zu tun hat, steckt reichlich Zucker in der Traube, es sei denn, man arbeitet im Weinberg heftig dagegen an. Gian Luca Mazzella gibt alles, um 13,5 Prozent Alkohol nicht zu überschreiten und liegt damit mehr als ein Prozent unter den Nachbarn. Im Keller setzt er auf ungetoastetes Holz, konsequente Spontanvergärung, auch keine Zuhilfenahme von Gäransätzen, keine Hefe-Nährstoffzugaben und sehr langen Schalenkontakt, die ganze Mazeration dauerte beim schneller laufenden 2020er immer noch 50 Tage. Die malolaktische Gärung findet auch ohne Be-Impfung statt, bei den bisherigen Weinen erst im Sommer. Danach kommt die erste minimale Schwefelgabe. Mit computergesteuerter Gärführung und detailliertem Tanninmanagement über Toasting-Parameter und Fass-Mix – bei den meisten Weinen des Begleitprogramms üblich – hat das alles gar nichts zu tun. Doch ich schildere die Machart auch so detailliert, weil sie ein Risiko birgt: die Entstehung von flüchtiger Säure und beide Weine hatten etwas davon.

Paterico 2019 Taurasi Riserva DOCG. In der Nase Blaubeere und Eukalyptus, kein Toasting, keine Röststoffe, sehr frische Nase, aber auch mit einem Hauch Lösungsmittel. Am Gaumen kräftige Säure, die Frucht wirkt im Moment etwas belegt, aber nicht unbedingt gekocht, das ist eher wie ein kleiner Hefeschleier und darunter kommt enorme Dichte und Tiefe. Würznoten sind hier noch wenig entwickelt. Die Säure hebt den Wein auf ein hohes Niveau. Das ist was ganz Eigenes. 

Paterico 2020 Taurasi Riserva DOCG. Hier finde ich einen richtigen Nagellack-Ton, wenngleich der für mich im Toleranzbereich liegt. Dazu wieder feine Frucht und große Frische. Der Gaumen startet mit unglaublich verführerischer, süßer Frucht, die von viel Säure strukturiert wird. Was fasziniert, ist die enorme Vielschichtigkeit, die nicht mit Würze oder Holz daherkommt, sondern mit immer neuen Wellen von Fruchtaromen, gefolgt von feinem Tannin und immer wieder dieser schönen Säure. Große Länge, großartiger Wein.

Erster Schritt zur Legende?

Burgund und Kampanien

Im Kontext mit den anderen Weinen sticht der Esterton für mich zwar deutlich heraus, ist aber im grünen Bereich und schwenkt sich auch ein bisschen weg. 0,8 Gramm flüchtige Säure haben die Weine laut Mazzella und das ist für gehaltvolle Rotweine ein Wert, bei dem eine geschmackliche Beeinträchtigung für kaum jemanden spürbar ist. In der Nase allerdings sollte eine Mehrheit an Lösungsmittel oder Nagellack denken, was viele gar nicht unangenehm finden. Außer mir hatte das am Abend auch keiner weiter thematisiert.

350 Euro wird der Verkaufspreis dieses außergewöhnlichen Aglianicos betragen. Wer die Zahlen zusammensetzt (Flaschenzahl, Hektarertrag, Aufwand, Distributionsnetz), der merkt: reich wird Mazzella damit nicht werden. Ein gutes Auskommen für alle Partner ist sicher drin. Ich mag die Idee dieses unpolierten, kompromisslosen Weines. Und doch (Call me Spießer) glaube ich, dass ein paar Kompromisse den Erfolg beschleunigen würden. Ein ganz bisschen poliert gefiele mir das noch besser. So oder so habe ich es sehr genossen, Teil dieser Lancierungskampagne gewesen zu sein.

Für Steady-Unterstützer geht es hier noch weiter mit meinen Notizen zu den Weinen aus dem Rahmenprogramm.

Da waren zum einen die Rotweine aus der anfänglichen Präsentation.

Flight 1

Chateau Montrose. Die Frucht ist ein ganz bisschen gekocht, Pflaume, Kirsche, dazu recht deutlich Vanille, leicht ätherisch, etwas Zeder, angenehm würzig, aber auch etwas brandig in der Nase. Am Gaumen startet der Wein dann eher kühl und schlank, bei mittlerer Säure, wie die besten Vertreter dieser Herkunft. Das hat eigentlich die Anlagen, um sehr elegant zu singen, aber dann trötet der Alkohol ein bisschen dazwischen, was immer noch zu einer gewissen Größe reicht.

Müller im Rahmenprogramm
Begrüßungs- und Überbrückungsschlucke

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