Weinrallye #33 – Aromasorten

Aromasorten (oder wenn ich den im nördlichen Zipfel des deutschsprachigen Raumes geläufigeren Begriff verwenden darf: Bukettsorten) spielen in meinem Leben eine ähnliche Rolle wie anspruchsvolle, zeitgenössische Romane. Beim Stöbern oder aufgrund von Kritiken kaufe ich sie mir gelegentlich mit dem festen Vorsatz, sie zu konsumieren, da sie meinen Horizont erweitern werden – und im Idealfall auch noch Genuss bereiten.

Doch wenn es dann daran geht, die nächste Lektüre/den nächsten Wein auszusuchen, kommen sie ähnlich schnell in die engere Auswahl wie der übergewichtige Klassenbeste beim Schulfußball wenn die Mannschaft durch abwechselndes Auswählen aus der Schülerschar entsteht.

Manch guter Roman landet nach zwei erfolglosen Jahren im ‚als nächstes lesen‘-Regal unberührt im großen Bücherschrank und manch Bukettsorten-Kamerad starb schon den wenig heldenhaften Tod der Sauce, des Fischfonds oder gar einer Weissweinmarinade – ich bekenne mich schuldig. Aktuell war da wieder so ein Kandidat. Viel bewegt wurde er in den letzten Jahren in meinem Keller – seitwärts, die Treppe rauf hat er es nicht geschafft.

Und dann kam Robert. In seinem Blog Vinissimus spielt er Gastgeber der Mai-Ausgabe der Wein-Rallye. Er wählte Bukett-Sorten als Thema und bewahrte meinen Kandidaten somit vor dem Tod durch Altersschwäche mit entsprechend würdeloser Entsorgung. ‚Robert, Du bist ein Weinretter‘ möchte ich ihm zurufen, doch einstweilen reicht vielleicht auch ein Pingback.

Drei Dinge qualifizieren meinen Wein: Er ist ein Muskat-Ottonel (die Bukettsorte schlechthin), er kommt aus Roberts Heimat Österreich (so viel Respekt sollte sein) und er stammt von einem Winzer, der eventuell selber an der Rallye teilnimmt (als Sahnehäubchen sozusagen).

Also konnte es losgehen. Musste nur noch der Wein mitspielen. Ich öffnete den gut gekühlten Tropfen, goss ein und hielt die Nase ins Glas. Es kam: Nein, kein Kork (er ist verschraubt) – es kam nichts. Streik war angesagt. Kein Bukett und kein Aroma. Mit etwas schwenken und wärmen kam dann ein Duft von Buchenholzrauch. Der hatte da nichts zu suchen, denn ich glaube nicht, dass der Wein je ein Fass von innen gesehen hat (und wenn, dann ein weingrünes).

Aber zum Glück war das nur ein schwieriger Prolog, wie ihn auch manche Autoren ihren Werken voranstellen, um die unwürdigen Konsumenten abzuschütteln, bevor dann der zugängliche, vergnügliche Teil losgeht (Tellkamps ‚Der Turm‘ lässt grüßen). Es wurde noch ein beschwingtes Weinvergnügen mit Bukett und Aromen, Geschmack und allem, was dazugehört.

Grenzhof Fiedler, Muskat Ottonel, 2006, Burgenland, Österreich. Er riecht zunächst ein bisschen nach Buchenholzrauch. Mit einer Stunde Luft kommen ‚klassische‘ Aromen: Blüten und Muskat (Muskat Ottonel ist einfach schrecklich schwer in Worte zu fassen). Am Gaumen Litschi und Limone im Überfluss. Sehr trocken und sehr leicht. Den ersten Schluck nehme ich auf der Terrasse im Sonnenuntergang und da gehört der Wein auch hin (auf die Terrasse, nicht in den Sonnenuntergang). 12% Alkohol und gefühlte null Gramm Restzucker. Langer Abgang, guter Wein. Erfrischend!

Danke, Robert (Du Weinretter!)

Ersatzbank Superstar

Man liest immer wieder von Blindverkostungen in denen Weine der mittleren Preisregion weitaus teurere und vor allem berühmtere Weine aus dem Feld schlagen. Bekanntes Beispiel ist die ‚Berliner Verkostung‘ bei der chilenische Weine Latour, Petrus & Co in Reihe versägten. Aber auch in kleinerem Rahmen kommt sowas vor und wird dann intensivst werblich ausgeschlachtet. Ich spare mir die Diskussion darüber, dass die Ikonen in diesen Tests völlig vor der Zeit geköpft, die Underdogs hingegen im perfekten Reifezustand ins Rennen geschickt werden, denn hier geht es um einen anderen Aspekt.

Wenn so ein Underdog gewinnt, ist das für den privaten Konsumenten nicht immer Grund zur Freude.

Es begab sich dieser Tage nämlich folgendes: Wir hatten Gäste zum Essen und zum Hauptgang plante ich einen Castillo Ygay Gran Reserva Especial aus dem Jahr 1989 von Marques de Murrieta zu servieren – ein sogenannter ‚Kultwein‘, wenn auch für den schmaleren Geldbeutel. Die Zahl der Weintrinker und das Vorprogramm legten nahe, dass eine Flasche nicht ganz reichen, eine zweite aber wohl nicht leer werden würde. Mein Ygay war eine Einzelflasche und so suchte ich für die Ersatzbank einen anderen, günstigeren Wein. Dieser sollte eine spürbare Säure bei nicht zu viel Power und jugendlichem Feuer zeigen. Ganz alt sollte er aber nicht sein, damit der zu erwartende Rest am nächsten Tag noch Spaß macht. Ich entschied mich für einen von Blaufränkisch dominierten Österreicher aus dem Jahre 2004. Da er unterm Schrauber steckte und weil der erste Schluck es nahe legte, landete er in der Karaffe.

Die Gäste kamen, der Abend war nett und das Essen lecker. Das Vorprogramm mit unter anderem Wittmanns Morstein aus 2008 befriedigte alle Erwartungen. Beim Ygay hielt ich mich etwas zurück und lies den Gästen den Löwenanteil. Anhand des einen getrunkenen Glases muss ich konstatieren, dass es sich – wie schon beim vor Jahren getrunkenen 1978er – um einen sehr ordentlichen aber eigentlich kreuzbraven Rioja handelt. Irgendwo bei 87 Punkten könnte er verortet sein, aber das ist ganz schön enttäuschend bei dem ganzen Buhei um seine mindestens 50 Monate Fasslager, x-fache Selektion und all dem anderen Tüdelüd.

Mein Glas war als erstes leer. Ich holte die Karaffe von der Ersatzbank. Es kamen scherzhafte Bemerkungen, ob ich die ordentlichen Weine für mich beiseite geschafft hätte und ich stieg ebenso scherzhaft darauf ein. Was dann aus der Karaffe ins Glas strömte spielte allerdings eine ganze Liga über dem großen Spanier. Mir war es zwar recht aber auch ein bisschen peinlich. Ich wurde gebeten, das Glas mal rumzureichen und auf einmal landeten die Ygay-Reste meiner Gäste in einem nicht mehr gebrauchten leeren Glas. Alle wollten den Ösi trinken. Beim Aufdecken des Weines konnte niemand was mit dem Winzer anfangen (keine Web-2.0-Menschen unter den Gästen), der Preis von 18€ versus 33€ ließ allerdings ein zweites Mal aufhorchen. Zum Glück waren auch weniger weinbegeisterte mit am Tisch, so dass nach kurzem Ordnungsruf der Hausherrin das Thema gewechselt wurde.

Wie erwartet blieben ungefähr ein viertel Liter übrig und überdauerte ohne Schaden im Kühlschrank, so dass ich am nächsten Abend den Rest trinken und eine Verkostungsnotiz anfertigen konnte.

Grenzhof Fiedler, Mörbisch Rot, Rotweincuvée, 2004, Burgenland, Österreich. 87% Blaufränkisch und 13% Cabernet Sauvignon. In der leicht alkoholischen Nase Pflaume und blonder Tabak. Am Gaumen ist der Wein dunkel und kräftig: schwarze Johannisbeere, Kaffee und Bitterschokolade. Dabei ist er aber nicht mollig, breit und warm sondern begeistert vor allem mit Textur (straffe Säure), Struktur (harmonisches Tannin), gut integriertem Alkohol und diesem kühlen, an Menthol erinnernden sehr langen Abgang. Große Klasse.

Füllwein (7)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Mörbisch Weiß, Weißwein Cuvée, 2006, Grenzhof Fiedler, Burgenland/Österreich. Die herrliche Cuvée aus Weissburgunder und Chardonnay duftet sehr intensiv nach grünem Apfel und schmeckt auch ein bisschen danach. Daneben gesellt sich in der Nase und am Gaumen ein kräftiger Holzton mit etwas Rauch und viel Vanille dazu. Vom Mundgefühl ist er eher schlank, der Nase nach zu urteilen hätte ich ihn molliger erwartet. Den ausgesprochen langen Abgang finde ich einen Tick alkoholisch. Es gibt in Deutschland zwei populäre Vertreter dieser Mischung von den Weingütern Knipser und Keller. Ich meine, da kann Bernhard Fiedlers Wein mithalten.

Ürziger Würzgarten Riesling Spätlese, 1998, Jos. Christoffel Jr., Mosel. Die Weine dieses Winzers haben eine große Fangemeinde im Internet und ich oute mich hiermit als Gruppenmitglied. Ich gehöre jedoch zum gemäßigten Flügel. Die 98er Spätlese schmeckt auch zehn Jahre nach Füllung noch ziemlich süß, was bei nur 7 Prozent Alkohol vielleicht nicht überrascht. Die Nase bietet alle Aspekte einer Raffinerie: Diesel, Kerosin und so weiter aber auch eine große Portion Granny Smith. Auch am Gaumen findet sich dieser markante Apfel gemeinsam mit etwas Birne. Schönes Mundgefühl und gutes Süße-Säure-Spiel sind die herausragenden Eigenschaften am Gaumen. Ein bisschen adstringierend im sehr langen Abgang und nur wenig Mineralik stehen auf der Soll-Seite aber die Bilanz ist sehr positiv.

Chateau Rollan de By 2003, Cru Bourgeois, Medoc, Bordeaux. Dieser fruchtige Bordeaux ist die perfekte Verbindung von Trinkspaß und Tiefgang. Seit der Auslieferung 2005 bietet er fast unverändert einen vollen Körper, satte Frucht, angenehme Röstaromen, gut integrierte Säure und kaum spürbaren Alkohol bei einem stabilen Rückgrat aus Tannin – Lieblingswein.