Wiesbaden GG

Wiesbaden 2025 Tag 1 – #vdpgg2025

Hier ist der Livebericht. Und ich freue mich …

Es ist das letzte Wochenende im August – halt Stopp, alles anders. Es ist dieses siebte Jahr (jaja, Schaltjahre, hören Sie auf, es ist Sonntagmorgen!) an dem wir das vorletzte Wochenende im August haben, an dem sich die halbe Weinwelt (die für mich relevante, die netteste Hälfte) in Wiesbaden einfindet, um GGs zu verkosten. Da bin ich dabei, da muss ich mit – und wenn Sie nicht wissen warum, dann würde ich es ihnen gerne erklären, doch es ist Sonntag, früher war das ‚alles außer Riesling‘, heute nicht mehr, aber ich setehe auf Tradition also fange ich mit Silvaner an und habe eigentlich keine Zeit.

Hier aber doch ein vorbereiteter Block mit Erläuterungen für alle, die nicht wissen, worum es geht. Am 1. September ist Verkaufsstart für die Großen Gewächse (GG) der Mitgliedsbetriebe des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). Das ist die Speerspitze Deutscher Weinkultur – sagen manche. Ich sehe das auch so (wobei in der Weinwelt mehr als irgendwo sonst auf der Welt gilt: Keine Regel ohne Ausnahme). Wenn Sie nicht wissen, was ein GG ist, dann können Sie das hier lesen oder hier schauen. Ich habe vermutlich auch mal ein Podcast dazu gemacht, aber da habe ich die Inhalte noch nicht katalogisiert.

Ich verkoste also mit vielen anderen eine Woche vor Verkaufsstart diese Weine und es werden fast 500 davon in Wiesbaden präsentiert. Ich werde versuchen, alle zu probieren. Kann man das seriös oder ist das dann einfach ein wildes Geschwafel? Beides! Glauben Sie mir: man kann 500 Weine probieren. Es ist überhaupt kein Problem in drei Tagen 500 Schlucke Wein in den Mund zu nehmen und wieder auszuspucken. Es ist auch kein Problem 500 Mal eine Entscheidung zu treffen: Spricht mich das an oder spricht mich das nicht an? Ansprechen kann auch anschreien sein, kann auch ‚ich bin total untrinkbar und jetzt lass mich in Ruhe, Du Idiot‘ sein. (das passiert zum Glück im Schnitt nur bei jedem zweihundertsten Wein). Viele Weine sagen einfach nur: ‚ich bin hier, ich gefalle Dir‘, aber sie inspirieren mich darüber hinaus in dem Moment nicht. Andere sagen: ‚Gib es zu: Du hast keine Ahnung, ob Dich meine kleine XY-Besonderheit gerade anmacht, irritiert oder total abturnt, Du bräuchtest mindesten ein ganzes Glas und eine Stunde, besser noch eine Flasche und drei Tage Zeit, um etwas Gescheites über mich zu sagen!‘.

Hier erzählen die Weine

Geschwafel wird das hier nur, wenn ich unbedingt versuche, etwas über diese Weine zu schreiben. Mache ich nicht. Ich erzähle hier die Geschichten, die mir die Weine erzählen, also die, die ich verstehe. Die anderen lasse ich aus. Und das heißt, wenn ein Wein hir keine Erwähnung findet, muss er nicht schlecht sein. Er hat einfach nicht mit mir geredet. Und dass das ganze kein wahllos zusammengewürfelter Quatsch ist, weiß ich, weil in diesem Blog Berichte zurück bis ins Jahr 2014 zu finden sind. Die stehen alle noch da und es ist erstaunlich, wie belastbar die Bewertungen bisher waren.

Das geschrieben muss ich trotzdem eine Einschränkung vornehmen. Wenn Sie noch nie hier beim Ticker mitgelesen haben, übernehme ich keine Gewähr. Es besteht die Gefahr, dass Ihr und mein Geschmack unterschiedlich sind. Denn es ist ein Irrglaube, dass es eine neutrale Weinqualität gibt, die ich hier aufspüre. Geschmack ist subjektiv. Also außer Sie mögen keinen Silvaner. Dann habe ich Recht und Sie haben Unrecht. Und jetzt fangen wir an.

Ganz neu: ab jetzt wird in Wiesbaden nach Jahrgängen sortiert verkostet. Das macht die Kennzeichnung leichter, reißt aber ein paar legendäre Flights auseinander. Ich probiere so gut es geht blind (nicht hinschauen, was eingeschenkt wird und in meiner Excel-Tabelle sind die Weinnamen ausgeblendet). Vor dem Übertrag ins Blog löse ich dann für mich auf.

Silvaner (beim VDP nur aus Franken)

Fangen wir also mit den 2024ern an: Klassische Nase mit leicht gelbfruchtigem Einschlag, weicher Antrunk, süße Frucht, schmelzige Textur, bevor es nach hinten raus sehr kreidig wird, der Stein-Berg vom Hofkeller hat was. Etwas würzigere Nase bei der Stein-Harfe vom Bürgerspital, karger Gaumen mit etwas mürbem Apfel, sehr feiner Säure und leicht rauchiger Anmutung, tief, eher dunkel, wow. Sortentypische Nase (auf der würzigen Seite) am Gaumen ebenfalls würzig, nur dezent fruchtig (gelbe Pflaume, Birne) und seeehr elegant: Der Himmelspfad von May schaltet nach hinten raus feine Phenolik dazu. Groß.

Stark auch der Rothlauf von May: sehr viel Heu und Stroh in der Nase, weicher Antrunk, weiches Mundgefühl, bevor nach hinten raus Säure und ein feines Schmirgeln Spannung aufbauen, Extreme Länge. Auch Luckerts Maustal ist auf der eher würzigen Seite in der Nase, am Gaumen sehr weich, schwelgerisch, aber nicht plump. Das ist extrem gediegen und manchmal liebe ich gediegen; Sonntagmorgens um 10.26 Uhr zum Beispiel.

Dezent schweißig (oder vornehmer: ein Hauch von Zwiebelschale) in der Nase, aber noch im grünen Bereich, dahinter bunte Frucht. Am Gaumen Gummibärchen, eine ganze Tüte voll, was mich hier in der Blindprobe auf Horst Sauer tippen lässt. Aber, wie üblich, steckt darunter sehr viel Substanz. Enorme länge. Aufgedeckt: Horst Sauer, Am Lumpen 1655, I like! Gleiche Lage von Max Müller I ist groß! Der Wein ist noch stark von der Hefe geprägt, Textur ein bisschen Wolldecke im Mund, aber dann passiert sehr viel, wird es würzig und baut sich enorm Spannung auf. Eine Minute nach dem Ausspucken stellt sich Gänsehaut ein. Der Ratsherr aus gleichem Hause zeigt eine verhaltene Nase, etwas dropsigen Gaumen, tolle Säure, wirklich tolle Säure, eher leise, nach dem dropsigen Antrunk extrem elegant, ganz spät dann feinwürzig, vielleicht wird das mal groß.

Die 23er haben es danach ein bisschen schwerer. Bis auf den Echter-Berg von Wirsching: Leicht blumige Nase, weicher, leiser Wein. Mir fällt spontan das Wort ‚bezaubernd‘ ein. Und dann die Pauke zum Ende: 2020 Schlossberg von Castell. Leise, würzige und typische Nase, quasi null(!) Anzeichen von fünf Jahren Reife, frisch, klar, vibrierend und tief. Unfassbar spannend und ganz groß. Letztes Jahr war das auch so eine Granate. Das entwickelt sich langsam zu einem Leuchtturmwein.

Weißer Burgunder

Durch die neue Ordnung geht es hier nicht mehr nach Regionen.

2024

In der Nase kräutrig-würzig, am Gaumen klarer Apfel, feine Phenolik, passende Säure. Sehr schöner Langenmorgen von Bassermann-Jordan. Starker Mandelberg am Speyrer Weg von Bergdolt St. Lamprecht: blumig, fruchtig, Süßholz, das ist mal eine facettenreiche Nase. Am Gaumen sehr lebendig, frische Frucht, grüner Apfel, Stachelbeere, dann wird es seriös und nach hinten raus karg. Viel Potenzial. Der Rosenkranz im untern Kreuz von Minges ist saftig, kreidig, auch unruhig, aber definitiv vielversprechend. Münzberg von Münzberg: Leichte Reduktion (schwenkt sich weg) und süße Frucht in der Nase, am Gaumen viel süße Frucht und dazu Kreide, sehr jung, sehr deutlich Potenzial zeigend.

Der Sonnenberg von Siegrist hat eine leicht schweißig-gemüsige Nase, dann aber einen saftig-klaren Gaumen. Die Frucht ist noch etwas bunt und die Hefe noch sehr präsent, aber das Potenzial nicht zu übersehen. Der Kalmit von Kranz ist bisher mein Favorit. Die Nase ist Flinte im Bierkeller, schräg (auch wenn es sich ein bisschen wegschwenken lässt)! Der Gaumen ist Gebirgsbach im Eichenwald. Die Frische ist granatenstark. Macht mich glücklich, auch wenn er eine Weile in den Keller muss.

2023 und älter

Kaum habe ich einen Favoriten gefunden, da wird der auch schon wieder abgeräumt. Die Blutgrätsche kommt von Odinstal (Fassprobe): Leichte Reduktion in der Nase und auch am Gaumen, vor allem aber sehr saftig, tolle Textur, enorm packend, wie die Frucht mit Säure und Phenolik spielt, dabei warm aber nicht mollig. Und einen so feinen Biss in den megalangen Abgang übertragend. Hammer. Danach kommt sowas wie die Miniaturversion (sorry, liebe Bernharts, ist nicht bös gemeint). Sonnenberg RG ist ähnlich, aber in allem eine Nummer kleiner und selbst das ist noch saustark.

Würzige Nase, sehr viel Apfel am Gaumen, feine Würze und guter Zug, ein sehr schönes GG ist der Naumburger Steinmeister von Hey. Auch der Herrentisch von Wöhrle fällt in diese Kategorie: Flintige Nase, saftiger Gaumen, würzige Tiefe bei ausreichend Spannung. Winklerberg Hinter Winklen von Dr. Heger hat eine etwas kräutrige Nase, sehr klare und saftige Textur, entwickelt Sog, spricht das Unterbewusstsein an und ist der erste Wein, den ich fast aus versehen runtergeschluckt hätte. Finde ich umwerfend! Und dann kommt Holz als Kunstform mit dem dafür geeigneten Wein (was für eine schöne Säure). Altenberg Weingarten von Schlumberger-Bernhart mich mächtig an.Salweys Kirchberg ist aus 2022 und zeigt eine sehr unruhige Nase mit deutlichen Reifetönen, der Gaumen ist aber davon unbelastet, saftig, stahlig, sehr schön.

Grauburgunder

(Alle 2023) Noble Reduktion in der Nase, leichtere Textur als die meisten öligen Bomben, die hier in der Kategorie häufig anstehen und dann kommt viel feiner Gerbstoff. Die Kirchgasse von Wöhrle spielt in der obersten Liga. Viel Frische, dann sortentypische Würze ohne große Überfrachtung mittels Ausbau. Franz Kellers Schlossberg ist puristisch und spannend. Die gleiche Lage von Dr. Heger ist sogar mit dem kleinen Jogurt-Tönchen noch so frisch und packend, dass ich mich damit sehr anfreunden kann. Der Vorderer Winklerberg des Weingutes zeigt eine leicht schweißige Nase und dann einen sehr beschwingte Gaumen mit schöner Würze, der nach hinten raus enorm lebendig und immer frischer wird.

Saftig, klar, frisch und enorm verführerisch. Nicht ganz sortentypisch, weil fast ohne Würznoten, aber wer will denn kleinlich sein, wenn es so viel Spaß ins Glas gibt wie bei Salweys 22er Eichberg?

Chardonnay

Einziger 24er im Feld ist Seegers Herrenberg Lange Wingert: Sehr schöne, leicht flintige Nase, saftige Textur, guter Zug, viel Potenzial, sehr schön. Dann 2023 und zwei Mal Wöhrle. Der Kronenbühl Teufelsgasse mit etwas wilder Nase, viel Zündplättchen, sogar am Gaumen, da auch tolle Säure, viel Schmelz und gute Tiefe. Ich mag das Holz. Der Gottsacker ist noch etwas würziger, aber wieder schöne Textur, saftig-schmelzig. Dann viel feines Schmirgeln. Genau mein Beuteschema.

Feines Holz, typische Aromatik, sehr klar und sauber, dann leicht rauchig. Kräftig, aber balanciert, so präsentiert sich Hubers Bienenberg. Helle, blumige Nase dann bei Dr. Hegers Winklerberg Hinter Winklen, leicht cremige Textur, schöne Säure, zarter Schmelz und nach hinten raus ein wenig Gerbstoff, leise, balanciert, elegant. Das Sonnenstück von Blankenhorn mit fruchtiger Nase, dann zitrusfruchtiger Antrunk, dann kommt sehr viel Kreide, phenolisches Schmirgeln und Tiefe. Und diese Länge. Ganz stark.

Und jetzt 2022: Fruchtig-blumige Nase, sehr straighter Gaumen, das ist dicht, straff und auch ein gutes Stück verschlossen. Ich bin bullish, dass der Henkenberg Steingrubenberg von Salwey demnächst den Turbo zündet. Zum Schluss wieder so ein lebendiger Wein mit Klarheit, gelber Frucht und weißer Blüte. Tolle Säure, feine Gerbstoffe, viel Potenzial auch beim Doktorgarten Winklen vom Staatsweingut Freiburg.

Spätburgunder

Ahr

Bis auf den letzten Wein sind alle Ahrweine aus 2023. Der zweite Flight ist ein wahres Träumchen. Bei der Alten Ley von Adeneuer ist die Nase grün und eine Drohung, der Gaumen ist auf den Punkt reif mit knackiger Frucht, auch etwas grasig, aber das ist pures Potenzial. Ich glaube, in zehn Jahren finde ich den begeisternd. Vegetabil-kräutrige Nase auch bei der Gärkammer, frischer Gaumen mit viel Himbeere und deutlich grünen Noten, aber auch hier: das ist nicht dünn und sauer, das ist jung und enorm vielversprechend, vielleicht sogar noch stärker. Burggartens Kräuterberg ist ein bisschen weiter in der (Trauben-)Reife. Hier ist kein grüner Eindruck auffindbar, aber wir sind noch weit von Überreife entfernt. Die Frucht ist sexy, die Gerbstoffe fast schon seidig. Kein Gramm Fett. Auf dem Weg zu Größe. Gleiche Lage von Meyer-Näkel auch wieder auf der sauber ausgereiften, aber nicht überreifen Seite, dazu würzig, die Gerbstoffstruktur minimal kräftiger, ein Jota weniger elegant als die Konkurrenz. Solche Flights machen Wiesbaden zur besten Weinverkostung der Welt – und ‚Sorry‘ an Burggarten (Alte Lay) und Stodden (Kräuterberg), die zu diesem Flight gut beigetragen haben, aber hier nur am Rande erwähnt werden.

Kann man Meyer-Näkel an der Nase erkennen? Die ist, wie auch der Gaumen bei diesem Wein wunderbar balanciert zwischen Frucht und Würze. Am Gaumen die Säure knackig, die Gerbstoffe fein. Ganz toll. Aufgedeckt: Silberberg von Mayer-Näkel. Etwas kühler ist die Lage bei Kreuzberg, deutlich kirschfruchtig in der Nase und am Gaumen, dazu Leder, etwas rohes Fleisch, sehr druckvoll, aber nicht alkoholisch. Auf der üppigen Seite von straight. Burggartens Schieferlay startet vorne mit Zigarrenkiste und zündet dann erst auf der letzten Rille eine so seriöse Kirschrakete, dass ich soeben den ersten Probeschluck des Tages die Kehle runtergeschickt habe. Und ich bereue nichts. Zauberstoff.

Burggartens Burggarten zeigt eine sehr deutsche Nase (ich liebe deutsche Nasen, wenn sie so gut wie diese sind), viel Himbeere am Gaumen, viel Gerbstoff, aber wir sind noch auf der kühlen Seite und deswegen bin ich sehr zuversichtlich. Die gleiche Lage von Nelles ist durchaus ähnlich, aber noch einen kleinen Ticken frischer und spannender und vielleicht besser.

Sachsen, Rheingau, Franken

Friedstein von Schwarz (2023) hat Spannung und reife Frucht und sehr feinen Gerbstoff und eine tolle Säure. Alle Zutaten für die Reife sind vorhanden und ich glaube, da werden wir noch viel Freude dran haben. Auch der zweite Sachse überzeugt. Die leise Eleganz, von der ich persönlich mir erhofft habe, dass der Osten mit seinen kühlen Lagen sie irgendwann mal im Spätburgunder zeigt: Hier ist sie, im Schloss Proschwitz 2023. Das ist ganz stark..

Die Rheingauer sind fast alle nicht auf den ersten Blick zu fassen, das habe ich schon gestern bei einer Veranstaltung erlebt. Zwei Ausnahmen sah ich (heute und gestern, der Eindruck ist also vielleicht belastbar). Der 22er Höllenberg der Krone Assmannshausen ist ziemlich seriös. Sattfruchtig, tolle Säure, nicht zu weit in der Traubenreife, reichlich Potenzial. Der 22er Schlenzenberg von Diefenhardt mit eher zurückhaltender Säure, am Gaumen straff, rohes Fleisch und feine Gerbstoffe, dann übernimmt reife Frucht, relativ voll. Sehr schön.

Fürsts 23er Centgrafenberg finde ich stark: Zigarrenkiste in der Nase, sehr knackige, nicht zu intensive Frucht am Gaumen. Sehr feiner Gerbstoff, tolle Säure und eine beschwingte Würze. Der Wein tanzt und zeigt viel Potenzial. Noch eine Spur besser, wirklich groß, ist der Hundsrück: Die Nase ist verhalten und der Gaumen eigentlich auch, es ist das, was da im hinteren Teil und im Abgang passiert, was so viel andeutet und mir ein bisschen Gänsehaut macht. Das ist pures Potenzial und das ist wirklich gekonnt ins Burgund geschielt.

Pfalz

2023

Straff, kühl, viel feiner Gerbstoff, Christmanns Schild ist jung, aber vermittelt eine klare Vorstellung, wo die Reise hingehen soll: Zu ganz viel Präzision. Der Kalkberg von Bergdolt St. Lamprecht ist bissig, leicht blutig, hat eine sehr frische, gerade eben reife Frucht und eine Menge sehr feiner Gerbstoffe, die zwar nach Flaschenreife rufen, aber dabei keine Keule schwingen. Extrem elegant. Wehrheims Im Sonnenscheins Säure, Frucht und Biss sind zwar erheblich direkter als beim Wein zuvor, aber wir haben doch alle diese Momente, in denen wir denken ‚Gib mir Tiernamen!‘ Da greifen wir dann zu diesem Wein, Brecher mit Klasse! Und bei Kranz’ Kalmit sind wir genau in der Mitte der beiden Weine davor. Das ist eine spannende Gegenüberstellung dreier ausgesprochen schöner Weine!

Münzberg von Münzberg finde ich einfach sehr typisch Pfalz und sehr schön. Aus einem Guss. Wehrheims Kastanienbusch-Köppel ist ein bisschen wilder, ein bisschen bissiger (und blutiger), vielleicht auch ein bisschen besser, das wird die Zeit zeigen. Beim Sonnenberg von Siegrist habe ich eine intensiv fruchtige Himbeernase, viel Gerbstoff zur süßen Frucht am Gaumen, schöne Säure, viel Potenzial. Sehr schön. Der Heydenreich von Friedrich Becker wirkt sehr ambitioniert, aber ich glaube, das kann aufgehen. Wenn der heftige Gerbstoff sich integriert hat, wird noch viel Frucht da sein und dann wird das ganz stark. Spannend. Der Kammerberg geht in eine ähnliche Richtung, ist aber eher würzig als fruchtig und auch sehr interessant.

Knipsers Kirschgarten ist typisch Knipsers Kirschgarten: strahlende Frucht, schnittige Säure, bestens integrierter Gerbstoff. Das ist ein Kraftpaket, aber eines, das sich sehr elegant zu bewegen weiß.

Baden

Die Kirchgasse von Wöhrle ist auch auf der kräftigen Seite von fruchtig-elegant, da aber auf der Pole Position. Möchte ich mich gerne ein bisschen reinlegen, weil die fruchtige Substanz den kräftigen Gerbstoff jetzt schon niederringt. Wer hat hier ‚lecker‘ gesagt? Sommerhalde von Huber ist ganz stark, der üppigen Frucht steht die passende Säure gegenüber, die feinen Gerbstoffe stimmen mit ein und das ganze spielt sehr schön. Beim Bienenberg mag ich die Zigarrenkistennase und die unglaublich knackige Frucht, dafür sind die Tannine hier nicht ganz so fein, was in Summe aber die gleiche Begeisterung hervorruft. Beim Schlossberg passt dann alles zusammen, die Frische der Frucht mit ihrer Intensität und die Menge des Gerbstoffs mit seiner Feinheit. Säure und Druck sind perfekt und das ist dann auch kein starker, sondern ein großer Wein.

Achkarren Schlossberg von Dr. Heger ist auch besonders gut: tolle Würze, die Frucht strahlt zwar nur verhalten, aber vor allem, weil da noch einiges an Ausbau und Gerbstoff im Weg steht. Das soll ja auch noch reifen und das wird bestimmt ganz wundervoll reifen. Gleiche Lage bei Michel ist Old-School German Spätburgunder wie ich ihn mag, Der schielt nirgendwohin außer in die eigene Schatzkammer und da ist er offensichtlich fündig geworden. Zurück zu Dr. Heger, dieses mal Winklerberg Wanne: tolle, klare Frucht, sehr feiner Gerbstoff und schon jetzt interessante Würze. Das hat was. Vorderer Winklerberg noch besser: Tabakwürze, Cassis und Pflaume, leichte Röstaromen, der Wein hört gar nicht auf zu erzählen, schöne Säure dazu – bockstark. Der Neugesetz von Freiherr zu Franckenstein (ab jetzt sind wir bei den 22ern) ist zwar etwas kräftiger, aber die Gerbstoffe sind so fein und die Frucht so nobel, dass man den einfach lieben muss.

Salweys Kirchberg zeigt eine verhaltene Nase, dann kühler Gaumen, sehr elegant und lang, es fehlt ein ganz bisschen Säure für den letzten Kick. Immer noch sehr gut. Dieses Urteil gilt auch für seinen Eichberg, bei dem ich spontan denke: ‚Alles drin und dran‘. Das letzte Badener Highlight kommt dann von Stigler. Der 2021er Vorderer Winklerberg kombiniert schöne erste Reifenoten mit einer sehr eleganten Frucht.

4 Gedanken zu „Wiesbaden 2025 Tag 1 – #vdpgg2025“

  1. Woohoo! Es geht wieder los. Definitiv eines der Highlights in diesem Blog und generell eine der, wenn nicht die beste Berichterstattung aus Wiesbaden ! Vielen Dank für das Teilen Deiner Notizen!!!

  2. Vielen Dank für Ihren Live-Ticker – Wie immer sehr informativ!
    Blieben die Weine vom Deutzerhof dieses Jahr eher unter dem Radar?

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