PetNat am Proof Pudding Friday – das war lehrreiches Requisitentrinken! 6 ‚Natursekte‘ (nicht grinsen, Sie Ferkel!) sollte es geben, 7 und ein naher Pirat wurden es. Und alle konnten was lernen.
PetNat, Abkürzung von Petillant Naturel, was ‚natürlich prickelnd‘ meint, bezeichnet ein Trendgetränk. Der Trend ist so frisch, dass etliche ausgesprochene Weinprofis noch nie davon gehört haben. Ich durfte vor knapp zwei Jahren meinen ersten PetNat trinken – das Leben in der Filterblase hat auch Vorteile – und war mir nicht sicher, ob sich der Trend durchsetzen würde, denn PetNats erfordern viel Handarbeit und erzielen nur mittelwertige Preise, ironischerweise weil sie zu süffig sind. Doch mehr und mehr springen auf den Zug auf und also war es für mich an der Zeit, dem Thema eine Folge der Webweinschule zu widmen. Die dafür eingesammelten Requisiten gab es dann am letzten Proof Pudding Friday. Wovon ich hier berichten will.
PetNat – Pet Watt???
Wenn Sie sich jetzt fragen: ‚Was zur Hölle ist PetNat?‘, dann empfehle ich Ihnen das Video, das ich am Ende dieses Textes einbinde. Die Kurzversion lautet: Es ist ein flaschenvergorener prickelnder Wein, der dadurch entsteht, dass der Winzer einen noch gärenden Most in eine Flasche umfüllt und diese mit einem Kronkorken verschließt. Bei der weiteren Gärung entsteht Druck und das Gärprodukt Kohlendioxyd löst sich als Kohlensäure im Wein. Wenn Sie jetzt einwenden, das beschreibe doch die Méthode rurale/ancestrale dann sind Sie zwar erkennbar ein Profi, aber trotzdem auf dem Holzweg. Der Unterschied zwischen den beiden Methoden ist der, dass beim PetNat tatsächlich der Most umgefüllt wird, bei den ‚alten Methoden‘ wird die Gärung gestoppt, der Wein filtriert und dann in der Flasche zwar nicht mehr mit Zucker, aber noch mit Hefen und anderen Tirage-Bestandteilen wie Rüttelhilfen oder Schönungsmitteln versetzt.
Dass ich ‚prickelnder Wein‘ schrieb, hat seine Gründe. Manche PetNats ziehen mit 10 Gramm Zucker im gärenden Most in die Flasche um und werden Perlwein (Faustregel: 4 Gramm Zucker ergeben vergoren 1 Bar Flaschendruck) andere ziehen mit 20 Gramm um. Das ergäbe dann theoretisch 5 Bar Druck und einen ordentlichen Schaumwein. Der ist aber laut Gesetzt klar und da hakt es beim PetNat.
Perl, Schaum – Hauptsache brut nature
7 PetNats standen auf dem Tisch, 5 verschiedene Bezeichnungen fanden sich auf den Etiketten. Der Amtsschimmel hat kräftig gewiehert: Perlwein, Deutscher Schaumwein, Qualitätsschaumwein Österreich, Deutscher Sekt (brut nature) und ‚Deutscher Schaumwein hefetrüb‘ – meine Lieblingsbezeichnung, weil etwa so sinnvoll wie ‚stilles Wasser mit Kohlensäure‘. Es geht allein darum, was die jeweilige Weinkontrolle durchgehen lässt. Was für den Konsumenten wie eine Eulenspiegelei klingt, ist für die Winzer teils ein Desaster. Marc Weinreich war für seinen PetNat zunächst jegliche Zulassung versagt worden. Und selbst wenn ein Winzer dieses Jahr ‚Deutscher Sekt‘ auf seinen PetNat schreiben darf, ist das keine Garantie, da es eine Verwaltungsvorschrift gibt, dass die Weinkontrollämter die Zuständigkeiten zwischen den Kontrolleuren alle fünf Jahre neu verteilen. Da ist mit Pech dann auf einmal ein eingeführtes Produkt nicht mehr verkehrsfähig, wenn der neue Prüfer das anders sieht als der Vorgänger.
Zwei letzte Theorie-Punkte noch, dann sollen endlich die Korken knallen. Da aus der Naturweinszene stammend, verlangen echte PetNat-Jünger, dass der erste Teil der Gärung, vor dem Umzug in die Flasche, auf der Maische erfolgen muss, PetNat mithin ein Orange Wein ist, was aber nicht jeder macht. Und dann ist für die PetNats, die auf Schaumwein-Druck kommen, das Degorgieren unerlässlich, da ein nicht deorgierter PetNat mit 5 bar Druck nach dem Aufschütteln der Hefe beim Öffnen jede Formel-1-Champagner-Dusche wie einen Kindergeburtstag aussehen lässt – und das Aufschütteln der Hefe schlagen die meisten Produzenten vor.
Verkostung – mit kleinen Varianzen
Unser Erster Wein ist ein blind servierter Beinahe-Pirat, der PetNat Reserve 2012 von Fuchs und Hase, jenem österreichischen Gemeinschaftsunternehmen von Alwin Jurtschitsch und Martin Arndorfer, das vor zwei Jahren den ersten PetNat im deutschsprachigen Raum vorlegte. Warum der 2012er damals nicht auf den Markt kam, kann ich nur raten. Jetzt mit langem Flaschenlager präsentiert er sich mit einer Nase von Zitronenbuttermilch. Am Gaumen ist die Frucht süßer, geht in Richtung grüner Apfel, dazu gesellt sich eine zupackende Säure und dezente Hefenoten. Die Perlage ist ein bisschen brausig, das schmälert das Vergnügen ganz leicht. Ein richtig guter Perlwein, den ich mit Genuss tränke, riefe nicht schon der nächste Kandidat.
Der PetNat von der Weinmanufaktur 3 Zeilen startete außer Konkurrenz, denn wir halten ein noch nicht degorgiertes Muster in Händen. Der fertige Wein wird degorgiert sein. Nach dem Öffnen über der Spüle ergießt sich uns ein extrem nach Craftbeer schmeckender Trunk ins Glas. Mit viel Konzentration kann ich mir bei Fassproben von Weinen, die nur noch auf der Feinhefe liegen, vorstellen, wie der fertige Wein schmecken wird. Bei einem undegorgierten Schaumwein gelingt mir das nicht – wieder was gelernt. Also schnell weiter zum nächsten und den kenne ich schon. Die erste Flasche des PetNats vom Weingut Riffel haben wir vor laufender Kamera aufgemacht und die war deutlich besser als diese hier. Jetzt zeigt der Wein extreme Frische, deutlich Gerbstoff und Hefe, aber leider kaum Frucht, dabei glänzte die erste Flasche doch vor allem mit eleganter Zitrusfrucht. Wie man sich leicht vorstellen kann, sind Flaschenvarianzen bei PetNats an der Tagesordnung. Der 2015er von Kraemer ist der erste etwas ruhigere Wein, zu ruhig fast, denn er hat ein bisschen wenig Kohlensäure, was einem beschädigten Verschluss anzulasten ist. Aber der Schaden ist minimal, weswegen meine Gäste die angebotene Konterflasche ausschlagen. Furztrocken und trotz schmeckbarer Hefe eher schlank, erinnert der Wein aromatisch an Müller-Thurgau, was diejenigen in der Runde zuerst bemerken, die nicht wissen, dass der Wein tatsächlich 100% Müller-Thurgau ist. Wunderbar feine Säure, Kernobst am Gaumen und Muskat in der Nase – das wirft bei mir spontan die Frage auf, warum es eigentlich keine Sektkultur um diese Rebsorte gibt. Sehr schöner Wein!
Die Brand-Brüder schaffen ein Kunststück: Ihr PetNat hat nur 10% Alkohol. Die Trauben waren also eher nicht reifer als die für einen normalen Sekt, trotzdem ist die Frucht sehr süß und der PetNat einem klassischen Sekt sehr ähnlich. Die Frucht tendiert auch eher zu Kernobst, die Säure ist sehr elegant, Phenolik kaum spürbar. Ich würde tippen, dass der Wein nicht auf der Maische vergoren wurde, aber das ist Spekulation – und unwichtig: wichtig ist nur, dass das starker Stoff ist. Beim PetNat ‚Perlen vor die Säue‘ von Marc Weinreich muss ich nicht spekulieren, der Winzer hat mir Bilder und Videos von der Produktion geschickt. Er ist klassisch auf der Maische angegoren und dann mit über 20 Gramm Restzucker in die Flasche umgezogen. Das Ergebnis ist großartig. Eine reife Frucht mit eher weinigem Charakter trifft auf Gerbstoff und Kohlensäure und ergibt ein komplexes Getränk, dass von allen probierten PetNats am klarsten verdeutlicht, warum man das mal probiert haben muss: die besten PetNats haben einen ganz eigenen Charme.
Den Abschluss bildet Fuchs und Hases PetNat ‚Volume 2‘, Jahrgang 2014, ein extrem süffiger, mittlerweile auch leicht cremiger Perlwein, der durch einen Anteil Muskateller ganz eigene Aromatik mit supersüßer Frucht zeigt. Das war der erste PetNat, den ich je getrunken habe und auch beim Wiedersehen könnte ich den inhalieren. Der dann noch nachgeschobene, ebenfalls blind servierte ‚l’Autre 2007‘, ein Cremant du Jura der Domaine Pignier fällt komplett durch: Sauerkrautsaft mit Kohlensäure – hoffentlich ein Flaschenfehler.
The Trend is my Friend
PetNat ist im kommen. Manche Winzer legen Erstlingswerke mit hohem Suchtpotential vor, viele weitere haben angekündigt künftig PetNat zu produzieren, sogar altehrwürdige VDP-Mitglieder. Machen Sie sich auf spannende Begegnungen gefasst!
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…da hast Du natürlich vollkommen recht – den hab ich noch nicht gesehen. Der Name deutet ja auch so ein bißchen auf etwas experimentelles hin. Aber als regelmäßiger Viniculture-Kunde kann ich nur anmerken, daß ich noch nie etw. schlechtes oder komisches von Pignier getrunken habe (bin auch Fan vom Savagnin und Vin Jaune).
Lustig, dass Du das sagst, denn das waren exakt die Worte von Frank, der den Wein mitgebracht (und auch bei Viniculture gekauft) hatte.
Den Pignier kenn ich gut – da habt Ihr wahrscheinlich ein defektes Exemplar erwischt. Das ist Spitzenstoff.
Den ’normalen‘ oder genau diesen? Den ’normalen‘ kannten viele am Tisch als sehr gut.