Nicht wenige meiner Freunde stellen mir immer wieder die Frage: Wieso trinkst Du freiwillig Deutschen Spätburgunder? Ich habe lange überlegt, was die passende Antwort darauf ist, denn einen guten Deutschen Spätburgunder zu öffnen und den Skeptikern zu kredenzen, ist es garantiert nicht. Ich glaube, die beste Antwort ist diese hier: Weil ich weiß, wie es geht.
Das ist eine ganz schön hochtrabende Ansage für einen ahnungslosen Enthusiasten, weswegen ich mein Wissen schleunigst teilen will, auf dass der Leser sich sein eigenes Bild mache, ob ich zu dick auftrage.
Deutscher Spätburgunder ist wie ein hochtalentiertes aber äußerst scheues Springpferd. Er kann sich zu höchsten Höhen aufschwingen aber auch im völlig unpassenden Moment verweigern. Die Kunst ist es, möglichst nicht ungestüm mit Volldampf auf die Hürde zuzureiten – sonst geht’s schnell kopfüber in den Matsch. Was ich damit meine: man sollte sich nicht auf die Klasse verlassen. In Regeln übersetzt ginge das ungefähr so:
- Man vermeide es, teurere Gewächse mit großer Ankündigung an Gäste auszuschenken. Das kann dem eigenen Ansehen enorm schaden, denn Deutsche Spätburgunder sind unberechenbar (siehe oben). Manche wollen dekantiert werden, andere reagieren darauf empfindlich.
- Wenn man 1. partout nicht befolgen will, nehme man heimlich einen gründlichen Probeschluck, um die größte Blamage zu vermeiden. Man kann ja dann zur Not immer noch ‚aus Versehen‘ die Flasche fallen lassen und schnell was anderes als Ersatz aus dem Keller holen.
- Wenn man sich zu 2. entschließt, bedenke man, dass der Probeschluck von vor einer halben Stunde keinerlei Aussagekraft hat, nur der von gerade eben hilft. Ich kenne keinen Wein, der so schnell auf Luft reagiert wie mein geliebter Deutscher Spätburgunder.
- Man halte auf jeden Fall immer eine Ausweichflasche parat. Ein leckerer Spanier bietet sich an…
Deutscher Spätburgunder: Wie denn nun?
Nun sind dies Anweisungen, wie man es nicht macht, beziehungsweise was im Schadensfall zu tun ist. Wie trinkt man Deutschen Spätburgunder denn nun mit Genuss? Ich versuche das mal auf eine griffige Formel zu bringen:
- Man zähme die eigene Vorfreude und Erwartung
- Man nehme sich ausreichend Zeit (und ich meine ausreichend)
- Man öffne den Wein, schenke ein und prüfe. Niemals ohne Vorprüfung dekantieren.
- Wenn das, was man schmeckt, gefällt: keine Experimente. Ein guter Spätburgunder dreht selten noch mehr auf, wenn man ihn dekantiert, er straft den Konsumenten eher dafür ab, dass das Gute ihm nicht genügte.
- Bei echtem Nicht-Gefallen, mache man sich besser etwas anderes auf. Die Hoffnung, dass sich ein erster Misston schon mit etwas Luft legen wird, führt gerne mal dazu, dass man den Abend mit warten verbringt, nicht mit trinken.
- Man gebe die Hoffnung nicht auf. Im Kühlschrank hält so ein Wein ganz schön lange. Und jeden Abend probiere man ein Schlückchen und entscheide dann, was zu tun ist.
Die meisten teureren Deutschen Spätburgunder offenbaren dann irgendwann binnen einer Woche, was in ihnen steckt. So wie zum Beispiel dieser hier, den ich eigentlich letzten Sonntag trinken wollte.
Brauneberger Mandelgraben *, Spätburgunder QbA, 2005, Markus Molitor, Mosel. In der Nase sehr französisch, leicht animalisch, Leder, Himbeere, am Gaumen hat er eine zupackende Säure, mäßige Frucht (Kirsche und Himbeere) aber auch Noten von Teer. Dazu kommt nach einer Stunde ein heftiger Bitterton, der auch den Abgang unangenehm dominiert. Dieser Bitterton verfliegt nach 4 (!) Tagen im Kühlschrank und der Wein präsentiert sich erheblich schöner und gut trinkbar. Am 5. Tag beschert das letzte Glas dann wahrhaft sensationelles Trinkvergnügen.
Ich liebe Spätburgunder. Aber es ist tatsächlich so, dass die Deutschen oft zunächst einen deutlichen „Seltsamgeschmack“ haben.
Manche jüngere Flaschen habe ich nach dem ersten Probieren noch drei Tage stehen lassen – dann waren sie super.
Die Weine nicht zu warm genießen (14-16 Grad), am Sommerabend auf der Terrasse gerne aus dem Kühlschrank ( wie es auch die Elsässer mit dem Pinot Noir halten).
Nach meinem Gefühl ist bei manchem Winzer der Holzanteil (Barrique) zu gering, aber das kann täuschen.
Jedenfalls probiere ich weiter, neue Jahrgänge, verschiedene Winzer und meistens aus der Pfalz.
Interessanter Artikel. Hätte nicht gedacht das der Spätburgunder so schwierig sein kann. Oder ergeht es nur dem deutschen Pinot noir so?
Tja, bei Burgundern aus dem Burgund sind die Menschen vermutlich etwas nachsichtiger. Aber im Ernst, Pinot ist eine Diva, schon im Weinberg. Frag jeden Winzer.