Es mag drei Jahre her sein, da probierte ich auf einer Veranstaltung die Champagner des Hauses Charles Heidsieck. Ein Flyer oder Poster am Stand zitierte einen mehr oder weniger berühmten Weinkritiker mit einer hohen Punktzahl und dem Statement ‚Charlie is back‘. Ich hatte keine Ahnung, wo Charlie zwischenzeitlich gewesen sein sollte, aber wenn er weg war, dann fand ich auch, dass er back war, denn was ich ins Glas bekam, war richtig gut.
Mich interessiert, was sich in meinem Glas befindet. Märkte zu beobachten ist mir zu anstrengend, die wirtschaftliche Entwicklung von Weingütern oder -marken berührt mich weniger. Doch dieser Tage bot sich die Gelegenheit Charlies Abwesenheit noch mal mit Vertretern des Hauses zu erörtern und gleich zu überprüfen, wie weit das Comeback denn nun gediehen ist: Ich war zu einer Verkostung der aktuellen Kollektion eingeladen. Auf der lernte ich dann, dass Charles Heidsieck einen Ausflug in die Niederungen der Supermärkte gewagt hat und dieser furchtbar schief gelaufen ist: Menge rauf, Qualität runter, enttäuschte Gastronomen liefen davon, Produkt geschwächt, Marke ramponiert. Alles im Eimer!
Der lange Weg zurück
Das zu reparieren dauert lange. Guten Champagner zu produzieren auch, wenigstens das ging Hand in Hand. Denn der neue Kellermeister gab die Devise aus: wir werden jetzt einige Jahre sehr wenig zu verkaufen haben, ab sofort setzen wir unter anderem auf sehr langes Hefelager.
Die neue Handschrift des Hauses ist klar. Sie muss auch nur 5 Weine prägen: Basis in Weiß und Rosé, selbiges als Vintage plus eine Prestigecuvée. Die Eckdaten sind schnell erzählt: Es gibt keine Holzfässer im Keller, alles Edelstahl. Alle Weine durchlaufen die malolaktische Gärung. Reserveweine reifen immer mindestens zehn Jahre. Rosé entsteht durch Assemblage, wird also mit Rotwein eingefärbt – 3 Prozent an der Basis, 8 Prozent beim Jahrgangswein. Und dann ist da die Zeit: davon nimmt Charlie sich reichlich. Vier bis fünf Jahre liegt die Basis auf der Hefe, mindestens 9 Jahre die Jahrgangsweine, die aktuelle Prestigecuvée lag 18 Jahre auf der Hefe. Bei Charles Heidsieck bezeugt das Rückenetikett sowohl das Jahr der Tirage, als auch das des Degorgement. Außerdem hält man es beim Reimser Traditionsbetrieb auch bei der Dosage einheitlich: Sie liegt bei ungefähr 10 Gramm. Das geschmackliche Ziel des Hauses formulierte die Moderatorin unserer Verkostung so: Sie sollen einen Wein aus der Champagne im Glas haben. Das gelingt. Das Wörtchen ‚weinig‘ hatte ich wiederholt im Kopf, während ich die Weine probierte.
Charles Heidsieck Champagne – kleine Kollektion
Den Start unserer Verkostung machte der Rosé ohne Jahrgang, zu je einem Drittel aus Chardonnay, Pinot Meunier und Noir gekeltert, mit 20 Prozent Reserveweinen und 3 Prozent Rotwein. Ein kupferfarbener Rosé, der nicht nach roten Beeren riecht oder schmeckt. Erfrischend, balanciert, saftiger Apfel, schmeckt trockener als er ist und gibt einen tollen Aperitif. Der weiße Non-Vintage hat den gleichen Rebsorten-Mix, aber 40% Reserveweine. Die aktuelle Ausgabe lag sechs Jahre auf der Hefe und beeindruckt mit einer ‚Prestige-Cuvée-Nase’. Wie beim Rosé findet sich tolle Perlage und Apfelaromen, der Blanc hat zusätzlich eine sehr zackige Säure, schönes Spiel, gute Länge, feine Frucht. Beim zweiten Schluck wird der Wein auch fleischig, was gut passt. Das ist eine richtig gute Basis.
Als nächstes kommt der jetzt neu erscheinende weiße Brut Vintage 2006. Und der ist einfach eine Wucht. Champagner ist kein günstiges Getränk, aber in der Liga fünfzig bis siebzig Euro, bei den Vintages und/oder Premier Crus, liegt für mich das größte Schnäppchenpotential. Und in dieses Schema passt dieser Wein. Ich bat um ein Kostmuster, denn das musste ich mir genauer anschauen. Beim folgenden Rosé Vintage, ebenfalls aus 2006, bin ich ein bisschen verloren. Mit acht Prozent Rotwein eingefärbt, findet man mit viel Fantasie ein wenig Kirsche, eigentlich aber vor allem gelbe Früchte, dazu erdige und nussige Aromen. Sehr gut, aber für mich kein Rosé. In der Runde erntete der Wein viel Begeisterung.
Und dann ist da der Blanc de Millenaire: in Deutschland gibt es noch den 1995er, in Frankreich kommt demnächst der Nachfolger. ich habe den 95er jetzt das dritte mal im Glas und es ist für mich eine der besten Prestige-Cuvées, die ich je getrunken habe (und ich durfte vor anderthalb Jahren bei einem Tasting von 25 aktuellen Prestige-Cuvées teilnehmen, habe eine breite Vergleichsbasis). Nach 18 Jahren Hefelager findet sich neben viel Brioche auch ein bisschen Lakritz in der wunderbar würzigen Nase. Am Gaumen etwas weniger Körper als der Vintage, dafür unglaublich elegant: Hefezopf, Apfel, feine Reife, tolles Spiel, viel Druck ohne mächtig zu sein und dann im Abgang mineralisch – fantastisch! Aber mit 150 Euro liegt der Wein außerhalb meines Beuteschemas. Deswegen ist die eigentliche Entdeckung für mich der Vintage. Und als Neuerscheinung hat der sogar Nachrichtenwert.
Charles Heidsieck, Brut Millesimé, 2006, Champagne. 60 Prozent Pinot Noir, 40 Prozent Chardonnay, zehn Jahre Hefelager. In der Nase mit etwas roten Beeren, dann erst Hefe und Reifenoten. Am Gaumen dominieren auch erst einmal Pinot-Eigenschaften: leicht beerig, aber auch sehr weinig, zeigt viel Frucht, ist fest, mit enorm viel Kraft und Körper, Typ Essensbegleiter. Sehr feine Perlage und feine Säure, im extrem langen Abgang kommt dann die Mineralik des Chardonnay durch. Ein großer, üppiger Wurf.
Oder kurz gesagt: Charlie is back.