Wenn ich der VDP wäre

Weinbaupolitik und Bezeichnungsrecht sind meine Sache nicht. Ich kümmere mich gerne um den Inhalt der Weinflasche, das regulatorische und gesetzliche Drumherum interessiert mich weniger. Deswegen halte ich mich aus Diskussionen auf Facebook und in anderen Blogs zurück, sobald es sich darum dreht, ob eine Spätlese immer süß sein sollte oder das Erste Gewächs im Rheingau seinen Titel zu Unrecht trägt.

Eine Ausnahme gibt es und die ist das Marketing. Ich betreibe die Absatzförderung beruflich und kann mich für geschickte ,Verkaufe‘ auch privat begeistern.

Während der durchschnittliche Winzer der Meinung ist, man kann nur entweder guten Wein oder gutes Marketing machen, mithin einem Kollegen dann gutes Marketing attestiert, wenn er ihn beleidigen will, empfinde ich gutes Marketing als Sahnehäubchen – ein großer Tropfen verdient eine gute Story, Ausstattung und Handhabung. Diesbezüglich haben die Deutschen Winzer große Fortschritte gemacht, als sich rund zweihundert von ihnen vor gut zehn Jahren das Grosse Gewächs ausdachten.

Ein bis zwei Dutzend Spitzenwinzer (von denen die meisten auch zu den vorgenannten zweihundert gehören) setzen noch einen drauf, indem sie seltene Spitzengewächse aus kleinen Untereinheiten der den Grossen Gewächsen zugrunde liegenden Lagen produzieren oder über dem GG noch mythische trockene Auslesen positionieren. Ich habe hier gegen ,Parzellenweine‘, wie ich sie nannte, polemisiert, möchte aber Abbitte leisten – die haben eine Wirkung entfaltet, die mir Respekt abnötigt. Und weil das eine großartige Marketingleistung ist, konnte es nur eine Reaktion geben: abschaffen.

Viel wurde diskutiert über den zum Beispiel hier erläuterten Beschluss des VDP über die künftige Klassifizierung von Lagen. Ich habe keine Ahnung, ob die Einführung von klassifizierten Lagen und der Rest der Qualitätspyramide gut oder schlecht sind. Das sollen die Winzer unter sich ausmachen. Aber eines will ich seit Monaten loswerden (ich brauche immer einen passenden Wein zu einem Artikel und der kam halt erst jetzt an die Reihe). Der Beschluss des VDP sieht vor, dass es nur noch einen trockenen Spitzenwein aus den Ersten Lagen gibt und der ist das Grosse Gewächs. Da gehe ich im Geiste die Liste der ehrfurchtgebietendsten trockenen Deutschen Weine und ihrer Herkunftslagen durch. Rheingau: Künstler Hölle Auslese trocken Goldkapsel – mit diesem Beschluss verboten (weil nur noch Hölle GG), Rheinhessen: Keller G-Max und Abtserde sowie Wittmann La Borne – weg damit (weil aus irgendwelchen Parzellen in Kirchspiel, Morstein, Hubacker oder so stammend), Nahe: Emrich-Schönleber Versteigerungswein A.d.L. trocken – abgeschafft (weil aus dem Halenberg), Mosel: Heymann-Löwenstein Uhlen B, L & R, Busch Pündericher Marienburg Raffes etc. – gekillt (eine Lage – ein GG), Pfalz: Koehler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R – hinüber (,R‘ und Riesling? Nicht im VDP). Die Liste ließe sich tatsächlich fortsetzen.

Im Handstreich mäht der VDP seine Elite nieder und die stimmt auch noch auf der entsprechenden Versammlung dafür. Oh Herr, schmeiss Hirn vom Himmel.

Doch ich glaube nicht, dass es tatsächlich so kommen wird. Der VDP hat sich das Hintertürchen der ,Sonderregelungen‘ offen gelassen und sie werden geschlossen den Weg der Rheinhessischen Pharisäer (GG predigen, G-Max trinken!) beschreiten. Ich wage die Prophezeiung, dass nicht einer der genannten Weine der neuen Regelung zum Opfer fallen wird.

Wie hätte der Verband es anders machen können? Ich versuch es mal (denn Marketing ist meine Leidenschaft). Wenn ich der VDP wäre, dann hätte ich neben der dritten Lagenkategorie gleich noch eine vierte beschlossen. So wie es im Bordelais neben Premier und Grand Cru eine kleine Elite von Premier Grand Cru gibt, hätte ich auch eine rare Klassifikation erfunden. Die ,Große Lage – Historisches Terroir‘ – mithin etwas, dass es mal gegeben hat, was aber verloren ging, spätestens als anno `71 einige Tausend Lagen gestrichen wurden. Da steckt Marketing-Musik drin: die Wiederentdeckung des Alten, das Aufbäumen gegen den Amtsschimmel, das Ausselektieren des Besten und Besonderen. Und noch ein Vorteil ist nicht zu verachten: anders als das GG könnte man den Begriff ,Historisches Terroir‘ bestimmt als Marke eintragen lassen.

Dann produzierte ich eine kleine Landkarte mit Erklärungen über die Besonderheiten der Superparzellen, die Auswahl grenzte ich streng ein, die Qualitätskriterien wären selbstredend brutal. Eine eigene kleine Kommission (in der zufällig alle begüterten Winzer säßen) entschiede jedes Jahr am 1.Oktober, ob der Jahrgang der Produktion der Historischen Terroirs würdig ist. Und – da müsste manch Winzer eine Kröte schlucken – alle HT‘s (wie wir Freaks sie in kürzester Zeit abkürzten) wären Versteigerungsweine – die Auktion selbstredend ein Event der Superlative, bei dem Robert Parker demütigst um eine Eintrittskarte bettelte.

Die Auslese trocken R oder Goldkapsel kriegte ich damit nicht hin, aber was soll‘s, wir finden in den entsprechenden Lagen bestimmt eine Parzelle mit altertümlichen Namen, von der sich behaupten lässt, sie sei von jeher der Ursprung der Überweine gewesen. So macht Marketing Spass, lieber VDP!

Muss am Ende nur noch die Weinqualität stimmen, dann steht der Weltherrschaft nix mehr im Wege.

K.P. Keller, Riesling Abtserde GG, 2006, Rheinhessen. Der Wein entspricht in der Nase und am Gaumen in keiner Weise meinen Erwartungen. Das ist positiv und negativ: er ist nicht würzig oder zeigt irgendwelche anderen Anzeichen einer würdigen Kellerreife, er ist aber auch nicht unsauber, wie die meisten 2006er Rieslinge. Am Gaumen zeigt er nicht ansatzweise die Komplexität, die ich mir von einem Spitzenwein erhoffe. Er ist schnell beschrieben: In der Nase grüßt ein schöner purer Duft von reifen Aprikosen. Am Gaumen ist die Frucht reif aber klar, süß aber nicht mastig, 13% Alkohol sind gut eingebunden: Mineralik, Kräuter, Würze – samt und sonders Fehlanzeige. Aber der Stoff ist – vergessen wir für einen Moment die Weinsprache – mörderlecker! Der Abgang ist lang und fruchtig, die Versuchung die ganze Flasche an einem Abend zu trinken riesig, das schlechte Gewissen, über 50€ für die Flasche bezahlt zu haben aber auch. Aber das Marketing ist klasse!

Wenn Schimpansen Rotwein trinken

Deutscher Spätburgunder ist ein aufstrebender Stern am internationalen Weinhimmel. Dies ist zumindest der Eindruck, den Medien, Erzeuger und Händler unisono vermitteln. Und wie jeder Newcomer hat auch der Deutsche Spätburgunder mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen. Dünn und überholzt, mit penetranten Aromen von Erdbeerkompott oder in der Säure zu robust – das sind drei gängige Gegenargumente der Anhänger traditioneller Pinots aus den einschlägigen Herkunftsländern.

Reise nach Jerusalem
Ort des Geschehens: Die Aula der FH Geisenheim

Befürworter und Gegner können diverse Blindverkostungen ins Feld führen, in denen sich wahlweise Deutsche oder Internationale Pinots erheblich besser schlagen als die jeweils andere Fraktion. Wie kann das sein, wo doch die Blindverkostung das unbestechliche Instrument der Wahrheitsfindung in Weinfragen sein soll?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage wäre die Verkostervorliebe. Setzte man mir blind 5 gute Rieslinge und 5 ebenso gute Grauburgunder vor, gewännen die Rieslinge, weil mir die Sorte schlicht lieber ist. Sind Deutsche Pinot Noirs eventuell so eindeutig anders in der Stilistik als internationale Vertreter, dass es schlicht darauf ankommt, welchen Stil der jeweilige Verkoster bevorzugt?

Das herauszufinden hatte ich in meiner Weinprobe beim Vinocamp Deutschland vor. Gibt es eine typisch deutsche Note im Spätburgunder? Was, wenn man einer bunten Schar Weinbegeisterter Weine aus allen Ecken der Welt blind vorsetzt – wären Sie in der Lage, die Deutschen Vertreter zu erkennen?

Der Versuchsaufbau

Alle Teilnehmer hatten Weine mitgebracht. Das ergab die stattliche Zahl von 30 Flaschen, aus denen ich 18 auswählte, ohne den Teilnehmern die finale Zusammensetzung des Feldes mitzuteilen. Anschließend öffnete ich alle Weine, füllte zwei Kandidaten mit zu auffälligen Flaschenformen in leere Standardflaschen um und verhüllte die Flaschen. Dann ließ ich eine dritte Person die Flaschen mischen, um selber mitraten zu können. Jeder Tester war angehalten, sich für jeden Wein nach Verkostung ein D zu notieren, wenn er ihn für deutsch hielt, ein I für gefühlte internationale Herkunft. Dazu wollten wir noch auf simple Weise einen Sieger küren. Es galt daher auch, ein Urteil in Form eines Minus (schlechter Wein), einer Null (nicht der Rede Wert) oder eines bis dreier Plusse (gut, sehr gut, groß) zu notieren.

Wissenschaftlich belastbar ist das Ergebnis nicht. Dazu wussten die Teilnehmer zu viel über das, was da im Glas war. Vermutlich hätte man die Verkostertruppe durch verschiedene Parcours jagen müssen, in denen mal mehr, mal weniger und auch mal gar keine Pinots aus Deutschland versteckt sind, um eine belastbare Aussage zu erzielen. Doch sollte man das Ergebnis nicht vollständig trivialisieren.

Die Verkoster

Unter den Teilnehmern fanden sich drei gelernte und ein quereingestiegener Winzer, sowie einige Semiprofis aus Handel und Gastronomie. Die große Mehrheit der Verkoster bezeichnete sich selbst als Spätburgunderliebhaber. Überzeugte Anhänger speziell einheimischer Gewächse waren nur wenige.

Die Weine

Sieben Weine aus Deutschland, elf aus allen Ecken der Welt hatte ich zusammengestellt. Zwei der Weine stammten von teilnehmenden Winzern. Einer war eine Fassprobe, was vielleicht eine kleine Unsauberkeit im Versuchsaufbau war. Die ältesten stammten aus 2005. Preislich waren ausgerechnet die beiden Weine, die das Teilnehmerfeld am meisten beeindruckten auch die günstigsten mit 12€ und 13€. Die teuersten lagen um 35€. Die höchste Quote an richtigen Zuordnungen hatte der Wein, der auch am besten gefiel. Er stammt aus Deutschland.

Rang Erzeuger, Name/Lage, Jahr, Gebiet Herkunft Treffer Wertungs

punkte

1 Burggarten, Spätburgunder Signatur 2009, Ahr D 81,25 % 22
2 August Eser, Mittelheimer St. Nikolaus, Spätburgunder Barrique, 2008 D 56,25 % 21
3 Schubert, Pinot Noir Block B, 2010, Neuseeland I 37,50 % 20
4 Kusterer, Spätburgunder, 2007, Württemberg D 56,25 % 18
5 von der Mark, Pinot Noir ,Hey Jude‘, 2009, Baden D 43,75 % 17
5 Tiefenbrunner, Pinot Nero, Linie Turmhof, 2008, Südtirol I 37,50 % 17
7 Stodden, Recher Herrenberg Spätburgunder unfiltriert, 2007, Ahr D 50,00 % 15
8 Staatskellerei Zürich, Pankraz Pinot Noir Prestige Barrique, 2008, Schweiz I 56,25 % 13
9 Markowitsch, Pinot Noir Reserve, 2005, Österreich I 56,25 % 12
10 Thierry Violot- Guillemard, Pommard Premier Cru, Clos Blanc, 2005, Burgund I 62,50 % 11
11 Dornach, XX, Pinot Nero, IGT Dolomiti, Italien I 37,50 % 10
12 Scott, Pinot Noir Arroyo Seco, 2008, Kalifornien I 56,25 % 9
12 Huber, Spätburgunder Junge Reben, 2005, Baden D 62,50 % 9
14 Dom. Martin, Clos du Roi, Beaune 1er Cru, 2009, Burgund I 81,25 % 8
15 Durst, Handle With Care, 2010 (Fassprobe), Pfalz, Deutschland D 75,00 % 7
16 Schug, Pinot Noir Carneros, 2009, Kalifornien I 43,75 % 6
17 Neumeister, Pinot Noir, 2005, Österreich I 50,00 % 4
17 Thibault Liger- Belair, „les grands chaillots“, 2009, Burgund I 62,50 % 4
 Schnitt 55,90 %

Das Ergebnis

Würde man eine Gruppe von 16 Schimpansen abrichten, Weine zu probieren und anschließend eine von zwei Kärtchen mit einem D oder I darauf hochzuhalten, wäre der Erwartungswert, dass die Schimpansen in 50% der Fälle richtig lägen. Das galt es zu schlagen. Wir haben eine durchschnittliche Trefferquote von 56% erzielt. Das ist ob der kleinen Fallzahl keine aussagekräftige Abweichung.

Zwei mögliche Ergebnisse stehen zur Auswahl: Entweder es gibt gar keinen typisch deutschen Ton im Spätburgunder oder wir sind alle nur Schimpansen…

Auf in den Rheingau

Am 17. Und 18. März 2012 treffen sich in Geisenheim über 100 Menschen, die die Lust an Wein und dem Austausch darüber unter Zuhilfenahme elektronischer Medien eint. Wir (ich bin auch dabei) werden ein Barcamp veranstalten, eine sogenannte Unkonferenz. Das ist eine Art Präsentationsringelpiez bei dem jeder angehalten ist, nicht nur zu konsumieren, sondern auch aktiv beizutragen. Wem das jetzt zu sehr nach ‚Alles kann, nichts muss‘ klingt, dem sei versichert: die Klamotten bleiben an. Auf in den Rheingau weiterlesen

Sportgesang

Am Freitag ging ‚The Voice of Germany‘ zu Ende, die erste Castingshow, bei der ich nicht fluchtartig den Raum verließ, wenn meine Frau sie einschaltete. Das Finale habe ich zwar gerne verpasst, lockte doch zeitgleich eine spannende Probe südfranzösischer Weißweine, doch so manche Folge habe ich mit Vergnügen geschaut. Das lag daran, dass erstens alle Kandidaten Talent hatten und zweitens der Umgang aller Beteiligten miteinander erfrischend unaufgeregt war.

Eine Szene bleibt mir nachhaltig in Erinnerung. Zwei Kandidatinnen hatten gerade in einem ‚Battle‘ genannten Duett den Song ‚Survivor‘ von Destiny’s Child gesungen, als ein Juror, auf seine Einschätzung des Gebotenen angesprochen, mit entwaffnender Ehrlichkeit zu Protokoll gab, er könne mit dem Song nichts anfangen, für ihn sei das Sportgesang. Den Begriff kannte ich noch nicht und fand ihn so anschaulich – er geht in meinem Wortschatz ein. (Wer den Song nicht kennt, hier gibt es eine Kostprobe).

Leider nicht 'The Riesling of Germany'

Es war kaum eine Woche nach der Sendung, als mich ein Wein an diese Episode erinnerte. Beim Sportgesang versucht ein Virtuose, das gesamte Spektrum seines Könnens in möglichst kurzer Zeit zu präsentieren, was schnell anstrengend wird. Bei meinem Wein hatte ich den Eindruck, dass der Erzeuger unbedingt zeigen wollte, wie viel Kraft, Reife, Aromatik und Fülle in einen einzigen Riesling passt. Ich nennen sowas für mich in Zukunft ‚Sportwinzerei‘. Der Winzer ist Wiederholungstäter. Meine Liebe zum Johannishof erkaltet deswegen langsam – wie zu einem Castingkandidaten, der mich beim ersten Auftritt aus den Socken haut, um danach nie mehr an die erste Leistung anzuknüpfen.

Johannishof (Eser), ‚Retro Domos‘, Rüdesheim Berg Rottland, Riesling Spätlese trocken, 2007, Rheingau. In der Nase schwer, leicht alkoholisch und mit viel vollreifem Apfel, Dörraprikose und Aloe Vera – die Konzentration springt mir ins Gesicht. Am Gaumen ist der Wein irgendwo zwischen dem tollen 2005er und grausamen 2006er Erstem Gewächs aus gleicher Lage und Hause einzuordnen: schwer, die 13,5% Alkohol nur knapp verkraftend, weil noch spürbarer Restzucker dazu kommt. Viel süße Aprikose und Boskopapfel, feine Mineralik – die aromatische Tiefe will ich nicht schlechtreden, aber zu viel Wucht verhindert, dass ich mich dauerhaft an diesem Wein erfreuen kann. Der Abgang ist lang. Ich rätsele, wie da noch ein Erstes Gewächs drüber passen soll. Wahrscheinlich sollte ich dieser Frage gar nicht nachgehen.

Exportschlager

Zu Zeiten zweier Deutscher Staaten gehörte ich zu der Gruppe Westdeutscher, die keinerlei Ostverwandschaft hatte. Meine einzige Informationsquelle über die sozialistische Lebensrealität (neben Radio und Fernsehen) war mein Klassenlehrer, der Schwiegereltern ‚drüben‘ hatte. Jedes Mal wenn diese, als Rentner Reisefreiheit genießend, ihn besucht hatten, versorgte er uns anschließend mit Anekdoten, denen wir schon deswegen gespannt lauschten, weil sie uns Deutschunterricht ersparten. Eines Tages erzählte er eine Geschichte, wie seine Schwiegereltern Wandfliesen zur Verschönerung ihres Badezimmers bestellt hatten und nach 8 Monaten Wartezeit auf eine Palette blaue Kacheln lediglich eine halbe Palette gelbe Kacheln geliefert bekamen. Nach erneutem Antrag und entsprechender Wartezeit kam dann noch einmal eine halbe Palette grüner Kacheln dazu.

Also ging man bei ihrem nächsten West-Besuch gemeinsam in einen Fliesenmarkt, um das Problem durch den Erwerb einer ausreichenden Menge passender Kacheln zu lösen. Reihe um Reihe schritt die Familie das Sortiment ab, doch die beiden Ruheständler murmelten die ganze Zeit nur, wie teuer das doch alles sei – bis ein sichtlich genervter Verkäufer sie indigniert wissen ließ: ‚Also wenn ihnen sogar diese günstigen Kacheln noch zu teuer sind, dann müssen wir da rüber gehen, da steht der billige Schrott aus der DDR!‘

Was das mit Wein zu tun hat? Vor kurzem hatte ich einige Arbeitskollegen zu einer kleinen Party eingeladen. Diesen blieb mein Weinvorrat nicht verborgen und ein junger Kollege aus Rumänien berichtete seinen Eltern in der Heimat von einem netten Abend und meinem für ihn beeindruckenden Weinvorrat. Die Eltern wollten ihrem Sohn (und mir) etwas Gutes tun und nahmen bei ihrem bald darauf erfolgtem Besuch extra zwei Flaschen besten rumänischen Weins mit auf eine 2500 Kilometer lange Autofahrt, auf dass er sie mir bei unserer nächsten Begegnung als Geschenk überreiche. Ich finde es wahnsinnig nett, wenn Menschen sich so viel Mühe machen, um mir eine Freude zu bereiten und konnte mein rumänisches Testtrinken kaum erwarten.

Wenn es um Weinpräsente geht, ignoriere ich meine Kinderstube regelmäßig und bemühe Tante Google, um mehr über Herkunft und – mea culpa – Preis des geschenkten zu erfahren. Und da kam mir die alte Geschichte meines Klassenlehrers in Erinnerung. Denn diese mit Holographie-Aufklebern als echt zertifizierten Ergebnisse rumänische Weinbaus kann man auch in Deutschland erwerben: als Bückware in Spätaussiedlermärkten für zwei Euro neunundneunzig.

Zwar müssen Rumänen für die Weine nicht mehr Schlange stehen, meinem Fairnessgefühl versetzte diese Erkenntnis trotzdem einen heftigen Tritt. Es ist mir daher ein Vergnügen, (zumindest ein bisschen) etwas zur Ehrenrettung des rumänischen Weines beizutragen.

Jidvei, Dry Muscat, demi-sec, 2010, Rumänien. In der Nase zeigt sich ein typischer Muskat, sehr blumig und mit Zitronenschale. Am Gaumen überrascht mich der Wein mit seiner trockenen Art, unter demi-sec hatte ich mir einen zumindest leicht süßen Vertreter vorgestellt. Der Wein ist etwas laktisch, was ganz gut mit der strengen Säure harmoniert. Aromen von Marzipan und Mandarine treffen auf einen leichten, angenehmen Bitterton. Leider ist der Abgang etwas kurz und der Wein insgesamt ein wenig muffig. Aber ein Glas als leichter (12% Alkohol) Aperitif gefällt mir gut. Zu mehr reicht es vielleicht auch aufgrund der Rebsorte nicht. Meine zurückhaltende Einstellung zu Muskat habe ich bereits beschrieben.

Recas, Feteasca Neagra/Merlot, halbtrocken, 2010, Rumänien.Eine Cuvée aus Merlot und der berühmt-berüchtigten Schwarzen Mädchentraube. Der Wein ist in der Nase von grünen Noten dominiert (Tomatenpflanze), als ob das Lesegut nicht nur aus reifen Trauben bestand, darunter scheinen Pflaume und Kirsche durch. Am Gaumen gefällt er mir deutlich besser: Rote Beeren, ordentliche Säure, sehr saftig und eher trocken – das rumänische Weingesetz scheint sehr streng in Bezug auf den Zuckergehalt zu sein, in Deutschland ginge sowas sicher als trockener Wein durch. Das Tannin ist leicht rau, der Alkohol (13%) spürbar aber nicht dominant, insgesamt gefällt der Wein durch eine gute Struktur von Frucht, Säure und Tannin. Der Abgang ist leider nur mittellang. Ein vorsichtshalber bereitgehaltener Spätburgunder kommt an diesem Abend nicht zum Einsatz – ein sehr akzeptabler Wein.