Riesling GG 2007

Riesling GG 2007 – zehn Jahre danach

Vergangenen Freitag veranstaltete ich – quasi auf den letzten Drücker – eine Zehn-Jahre-danach-Probe mit trockenen deutschen Rieslingen. Eigentlich hat bei mir schon die Rotweinsaison begonnen, doch durch die umfangreiche Arbeit für den Gault&Millau Weinguide im Spätsommer hatte ich keine frühere Gelegenheit, die Veranstaltung durchzuführen. Und absagen wollte ich diese ewig lang vorbereitete Probe auf keinen Fall. 

Wer das Blog länger liest, weiß, wie sehr mir der Jahrgang 2007 zusagt(e). Das führte auch dazu, dass ich in den Jahren 2008 bis 2010 78 verschiedene Riesling-GGs und Vergleichbares in meinen Keller legte. Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder mal probiert, was sich wie entwickelte und dann vor vier Jahren – nach einer kleinen Probe – eine Auswahl von 18 Weinen beiseite gelegt, die mein Probenfeld für die Dekadenprobe sein sollte. Nach den Erfahrungen besagter Probe hatte ich mir vorgenommen, dieses Mal die Reihenfolge nicht zufällig zu wählen, sondern selbst die Ordnung festzulegen. So konnte ich zwar nicht blind probieren (die anderen Teilnehmer schon), aber ich konnte eine optimale Reihenfolge festlegen. Die tatsächliche Probenfolge ging dann ungefähr von Süd nach Nord mit den etwa üppigeren Nicht-GGs geballt am Ende. Ein Pirat war zusätzlich eingestreut.

Riesling GG 2007: Reihenfolge der Verkostung

  1. Salwey, Eichberg
  2. Mosbacher, Freundstück
  3. von Buhl, Ungeheuer
  4. Christmann, Idig
  5. Pirat: Bassermann-Jordan, Auf der Mauer
  6. Wagner-Stempel, Höllberg
  7. Battenfeld Spanier, Frauenberg
  8. Wittmann, Morstein
  9. Keller, Hubacker
  10. Schäfer-Fröhlich, Kupfergrube
  11. Diel, Pittermännchen
  12. Dönnhoff, Hermannshöhle
  13. Emrich-Schönleber, Halenberg
  14. Weil, Gräfenberg
  15. Künstler, Hölle GK
  16. Köhler-Ruprecht, Sau AT R
  17. Molitor, Herrenberg AL** tr.
  18. Heymann-Löwenstein, Uhlen-R
  19. Leitz, Rottland Alte Reben

Meine Eindrücke wichen teils stark von meinen Erwartungen ab. Das Niveau insgesamt war aber so hoch, wie ich es erhofft hatte. Gleich der erste Wein war eine Überraschung. Das Eichberg GG von Salwey hatte ich als Pegelwein vorgesehen, da ich ihm nichts zutraute. Die ersten beiden Flaschen waren enttäuschend (vor circa drei und sieben Jahren). Doch jetzt war er sehr eigen und sehr gut: Petrol, Sherry, darunter noch schöne Frucht, schlank, leise, toll strukturiert. Alle dachten, ich hätte mit einem Mosel-Riesling angefangen – es war Kaiserstuhl und der Wein kam ordentlich an – dreizehnter Platz. Der nächste Wein, Mosbachers Freundstück hatte leider Kork. Für ein oder zwei Minuten konnte man noch erahnen, was uns entging – ein vielversprechendes Riesling GG – bevor der Kork alles überdeckte. Bis auf die Sau-AT hatte ich keinen Wein belüftet, sondern sturzdekantierte die Weine unmittelbar vor dem Servieren. Als dritten Wein hatte ich von Buhls Ungeheuer vorgesehen. Das Gut war damals das kleinste der drei großen B, der Pechstein hatte aber vor Jahren schon den dritten Platz in der Probe gemacht. Das Ungeheuer hatte ich sogar nachgekauft, so gut fand ich ihn. ‚Einmal mit Alles, auch mit Scharf‘ stellte ein Teilnehmer den Bezug zum Döner her, ein anderer meinte ‚es passiert so viel!‘ bei diesem Wein. ‚Ist das groß?‘ ging meine Frage an die Runde und die Antwort war ein deutliches Ja. Man darf diesem Wein also 95 Punkte geben, wenn man auf Punkte steht. Dem Höhenflug folgte ein Dämpfer: Christmanns Idig ist erstens ziemlich üppig und zweitens schon etwas müde. Zumindest letzteres kann sich aus anderen Flaschen besser darstellen. So reichte es nur zu einem 15. Platz.

Der Pirat: Riesling ‚Auf der Mauer‘

Rheinhessen GG 2007Im Anschluss kam ein Pirat. Bassermann-Jordans ‚Auf der Mauer‘ hatte die Zeitschrift ‚Weinwelt‘ 2008 zum Wein des Jahres gekürt und ich hatte zwölf Flaschen gekauft, weil sich so eine Geschichte gut zum Verschenken eignet. Verschenkt habe ich am Ende nur zwei Flaschen, neun mit Begeisterung getrunken und die letzte dann für diese Probe beiseite gelegt. Es hat sich gelohnt. Fokussiert, immer noch fruchtig, mir im Kontext etwas zu leicht und süß, hielt er locker mit: Mein Platz 14, insgesamt Zwölfter. Es ging weiter mit Rheinhessen und die folgenden vier Weine zeigten: 2007 war in Rheinhessen ein eher warmes Jahr. Wagner-Stempels Höllberg präsentierte sich sehr komplex, aber etwas zu üppig, spritig (13,5%) und diffus um die Spannung hoch zu halten. Battenfeld-Spaniers Frauenberg zeigte sich schwächer als vor vier Jahren, aber nur weil dieser faszinierend mineralische Abgang zum Ende hin ins Bittere umschlägt, sonst wäre er viel besser – Platz zwölf für mich, zehnter insgesamt. Anschließend ärgerte ich mich das erste Mal, dass ich als einziger nicht blind probieren konnte, denn ich glaube, bei der Nase hätte ich als erstes ‚Morstein!‘ geraunt. Wittmanns Morstein gefiel mir ausgesprochen gut, polarisierte aber erstaunlicherweise – ist er doch sonst gemeinsam mit Dönnhoffs Hermannshöhle für mich das Konsens-GG schlechthin. Am Gaumen ist er auch nicht hundert Prozent typisch: relativ fett, sogar leicht süßlich, aber für mich auch wahnsinnig gut, weil die schöne Säure sich durch den gesamten, sehr langen Abgang zieht. Sehr viel Wärme auch beim nächsten Wein, doch hier stand der überreifen Frucht nicht genügend Säure entgegen. Mich faszinierte die steinige Tiefe im Abgang, was Kellers Hubacker bei mir gerade noch in die Top-Ten hievte. Insgesamt sprang aber nur der vorletzte Platz raus. Ich habe zwar Verständnis für alle, die darauf drängen, dass man solche Proben so lange wiederholen sollte, bis Keller auf Platz eins steht, erlaube mir aber die Anmerkung, dass das kein Flaschenfehler war. Es gab auch niemanden, der den Wein untrinkbar fand. Er war halt einfach ziemlich lätschert.

Nahe Riesling GGs 2007Von Rheinhessen zog es uns zur Nahe. Wieder vier große Namen, dieses Mal eine andere Performance. ‚Warum hast Du uns denn einen 2016er als Piraten eingebaut?‘ fragte Kollege Seiffarth entgeistert?. Ich schwor beim Leben meiner Liebsten, dass das ein 2007er GG sei. ‚Dann war der in der Zeitmaschine‘, lieferte Weinlagen-Charlie die Erklärung. ‚Das muss irgendwas sein, was die ersten acht Jahre zugenagelt war.‘ Von da war es nur noch eine kurze Diskussion bis zur Gewissheit: es war Schäfer-Fröhlich. Das Fantastische an dieser Kupfergrube: da steht die frische Frucht monumental am Gaumen, lässt aber rechts und links ein paar Eindrücke von zehn Jahren Flaschenreife vorbeiflutschen, was einfach ein harmonisches Ganzes ergibt – mein zweiter Platz, insgesamt vierter. Beim nächsten Wein waren sich alle sehr schnell einig: Dieser Wein hat Kanten, die ziemlich sicher von nicht ganz so reifem Lesegut stammen – nicht aus Fahrlässigkeit, sondern als Stilmittel. Von Platz zwei bis siebzehn war alles dabei, ich sah Diels Pittermännchen auf dem sechsten Platz, insgesamt reichte es zum achten. Und dann kam Dönnhoff. Anders als Wittmann lieferte er gegen sein Image als Crowd Pleaser. Alle waren sofort verliebt in die Hermannshöhle. Analysen hatten Pause, Schlürfgeräusche Konjunktur. Es fehlt die letzte Tiefe, weswegen ich ihn auf Platz sieben hatte (insgesamt Fünfter), aber alle fanden: das ist Lebensfreude!

Als nächstes Emrich-Schönlebers Halenberg – kennen Sie die kürzeste Kunstkritik (Christo kann einpacken)? Hier ist die kürzeste Weinkritik: Halenberg läuft! Schon wieder groß, ‚absolut typisch, mit etwas Malz und vollreifer Aprikose, aber auch Spannung in perfekter Balance‘ notierte ich mir. Ich dachte, ich hätte den Sieger, doch es wurde nur der zweite Platz (insgesamt zweiter), weil der nächste Wein die Überraschung des Abends war: Weils Gräfenberg kenne ich ganz gut. Er war immer etwas zu viel des Guten. Ich habe ihn auch schon mit Wilhelm Weil getrunken, der selber sagt, der `08er sei besser, weil fokussierter. Doch der Gräfenberg schlägt zurück: er zieht sich zusammen, wird etwas schlanker, stahlig, die Frucht so knackig wie nie zuvor und der Berg kommt langsam durch. Monumental, fand ich und fanden die anderen. Vier erste Plätze reichten locker zum Gesamtsieg. Was für ein Wein!

Nahe nahe dran, Rheingau noch davor

Künstler Hölle GoldkapselDer zweite Rheingauer ließ alle rätseln: Was will uns der Künstler mit dieser Hölle Goldkapsel sagen? Ich hätte ihn gerne besser gefunden, aber es war tatsächlich der einzige Wein, dem ich jede Größe absprechen musste: überkonzentriert, ohne Spannung und aromatisch diffus. Ein fünfzehnter, ein siebzehnter und sechs achtzehnte Plätze. Er stand damals nicht unbedingt für den typischen Stil des GG, doch dahingehend hatte ich die Probenteilnehmer vorgewarnt und um Milde gebeten. Auch Köhler-Ruprechts Kallstadter Saumagen Auslese trocken ‚R‘ gehört in diese Parallelwelt. Ich hatte ihn darum auch ein paar Stunden belüftet. Für mich war das eine großartige ‚Sau-AT‘. Wunderbar trocken, üppige Frucht, zehnter Platz, insgesamt nur dreizehnter, aber angeregt diskutiert. Molitors Niedermenniger Herrenberg Auslese trocken Zweistern war im Feld, weil er vor vier Jahren den zweiten Platz gemacht hatte. Trockene Riesling Auslesen 2007Die Süße hat sich leider nicht weiter integriert, sondern macht den Wein derzeit etwas pummelig: insgesamt Neunter, ich hatte ihn nur auf Platz vierzehn. Heymann-Löwensteins Uhlen-R hat mir zu viel Sherry-Noten. Das ist arg oxidativ, fand aber immerhin so viel Anklang, dass es zu Platz elf reichte (mein drittletzter). Und dann ging es noch einmal in den Rheingau: Leitz Rüdesheimer Berg Rottland Alte Reben stand an. Nachdem vor vier Jahren die Goldkapsel die Erwartungen nicht erfüllen konnte, wusste der kleine Bruder zu gefallen: siebter für mich, sechster insgesamt und der Kommentar: ‚Flüssiges Gold!‘

Riesling GG 2007: Das Ergebnis

  1. Weil, Gräfenberg
  2. Emrich-Schönleber, Halenberg
  3. von Buhl, Ungeheuer
  4. Schäfer-Fröhlich, Kupfergrube
  5. Dönnhoff, Hermannshöhle
  6. Leitz, Rottland Alte Reben
  7. Wittmann, Morstein
  8. Diel, Pittermännchen
  9. Molitor, Herrenberg AL** tr.
  10. Battenfeld Spanier, Frauenberg
  11. Heymann-Löwenstein, Uhlen-R
  12. Pirat: Bassermann-Jordan, Auf der Mauer
  13. Salwey, Eichberg, gemeinsam mit Köhler-Ruprecht, Sau AT R
  14. entfällt
  15. Christmann, Idig
  16. Wagner-Stempel, Höllberg gemeinsam mit Keller, Hubacker
  17. entfällt
  18. Künstler, Hölle GK

Ohne Wertung, weil Kork: Mosbacher, Freundstück

Der Sieger also Weils Gräfenberg. Einen Tag später kamen zwei Bekannte vorbei um Reste nachzuverkosten und der Wein hatte noch mal zugelegt. Er zeigt mit Luft jetzt dieses betörende Gräfenberg-Aroma, das ein bisschen an Eichenfass und ein bisschen an Süßholz erinnert. Wenn Sie dieses Weines habhaft werden können, kaufen Sie bis das Konto leer ist. Er könnte die Güte des unvergleichlichen 2004ers erreichen, wenn er sich noch ein bisschen weiter entwickelt. Auf den Plätzen die Nahe: Schäfer-Fröhlich und Emrich-Schönleber sind zurecht Präsidiumsmitglieder in Deutschlands trockener Riesling-Elite, Dönnhoff und Diel zementieren den Ausnahmestatus dieses kleinen, feinen Gebietes. Buhl ganz vorne mit dabei und das mit einem anderen Wein als beim letzten Mal. Die damals eingeschränkte Wertschätzung gegenüber dem Gut beruhte nicht unbedingt auf den GGs. Ganz wichtig aber auch die Kernbotschaft, von 18 gewerteten Weinen machten 14 der überwältigenden Mehrheit Spaß (einer hat immer was zu meckern). Und Höllberg, Idig und Hubacker waren einfach zu üppig, lätschert und im Kontext behäbig – nichts, was man angewidert wegschütten würde. Lediglich über Künstlers Hölle brachen wir den Stab. Allerdings darf man die Hölle GK nie aufgeben, die kann durchaus noch zurück kommen.

2007 hat sich (für mich zum wiederholten Male) als sehr guter Jahrgang präsentiert.

2 Gedanken zu „Riesling GG 2007 – zehn Jahre danach“

  1. Schöner Eintrag, unterhaltsam sowie informativ geschrieben. Zwei Punkte interessieren mich noch: Wie organisiert ihr solche Treffen. Lädt man sich auf Gegenseitigkeit ein und präsentiert seine Fundstücke oder zahlt jeder einen Unkostenbeitrag?Auch würde mich interessieren wie am Ende die Benotung stattfindet. Gibt jeder ne Punktzahl ab oder wie genau läuft das?

    1. Also zur Organisation: wir Berliner haben uns in einer privaten Facebook-Gruppe zusammengefunden, FB-Verweigerer werden per E-Mail dazu geladen. In diesem Kreis handelt es sich immer um Einladungen. Wenn jemand gerne einen Wein beisteuern möchte, macht er das mit dem Gastgeber aus. Als ich mit Wein angefangen habe, (in Hamburg lebend) durfte ich auch an so einem Probenkreis teilnehmen. Damals konnte ich mangels Keller nichts beisteuern und war ob der Großzügigkeit anderer schier geplättet. Deswegen ist es mir jetzt selbstverständlich, zu so etwas auch Leute zu laden, die sich nie revanchieren können (wobei es mir völlig Wumpe ist, ob das an fehlendem Geld oder fehlendem Keller liegt). Wir sind also kein elitärer Geheimbund, sondern rund 20 positiv bekloppte Weinnasen unterschiedlichsten Hintergrundes.
      Einzige Bedingung für die Teilnahme (zumindest bei meinen Proben) ist: Man muss seine Probenergebnisse dokumentieren. Und das geht so: Eine Reihenfolge bilden. Also erster Platz Wein x, zweiter Platz Wein y etc. Gleichstand ist erlaubt, der nächste Platz bleibt dann entsprechend leer (wie dieses Mal im hinteren Drittel zwei Mal in der Gesamtwertung). So ersparen wir uns Pegelweine, Nullpunkt-/Eíchmessungen. Ob jemand Gläser, Punkte, Trauben oder Bügeleisen vergibt, bleibt ihm überlassen. Die Auswertungen solcher Rankings besorgt meist Excel, beziehungsweise wir vergleichen reine Median- mit anderen Auswertungsmethoden. Trunkenheit am Probenende ist nicht nur toleriert, sondern quasi erwünscht. Als Gastgeber behalte ich aber im Auge, ob jemand auf einmal wirr punktet, was ich gut kann, weil ich mich immer erst im After-Show-Teil betrinke (okay, da war jetzt ein bisschen Ironie dabei, am Ende sind das leider immer erstaunlich seriöse Proben).

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