Mainzer Weinboerse

Mainzer Weinbörse 2019

Ob ich nicht ein paar Empfehlungen von der Mainzer Weinbörse mitgebracht hätte, wollte Leser Frohnau wissen. Ich gestehe, ich war das erste Mal auf der Weinbörse, ließ mich ein wenig treiben, probierte quer Beet und versuchte eher Eindrücke denn konkrete Empfehlungen zu sammeln. Fassproben und frische Füllungen im schlendernden Schnelldurchgang sind mit Vorsicht zu genießen. Mit dieser Einschränkung lesen Sie bitte meine zehn Eindrücke von der Mainzer Weinbörse.

  1. Bischels fulminantes Debüt
    Was Christian und Matthias Runkel in Mainz präsentierten, war wirklich gut. Der aktuelle Jahrgang zeigt, wie verdient die Aufnahme des Weingutes Bischel in den VDP ist. Dass das keine Eintagsfliege ist, war auch zu bewundern: Getreu dem Motto ‚Wer mit den großen Hunden spielen will, muss auch das Bein hoch kriegen‘ hatte beim VDP-Rheinhessen-Dinner jemand den trockenen 2016er Scharlachberg in einem Flight mit Battenfeld-Spaniers 15er Frauenberg (aus der Magnum) und Wittmanns 12er Morstein (aus der Doppelmagnum) gruppiert. Da nicht unterzugehen ist schon eine Leistung, den Abstand aber so klein zu halten verdient Hochachtung.
  2. Würtz erster Aufschlag
    Dirk Würtz mag es nicht, wenn man behauptet, er habe eine unverwechselbare, schmeckbare Handschrift. Ich finde schon. Und ich finde, die Handschrift passt zum roten Hang. Mit dem ‚1920‘ hat Würtz und sein Team vom Weingut St. Antony zudem ein erstes Ausrufezeichen gesetzt. Ich bin gespannt auf die GGs.
  3. Der Unterschied zwischen OKK und AKK
    Okay, Politik gehört nicht ins Weinblog. Allein: Diese feinherb-fruchtsüße Othegraven Kabinett Kohorte aus lagenlos feinherb sowie fruchtsüß Bockstein, Herrenberg, Altenberg und Altenberg (Versteigerung) ist einfach sexy!
  4. Alte Liebe neu entflammt
    Wenn Sie hier länger keinen Lobgesang auf Jakob Jung gelesen haben (die es vor einigen Jahren öfter gab), dann hatte das Gründe. Umso fröhlicher trällere ich jetzt: Was Alex Jung in Mainz gezeigt hat, war formidabel!
  5. Muskateller!
    2018er Muskateller ist der Knaller. Die Exotik und Frucht explodiert am Gaumen, ohne dass das Parfum übertrieben mit wächst. Dazu sind die Mostgewichte im Rahmen, Elf Volumenprozent waren möglich. Scheu ist auch sehr schön.
  6. Auxerrois kann ganz schön perlen
    Gerade hatte ich bei Schloss Sommerhausen meinen ersten Schaumwein aus Auxerrois probiert, da begegnete mir bei Dr. Crusius gleich der nächste. Beiden gemein ist: langes Hefelager und Zero Dosage. Schloss Sommerhausen, Le Grand Blanc 2013; Dr. Crusius Traiser Auxerrois Brut Nature 2015. (Bei letzterem handelt es sich um die jüngst degorgierte, letzte Charge.) Unbedingt probierenswert.
  7. Silvaner brauchte Hilfe
    Sehr offen gehen die Fränkischen Winzer mit der Tatsache um, dass etliche Silvaner aufgesäuert sind. Die Übung macht’s: ich könnte blind nicht sagen, welcher Wein Unterstützung aus der Tüte hat. Da ich am Sonntag die Jahrgangspräsentation der Franken besuchen werde, gibt es sehr bald mehr Details.
  8. Sonne und Wärme allein ergeben keinen dicken Wein
    Immer wieder erklärten Winzer, ihr Gutswein habe vergleichsweise wenig Extrakt, da es einfach an Wasser fehlte und die Trauben zwar reif und gesund, aber unterdurchschnittlich gut versorgt waren. Wieder was gelernt. Bei entsprechender Lage, hohem Rebalter und dort, wo die Winzer Wasser gefahren haben, sind die Extraktwerte dann sehr hoch.
  9. Trau’ keiner 2018er-Analyse
    Weine mit wenig Extrakt, die schmecken wie dicke Auslesen, Rieslinge, die zwar niedrige Säure, aber wieder erwarten auch niedrige pH-Werte haben (und somit saurer schmecken, als sie sind), Weine mit hoher Säure, die (zu) mild schmecken: 2018 gibt es nichts, was es nicht gibt. Mehr Weine als sonst blieben in der Gärung stecken, viele Winzer haben Weine bei 6 oder 7 Gramm Zucker abgestoppt, weil der Alkohol eh schon so hoch war. Der Jahrgang ist üppig, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber wer sich von den eigenen Vorurteilen freimacht, wird lauter Weinen begegnen, die nicht in seiner Analysewert-Komfortzone liegen und trotzdem begeistern.
  10. Offen wie ein Scheunentor
    2018 ist ultrapräsent, sogar die Fassproben erscheinen trinkreif. Wie das reift, steht auf einem anderen Blatt. Aber der Jahrgang birgt so viel Überraschungen, da liegt eine Prognose nahe: Es wird alles geben, von schnellen Schlappschwänzen bis zu erstaunlichen Langläufern.
Bischel Scharlachberg

Und wenn ihnen das zu wenig Namen sind, dann hier ein paar die mir wegen schöner Weine im Gedächtnis geblieben sind, egal ob erstmals, endlich wieder oder wie immer: Andreas Laible, Bastian, Knebel, Barth, Kaufmann, Theo Minges, Gunderloch, BS/KG. 

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