Weinentdeckungsgesellschaft

Keschde unn Monnlä

Es hat Tradition, dass ich im Herbst bei Ankunft der Weine der Weinentdeckungsgesellschaft sofort eine Flasche der neuen Entdeckung öffne und über mehrere Tage trinke, beobachte und anchließend ‚verblogge‘. Ich plädiere für die Aufnahme des Verbes ‚verbloggen‘ in den Deutschen Sprachschatz und beanspruche Urheberschaft. Wenn ich dereinst als Urheber dieses Wortes bei Wikipedia aufgenommen bin, mögen die Chronisten dort im Abschnitt ‚Sonstiges‘ ausführen, dass die populäre Reihe der Erstbesprechungen von Entdeckerweinen im Jahre 2014 jäh endete, als DHL mein Paket verschlampte.

Als ich feststellte, dass dieses Jahr alle meine Freunde Entdeckerweine trinken durften, nur ich nicht, war es bereits zu spät. Der Januar nahte mit Riesenschritten und im Januar lebe ich abstinent. Als die Nachlieferung mich schließlich erreichte, tat ich etwas, was ich noch nie getan habe, weil ich es als Ausdruck eines mittleren Alkoholproblems ansähe, geschähe es nicht unter diesen besonderen Umständen: Ich legte mir schon drei Wochen vor der Zeit eine Flasche zurecht, die ich am 1. Februar öffnen wollte und freute mich fortan darauf.

Pünktlich am 1. Februar öffnete ich die Flasche und lernte eine wahrhaft interessante Lektion: Beginnen Sie Ihren Alkoholkonsum nach wochenlanger Abstinenz nicht mit Sekt. Er schmeckt dann bitter. Denn der diesjährige (genauer: letztjährige. Danke DHL!) Entdeckerwein ist ein Schaumwein, ein deutscher Sekt. Eine sofort geöffnete Flasche Riesling und die Erfahrung der folgenden Tage legt die Vermutung nahe, dass es allein den äußeren Umständen zu verdanken war, dass die erste Reaktion auf den diesjährigen Entdeckerwein ein beherztes ‚Bäh‘ war. Der Vollständigkeit halber: Die Nase wusste am ersten Tag zu überzeugen.

Keschde unn Monnlä heißt der Sekt und das besondere an ihm ist – grob vereinfacht – der Versuch Champagner und Rieslingsekt zu vermählen. Wenn Deutschlands Winzer Spitzensekt kreieren, erzeugen Sie entweder einen Riesling-Sekt oder einen Sekt aus in der Champagne üblichen Burgundersorten. Also wollte Carsten Henn für die Entdeckungsgesellschaft ausprobieren, wie es denn wohl schmeckt, wenn man Riesling und Burgunder cuvetiert und mittels traditioneller Flaschengärung einen Spitzensekt erzeugt. (Wer jetzt das erste mal von der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft hört, der liest am besten ältere Berichte in diesem Blog.)

Da es bei der WEG nicht um Dogmen, sondern um guten Geschmack geht, erfuhr das Konzept ein paar Anpassungen: der Burgunder ist ein Weißburgunder, eine Sorte, die in der Champagne zwar zugelassen aber quasi ausgemustert ist, obendrein kamen 5% Muskateller zum Einsatz. Die Weine stammten aus dem Jahrgang 2011 vom Weingut Dr. Wehrheim aus den Großen Lagen (gemäß VDP-Statut) Kastanienbusch und Mandelberg, was dem Sekt den Namen gibt (Kastanien und Mandeln ‚uff Pälzisch‘). Die Versektung übernahm Volker Raumland, Deutschlands Guru in Sachen Bubbles. Die Veröffentlichung war ursprünglich früher geplant, aufgrund einer sensorischen Prüfung entschlossen sich die Projektkomplizen jedoch zu einem zusätzlichen Jahr Hefelager. Das fertige Produkt erhielt als Dosage einen Schuss einer Riesling Auslese aus gleichem Jahr und Lage.

Also gibt es dieses Jahr einen Sekt aus Flaschengärung. Flaschengärung bedeutet auch Flaschenvarianzen, was einen besonders schonungslosen Blick gestattet: Bei Nichtgefallen macht man die Flasche verantwortlich und äußert seine Kritik maximal sozialverträglich. Oder man schiebt es auf vorhergehende Abstinenz. Obwohl, eigentlich ist es gar nicht nötig, denn die Story hat ein Happy End.

Keschde unn MonnläDeutsche Weinentdeckungsgesellschaft (und Weingut Dr. Wehrheim), Keschde unn Monnlä, Deutscher Sekt brut, 2011 (o.J. auf dem Etikett), Pfalz.

1. Tag: Bäh! Bitter!!! Aber die Nase ist schön, wenngleich sehr reif und erstaunlich Holzig (5% des Grundweines lag im Barrique), erinnert an den Sekt ‚Torheit‘, der ganz viel Holz hatte und vier Jahre älter ist.

2. Tag: In der Nase dominiert der Riesling, doch der Weißburgunder meldet sich dezent zu Wort und das Holz tritt zurück. Am Gaumen eher rustikal, die Perlage ist nur mittelfein, die Säure dafür kantig. Letzteres finde ich für Sekt aber angemessen und die klare Frucht am Gaumen passt hervorragend dazu. Der Muskateller wird schmeckbar, das warme Jahr 2011 meldet sich mit Aroma von Bratapfel, was ganz schön ist. Ein zu heftiges Bitterl im Abgang trübt die Freude.

3. Tag: Ausflug in die Champagne, zumindest in der Nase, wo sich der Riesling verabschiedet hat. Am Gaumen fruchtfern, herb, leicht bitter mit (für einen Sekt) sehr vollem Körper bei zurückhaltenden 12,5% Alkohol, Orangeat, etwas Sherry und ‚salzig‘ (allen Ernstes, also nicht als Assoziation oder Synonym für Mineralik). Das schmeckt viel charmanter als es klingt, macht ein bisschen süchtig und mündet in erhöhtem Konsum. Mit Mühe gelingt es mir ein Glas übrig zu lassen.

4. Tag: Doch, es ist noch Kohlensäure da, ich war vorsichtig. Sehr wenig Frucht, am ehesten etwas (nicht besonders reife) Birne, aromatisch zwischen allen Stühlen, etwas Muskat, sehr würzig, sehr trocken, auf Riesling käme ich im Leben nicht. In einer Blindverkostung hätte ich eine unerhört hohe Summe auf Xarel·lo und Macabeo gesetzt – so sehr schmeckt das hier nach richtig gutem Cava. Sehr trocken, sehr lang, super schön. Ich leere das Glas mit Begeisterung.

Dass ich ein Weinfreak bin, erkenne ich unter anderem daran, dass ich manchmal eine Flasche Wein schon am Donnerstag öffne um sie am Samstag mit Freunden zu trinken. Mittwochs den Sekt für den Sonntag zu öffnen ist selbst mir zu überkandidelt. Doch demnächst werde ich das tun – zum allerersten Mal. Und darum, Dinge zum allerersten Mal zu tun, geht es bei der Weinentdeckungsgesellschaft. Mission erfüllt.

2 Gedanken zu „Keschde unn Monnlä“

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