Kellerleiche (3)

‚Da waren die Augen wohl größer als der Magen‘ pflegte meine Mutter mit Blick auf den halbvollen Teller zum Essensende zu sagen, wenn ich als kleiner Junge eine deutlich größere Portion eingefordert hatte, als ich später dann auch zu verdrücken im Stande war. Es dauerte eine Weile, bis ich lernte, wie das mit dem Portionieren funktioniert.

Als ich als Teenager das erste Mal im Urlaub in südlichen Gefilden auf Halbpensions-Buffets traf, war das Erlernte spontan nicht mehr abrufbar: Im Bestreben, alles zu probieren, landete wieder mehr auf dem Teller als später in den Magen Einzug halten wollte. Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich dank passender Buffet-Strategie der Vergeudung von Lebensmitteln entgegenwirken konnte.

Es gibt nicht nur phonetisch eine Ähnlichkeit zwischen ‚Teller vollmachen‘ und ‚Keller vollmachen‘.

Als ich zum ersten Mal einen zur Weinlagerung geeigneten Kellerraum zur Verfügung hatte, dauerte es erneut eine ganze Weile, bis ich die richtige Strategie zur Befüllung mit tatsächlich konsumierbaren Mengen gefunden hatte. Ein wesentlicher Baustein dieser Strategie war: ‚Vermeide 12 für 11 Angebote‘, mithin jene beim Deutschen Weinhandel beliebten Offerten, 12 Flaschen eines Weins zu ordern, aber nur 11 bezahlen zu müssen und obendrein das Porto zu sparen. Außer bei sehr lange haltbaren Weinen gelingt es mir nicht, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne 12 Flaschen des gleichen Weines zu trinken. Der Rest liegt dann da im Keller und nimmt eigentlich nur Platz weg. Ab und zu traue ich mich an eine solche Kellerleiche. Bei dieser hier war ich sehr erstaunt, wie hervorragend der Wein mundet. Ich empfand ihn schon in der Jugend als einen sehr seriösen Wein. Jetzt weiß ich, dass er auch sehr ordentlich reift.

Mulderbosch, Sauvignon Blanc, 2004, WO Stellenbosch, Südafrika. Die Nase ist altersmilde: Stachelbeere und grüne Paprika, dazu Sellerie und ein leichter Stinker aber alles sehr dezent. Am Gaumen überraschend ernsthaft, schöne volle Struktur, süße Frucht von Apfel und Birne, sehr gehaltvoll und mineralisch. Im mittellangen Abgang mineralisch aber auch etwas austrocknend. Ein wunderbarer Wein, der allerdings an der Luft nicht lange durchhält. Zwei Stunden nach dem Öffnen verabschiedet sich die Frucht.

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