Alpen

Für Pinot flieg ich meilenweit…

… und zwar für weißen wie für späten. Wie aus einem Schluck bei Schluck eine Reise an den Kalterer See wurde. 

Die Zeitschrift ‚Schluck‘, für die ich gelegentlich schreibe, feiert das Erscheinen jedes neuen Heftes mit einer kleinen Party. Zur vierten Edition fand diese in Berlin statt, also war ich da und probierte mich durch die bei diesen Gelegenheiten gereichten Winzerspenden. Spannendes war dabei und zwei Weine sollten ein Nachspiel haben. Einer davon war ein Weißburgunder, den mir jemand aus einer Magnumflasche ins Glas schenkte und der mich erst mal einfach nur glücklich machte.

Weißburgunder auf der Überholspur

Bis vor wenigen Jahren war die Weißburgunderwelt eine winzige. In diesem Blog finden sich noch Geschichten von vor vier, fünf Jahren, die davon handeln, dass außerhalb Deutschlands zwar Weißburgunder wächst, aber nirgendwo mit vergleichbarer Akribie und Ambition gekeltert wird. Wer ein Weißburgunderversteher sein wollte, der musste damals kaum ein Dutzend Weine probieren: ein junges GG von Kuhn, ein gereiftes von Wehrheim und Rebholz, die ansteigende Form bei Theo Minges erleben und außerhalb des VDP die Weine von Reinhold und Cornelia Schneider sowie eine Drei-Sterne-Granate von Markus Molitor kennen. Das durfte jeder dann mit ein, zwei eigenen Lieblingen und Geheimtipps auffüllen – fertig war die Weißburgunder-Expertise.

Tempi passati. Der Weißburgunder hat Karriere gemacht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat sich herumgesprochen, dass der Weißburgunder kein (neues) Holz braucht. Die besten GGs stammen aus dem Edelstahl, liegen dafür aber oft extralang auf der Vollhefe. Zum anderen rollte die Orange-Welle durch Europa und entdeckte den Weißburgunder als extrem wandlungsfähige Knetmasse. Der Pinot Blanc reagiert deutlich und positiv auf Maischestandzeit oder -gärung. Dem Winzer bieten sich also Gestaltungsmöglichkeiten ohne jedes Hilfsmittel, sogar ohne Neuholz. Das hat die Neugierde vieler guter Leute geweckt. Heute hat sich der Kreis der Trinkbefohlenen um Namen wie Ress, Jülg, Wellanschitz, Preisinger und viele mehr erweitert; Österreich ist aufgewacht, die allerbesten stammen mittlerweile aus Norditalien.

Auf an den Kalterer See

Doch zurück zu meiner Magnum bei Schluck: das war ein archetypischer Weißburgunder: viel Schmelz bei ausreichend Säure und Klarheit, füllig aber nicht fett, einer der sich nicht als billige Chardonnay-Kopie anbiedert. (Denn bei aller Begeisterung: mit den besten Chardonnays kommt Weißburgunder nicht mit, dafür ist er aber leichter aus der Belanglosigkeit zu heben.) Ich fand ihn großartig und inspizierte das Etikett: Kellerei Kaltern, oha! ein weiterer norditalienischer Genossenschaftswein. Eingeschenkt hatte ihn Christoph, der bei den Kalterern für Vertrieb zuständig ist. Im Gespräch ergab sich, dass dort, wo das herkam, noch viel mehr wartete. Die Cantina Kaltern hat ein breites Sortiment von Weißburgundern und der  ‚Vial‘ in meinem Glas stellte noch nicht die Spitze der Qualitätspyramide dar.

Meine Neugierde war geweckt und wie der Zufall es wollte, organisierten die Kalterer gerade eine Pressereise an den See. Die Einladung nahm ich gerne an, ignorierend, dass der Fokus am Kalterer See natürlich auf ‚Kalterer See‘ liegen würde (was Gegenstand einer anderen Geschichte werden wird). Also ging es ein paar Wochen später nach Südtirol und ich sollte nicht enttäuscht werden. Vier verschiedene Weißburgunder haben die Kalterer im Programm und ich konnte alle zweifach verkosten und zusätzlich zum Essen trinken, weswegen ich meinem Urteil vertraue: Kellermeister Andrea Moser hat ein Händchen für Pinot Bianco. Er setzt auf den Mittelweg, ein bisschen Holz, manchmal Teilpartien mit biologischem Säureabbau, langes Hefelager, teils Maischestandzeit. Heraus kommen vier verschiedene Weißburgunder.

Pinot Bianco hoch vier

Weißburgunder Kellerei Kaltern

Kellerei Kaltern, Weißburgunder/Pinot Bianco (Klassik), 2016, Kalterer See, Südtirol/Italien. Die Basis bietet genau das: eine gute Basis. In der Nase und am Gaumen viel Frucht, feine Säure und etwas Gerbstoff, der für Spannung und Appetit sorgt. Typizität, ordentliche Länge, guter Wein.

Kellerei Kaltern, Weißburgunder/Pinot Bianco‚Vial‘, 2016, Kalterer See, Südtirol/Italien. Der Wein ist aus der Not im Frühjahr gefüllt, sollte erst 2018 auf den Markt kommen und will eigentlich noch ein bisschen reifen. Er ist eine Cuvée aus verschiedenen Partien, die teilweise einen BSA durchlaufen haben, einige haben auch etwas Holz gesehen. In der Nase Apfel und Weingummi, sehr jung und bunt. Am Gaumen tolle Balance aus saftig und cremig, reife Frucht, sehr dicht, schöne Säure, eine ganz dezente, röstige Würze, die sowohl von Holz, als auch vom fünfmonatigen Lager auf der Feinhefe stammen könnte. 14% Alkohol sind komplett unauffällig, sorgen höchstens für etwas süßen Schmelz, der gut passt, da der Wein (wie alle Kalterer Pinot Biancos) wirklich trocken ist. Die Tiefe und Länge ist beeindruckend, wenngleich im Moment die Frucht dominiert.

Kellerei Kaltern, Weißburgunder/Pinot Bianco ‚Solos‘, 2014, Kalterer See, Südtirol/Italien. 2014 war in Kaltern kühler, brachte mehr Säure und weniger Alkohol als 2016. Der Solos ist ein Einzellagen-Wein aus einer biodynamisch bewirtschafteten Gemarkung. Der Wein ist in einem neuen 3000-Liter-Fass von Stockinger ausgebaut. In der Nase fruchtig-würzig, aber auch etwas reduktiv. Am Gaumen spürbarer Gerbstoff, gepuffert von saftiger Frucht (Apfel und Birne), vollmundig, deutlich von Mineralik/Phenolik geprägt mit nur einem Hauch Holz, dass für zusätzliche Eleganz sorgt.

Weissburgunder-Kunststück Magnum Cantina KalternKellerei Kaltern, Weißburgunder/Pinot Bianco ‚Kunsstück‘, 2014, Kalterer See, Südtirol/Italien. Jedes Jahr gibt es in Kaltern ein Kunststück in einer Anzahl Magnums, die dem Jahrgang entspricht, dieses Jahr also 2014. Dass es ein Weißburgunder ist, ist Zufall, aber ein wundervoller. Die Nase ist eher würzig, leicht rauchig. Auch am Gaumen hält sich die Frucht zurück, stattdessen viel Frische, straff, spürbare Phenolik/Mineralik, die die Marschrichtung für den Wein vorgibt, einschließlich einem kleinen animierenden Bitterton im sehr langen Abgang. 13,5% Alkohol passen wunderbar, der Wein wird meiner Meinung nach zu Größe heranreifen.

Erst in Kaltern fiel mir auf, dass ich nie gefragt hatte, was die Weine eigentlich kosten. Der ‚Vial‘, der mich nach Kaltern geführt hat, kostet sage und schreibe 11 Euro, der ‚Solos‘ 15. Das schmeckt wie 25 und 30! Lediglich das Kunsstück bewegt sich mit 90 Euro für die Magnum in den Gefilden, in denen ich ihn auch geschmacklich verortet hätte.

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