Der Feind des Guten

Als ich 2005 absehen konnte, dass ich bald über adäquate Lagermöglichkeiten für Wein verfügen würde, stürtzte ich mich mit Feuereifer auf lagerfähige und -bedürftige Weine, um mir Wissen und einen Vorrat anzueignen. Groß war der Frust, als ich feststellen musste, dass die lagerfähigsten Weine aus dem Bordelais stammen und ich die Zeit der bezahlbaren Weine leider um einige Jahre verpasst hatte. Der gerade ausgelieferte Jahrgang 2003 hatte eine gigantische Preissteigerung gegenüber Vorjahren erlebt und der wenig später zur Subskription angebotene Jahrgang 2005 brachte dreistellige Preise für Gewächse aus der zweiten und teils sogar dritten Reihe.
Ich tätigte eine kleine aber trotzdem viel zu hohe Investition in Weine aus Bordeaux, beschäftigte mich aber zusätzlich mit internationalen Weinen ähnlicher Machart, nur um auch bei Chiles Seña oder Kaliforniens Opus One auf dreistellige Flaschenpreise zu stoßen. Also blickte ich mich in Deutschland um. Vielstimmig war der Lobgesang auf deutsche Rotweine aus Cabernet und Co. und meine ersten Begegnungen mit Knipsers Cuvée X und den Weinen des Pfälzer Barrique-Forums waren durchaus vielversprechend. Allerdings nur, bis ich einen wirklich gelungenen Cru Burgois aus dem Medoc für weniger als 20€ und einige deutsche Starter parallel in einer Probe blind präsentiert bekam. Da war das Bessere der Feind des Guten und meine Begeisterung relativierte sich.
Bevor ich mir einen Plan zurecht legen konnte, wie ich das Problem lösen wollte, erledigte es sich von alleine: In einem seltenen Moment geistiger Klarheit gestand ich mir ein, dass ich Bordeaux und Vergleichbares gar nicht besonders mag. Pinot liegt mir viel mehr und außer zum Essen habe ich seit 5 Jahren keinen Bordeaux mehr aufgemacht. Den kleinen Turm aus Holzkisten in meinem Keller habe ich geflissentlich ignoriert – ich bin Weltmeister im Verdrängen und er steht praktischerweise in der hintersten Ecke.
Nun bricht der Markt für Bordeaux ein, und zwar gewaltig. Das bleibt mir nicht verborgen, thematisieren es meine Weinfreunde auf Facebook doch regelmäßig. Claret aus deutschen LandenDie Verdrängung muss also ein Ende haben. Um zu retten, was zu retten ist, verkaufe ich fleißig Rotwein bei ebay. Da bringt er mit Ach und Krach gerade die Subskriptionspreise von vor sechs Jahren. Neulich habe ich beim Sortieren einen deutschen Vertreter dieser Gattung gefunden. Ohne Hoffnung, dafür einen nennenswerten Erlös zu erzielen, habe ich ihn lieber selber getrunken, natürlich zum Essen. Mein Urteil ist nicht von Sachkenntnis getrübt (siehe oben). Doch ich fand ihn grandios. Vermutlich war es von Vorteil, dass ich bald ein Jahr keinen ,echten‘ Bordeaux mehr getrunken habe.
Jakob Pfleger,Edition Curator, Cuvèe Goldberg, 2005, Pfalz. In der Nase ein herrlicher Mix aus Schuhcreme, Cassis, Kirsche, Holz mit einem leichten Joghurt-Ton. Am Gaumen zunächst süß und saftig mit schönem Spiel (an der Säure sollt Ihr sie erkennen), dann recht feinem aber auch etwas rauem Tannin, schönes Mundgefühl, ordentliches Volumen, nicht zu fett, nach hinten raus mineralisch aber die ganze Zeit auch mit süßer Frucht (Cassis und Blaubeere). Sehr langer Abgang, moderat adstringierend und holzig. Toller Wein.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.