Auf der Lauer…

…liegt dieser Tage so manch meinungsstarker Forenteilnehmer und Bloggerkollege. Es ist Kritik(er)saison. Die erste Vinum nach dem Besitzerwechsel wurde bereits durch das Web 2.0 gedreht. Nach dem medialen Echo auf die GG-Vorstellungen Anfang September kam dazu eine recht deftige Metakritik. Und wenn demnächst die Riege diesjähriger Deutscher Weinführer erscheint, wird dazu das eine oder andere kritische Wort in Blogs und Foren geschrieben werden. Ein heißer Herbst ist garantiert.

Nun sind diese Zeilen bitte nicht als Kritik an der Meta-Kritik (wäre das dann eigentlich die Meta-Meta-Kritik???) zu verstehen. Ich halte es für gut und richtig, die Urteile der Weinprofis und –publikationen zu thematisieren und sie auch in Frage zu stellen. So fanatisch wie in diesem Forum – wo manch Verkoster gar keine Notiz mehr publiziert, ohne vorher Hofschuster- und Gault-Millau-Punkte sowie prognostiziertes Trinkfenster (!) nachzuschlagen und dann auch zu kommentieren – würde ich es allerdings nicht machen wollen. Zu viel Kampfeslust halte ich schlicht für genussfeindlich.

Ist Weinkritik überflüssig?

Was bei aller Diskussion unterschwellig durchklingt, ist die Frage, ob wir überhaupt (noch) eine professionelle Weinkritik benötigen. Ich habe keine Ahnung. Subjektiv entpuppen sich Kritikerempfehlungen, denen ich folge, fast genauso oft als Treffer wie als Fehlkauf. Ich kenne Verkoster, deren Eindrücken ich eher vertraue, weil ich Übereinstimmungen im Geschmack festzustellen glaube und ich kenne solche, die anders ticken als ich. Das hat aber nichts mit deren Status als Profi oder Laie zu tun.

Um aber den Bogen zum heutigen Wein zu spannen: Was ich als äußerst verlässliches Instrument kennengelernt habe, ist die Juryverkostung. Sind es drei oder mehr Juroren, die einem Wein eine Krone aufsetzen, kann ich das fast immer nachvollziehen. Manchmal finde ich zwar nur hervorragend, was die Jury gigantisch findet (und umgekehrt: manchmal gefällt mir der Zweitplatzierte besser als der Sieger), aber die Richtung stimmt irgendwie immer.

Der heutige Wein hat den Titel ‚Riesling des Jahres‘ von der Zeitschrift Weinwelt verliehen bekommen, nachdem er bei einer Jury-Blindverkostung den ersten Platz unter über 1000 Probanden erreichte. Mancher mag sich vielleicht an das (meiner Meinung nach sehr gelungene) Titelblatt der Zeitschrift mit der Schlagzeile ‚Deutschland sucht den Riesling Star‘ erinnern. Diese Verkostung findet zwar jeweils relativ früh im Jahr statt und berücksichtigt daher keine GGs und Lang-Gärer – aber ich war mir sicher, dass die Besten schon was taugen werden. 15 der nur 3000 Produzierten Sieger-Flaschen landeten daher in meinem Keller und machen seitdem wahrlich viel Freude. Lieblingswein!

‚Auf der Mauer‘ Riesling trocken, 2007, Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, Pfalz

In der Nase süß, Rhabarber und reifer Apfel, entwickelt der Wein seine volle Vielfalt und Komplexität am Gaumen. Fest gewirkt findet er die Balance zwischen Pfälzer Kraft und der Eleganz des Rieslings. Dabei spielt der ‚Auf der Mauer‘ definitiv die fruchtige Karte und nicht so sehr die mineralische. Langer Abgang. Bewegt sich für mich auf GG Niveau und bot zu jeder Zeit in den letzten 2 Jahren ein Erlebnis, das mir über 90 Punkte wert war.

2 Gedanken zu „Auf der Lauer…“

  1. Lieber Schnutentunker!

    „Fanatisch“ ist wohl nicht der passende Ausdruck, wenn es um den Erfahrungs- und Meinungsaustausch unter Weinfreunden geht, die Spaß daran haben, sich intensiver (und gerade deshalb auch genussvoll!) mit ihrem Hobby zu beschäftigen als der allgemeine „Ottonormaltrinker“. Wenn du in ein Forum für Modelleisenbahnen kommst, wirst du hier naturgemäß eine andere Informationsdichte etwa zum Thema Spurweiten vorfinden, als beispielsweise in der Bild-Zeitung oder der Rheinischen Post.

    Was das von mir betriebene Forum unter weinfreaks.de angeht, so entspricht deine Wahrnehmung kaum der Realität: „Kampfeslust“ wird bei uns nicht geduldet. Wir haben durch entsprechende Nutzungsregeln und konsequente Moderation bei Verletzungen der Netiquette von Anfang an dafür gesorgt, dass Diskussionen grundsätzlich auf der rein sachlichen Ebene geführt werden. Unterschiedliche Meinungen werden von uns stets respektiert, ja zum Zwecke einer fruchtbaren und konstruktiven Sachauseinandersetzung sogar sehr geschätzt. Daher kann ich deine Kritik in keiner Weise nachvollziehen.

    Viele Grüße
    Werner
    c/o weinfreaks.de

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