Die Reifeprüfung

Vor etlichen Jahren spülte mir eine kleine Hype-Welle drei Flaschen einer Spätburgunder Auslese aus dem Hause Müller-Catoir in den Keller. Über viele Jahre hatte der Kellermeister des Gutes versucht, einen guten Spätburgunder zu keltern. Da er daran immer wieder gescheitert war, beschloss man, mit der Ernte 2003 den betreffenden Weinberg zu roden. Allerdings übernahm 2002 die nächste Generation der Müller-Catoirs das Ruder und auch im Keller übernahm ein neuer Mann. Dieser kelterte den letzten Jahrgang Spätburgunder und hatte auf Anhieb mehr Glück. Was schließlich 2005 seinen Weg in die Flasche fand, wurde preisgekrönt und von der Kritik in den höchsten Tönen gelobt – schade nur, dass der Weingarten gerodet war.

Das ist die Art Geschichte, die aus Weinen Legenden macht. Der Wein musste in meinen Keller. Und ob des müden Renommees kostete der Stoff nur 14 Euro. Drei Flaschen konnte ich noch ab Gut ergattern, es seien die letzten wurde mir mitgeteilt. Eine trank ich ziemlich bald nachdem die Weine mich erreicht hatten mit meinem Vater an einem lauen Sommerabend in meinem Garten. Es war ein famoser Spätburgunder, der alles hatte, was ich von einem eher dicken Vertreter des Genres erhoffe: satte Frucht, stabile Säure, schmirgelnde Mineralik, spürbaren Holzeinsatz, Tiefe und Länge bei einer der Dichte fast widersprechenden Eleganz.

Es ist mein Fehler, dass ich bei Weinen, die Komplexität und Klasse mit noch deutlichen Spuren von Holzeinsatz und jugendlicher Frische kombinieren, stets glaube, diese Weine hätten noch ganz viel Potential. Ich neige auch dazu, dass ich mir gute Dinge immer besser Wünsche; wer mich in dieser Hinsicht gierig nennt, riskiert keineswegs meine Freundschaft. Die Hoffnung, ein Wein der besten Güte könnte mit Lagerzeit noch zu größter Klasse reifen, füllt in meinem Keller so manches Regal. Klappt nur leider nicht immer. Genau genommen geht es öfter in die Hose als es gut geht. Ich geb‘ es mir nur meist nicht zu.

Der letzte Jahrgang ohne VDP EmblemSo war es auch beim Müller-Catoir. Eine vier Jahre später getrunkene Flasche war nicht so harmonisch wie die erste. Der Wein stand eher in einzelnen Komponenten nebeneinander als das Frucht, Säure und einsetzende Reife ein harmonisches Ganzes gebildet hätten. Ich legte die letzte Flasche beiseite für sehr viel später. Dieser Tage war es dann soweit. Ich hatte Gäste und nach einer Reihe feiner Weine machte ich als Absacker für diejenigen, die noch Wein trinken mochten den Wein mit der schönen Historie auf – solche Geschichten verdienen schließlich Publikum. Leider spielte der Wein nicht mit. Er hat seinen Zenit überschritten. Er ist nicht gänzlich hinüber und er bereitet noch Vergnügen aber ich möchte meinen verlängerten Rücken zum Biss freigeben, dass ich nicht einfach mit den drei Flaschen damals eine Jungweinorgie gefeiert habe.

Müller-Catoir, Spätburgunder Auslese trocken, 2003, Pfalz. In der Nase Kirsche, Pflaume und grüne, florale Noten, dazu leichte Alterstöne. Am Gaumen feine Frucht mit Himbeere und Pflaume, dazu eine leichte Teernote, spürbares Holz, etwas grobes aber nicht störendes Tannin und leider eine nicht angenehme, vorstehende Säure und wieder grüne Noten. 14,5 % Alkohol sind hervorragend eingebunden, der Abgang ist lang aber auch etwas gezehrt.

Simple Genüsse (10)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Notizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Saubere Pfälzer Spätlese trockenMüller-Catoir, Haardter Bürgergarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase präsentiert sich ein klassischer Pfälzer Riesling: Apfel, Zitrus und Aprikose mit etwas Malz und Aloe Vera. Am Gaumen findet sich vieles davon wieder: zunächst dominieren Zitrus und Apfel, später kommt Aprikose dazu bevor es nach einigen Stunden in Richtung Grapefgruit geht. Dazu ist der Wein leicht malzig und wirkt sehr trocken, dicht und voll. Der Wein ist eher barock, 13,5% Alkohol sind aber vernünftig integriert. Pfälzer Kraft trifft im ziemlich langen Abgang auf eine feine Mineralik. Macht viel Spass und ein bisschen satt.

Emrich-Schönleber, Monzinger Frühlingsplätzchen, Riesling trocken, 2009, Nahe. In der Nase ein leichter Stinker aber auch frische Zitrusaromen, dazu etwas Aloe Vera. Am Gaumen kräftige Säure, einige Gerbstoffe, Aromen von Zitrus und Grapefruit, leichte Mineralik, ziemlich trocken und mit festem Kern. Schönleber, Haag und Dönnhof sind für mich Erzeuger, deren Lagenweine aus den besten Gemarkungen so gut sind, dass ich eigentlich kein Großes Gewächs mehr benötige. Zu dieser Regel gibt es Ausnahmen – wie diese. Für mich ist der Wein straff und gut aber keine Sensation – derzeit deutlich eindimensionaler als ich es erwartet hatte.

Max Ferd. Richter, Mülheimer Helenenkloster, Riesling Spätlese, 2007, Mosel. Die Nase ist wunderschön, denn zum üblichen Riesling-Mix (siehe oben) und etwas jugendlicher Hefe kommt bei diesem Wein noch Melone, Mango und Papaya. Das riecht herrlich süß und geht am Gaumen gleich so weiter. Süß und saftig wirkt der Wein, mit einer ordentlichen Säure, tropischen Fruchtaromen, vibrierender Frische, die auch von etwas Kohlensäure herrührt. Der Abgang ist sehr lang und süß. Dem Wein fehlt es an Mineralik aber für mich muss nicht jeder Riesling mineralisch schmecken. 8,5% Alkohol passen sehr gut zu dieser hervorragenden fruchtsüßen Spätlese.

 

Füllwein (14)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Franz Keller, Spätburgunder Selection, QbA, 2005, Baden. Ein relativ dunkler Vertreter, sowohl farblich als auch von den Aromen in der Nase: Kirsche aber vor allem Zeder, Waldboden und eher nicht ‚deutsch‘. Am Gaumen ist die Stilistik fast international, wenn nicht die dafür eher untypische kräftige Säure wäre: ziemlich viel Bumms, Aromen von Kirsche und Pflaume, Kakao, gar nicht mineralisch, noch deutliche Spuren vom Holz aber moderates Tannin, jetzt reif und voll da. Außerordentlich langer Abgang. Hervorragend und für Keller (Baden) eher untypisch: exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis.

Müller-Catoir, Gimmeldinger Mandelgarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase legt der Wein eine falsche Fährte: er riecht süß nach vollreifem Pfirsich sowie ein bisschen Banane und Marzipan. Am Gaumen ist er dann aber sehr trocken und bietet  viel Zitrus-Aroma, Grapefruit und eine stramme Säure. Er ist vollmundig und fast ein bisschen fett, was er überreifen Noten verdankt und nicht etwa seinem Restzucker, denn er kommt nur auf 4,7 Gramm bei 7,4 Promill Säure. 13,5% Alkohol sind spürbar, Mineralik eher weniger. Das klingt krass und mit diesem Adjektiv ist der Wein derzeit auch treffend beschrieben. Aber in zwei oder drei Jahren sieht das vermutlich anders (besser) aus.

Becker-Steinhauer, Veldenzer Kirchberg, Riesling Kabinett trocken, 2005, Mosel. Noch so ein staubtrockener Vertreter: Der Wein ist spontan vergoren und hat irgendwann den Turbo eingeschaltet. Bevor der Winzer Stopp sagen konnte, waren 13% Alkohol und nur noch drei Gramm Restzucker im Getränk. Das hat ganz zu Beginn auch noch mit einem Spontistinker geglänzt und gehörte ebenfalls in die Kategorie ‚krass‘. Drei Jahre Flaschenreife haben alles geordnet. In der Nase deutliche Reifenoten aber keine Firne, dazu Aprikose und Aloe Vera. Weder in der Nase noch am Gaumen kann der Wein seinen Alkohol verbergen, bewegt sich aber im erträglichen Rahmen. Am Gaumen straff mit vollem Mundgefühl, schöner Mineralik und etwas Pfirsichfrucht. Langer mineralischer Abgang. Extrem viel (toller) Wein für damals 5€!