Der Archetyp

Es gibt Weine, die sind so gut, dass man stundenlang Aromen aufzählen und Eigenschaften preisen möchte (was ich mir meistens spare, weil ich dann lieber einen Moment die Klappe halte und einfach den Wein genieße). Und es gibt Weine, die sind so gut, dass man gar kein Aroma aufzählen und gar keine Eigenschaften preisen möchte – weil einfach alles stimmt. Im Fußball sagt der Trainer dann, er möge keinen Mannschaftsteil oder Spieler herausheben, denn alle hätten aus einem Guss gespielt, oder so ähnlich. Ich habe seit vier Tagen einen Wein im Glas, den ich mal so beschreiben möchte: Das ist der Idealtypus eines fünf Jahre gereiften trockenen Moselrieslings. Er kommt von der Ruwer, aber geschenkt. Im Fußball könnte man sagen: das ist das Äquivalent zur Leistung der Bayern im gestrigen Pokalfinale. Ich find Bayern scheiße, aber ebenfalls geschenkt.

Karthäuserhof, Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Riesling Auslese trocken -S-, 2005, Mosel (Ruwer). Nase: die archetypische Rieslingnase – einfach Schnüffelstoff. Am Gaumen wirkt er schlanker als er wirklich ist, was heißen soll, dass er 13,5% Alkohol vollständig maskiert und nicht überextrahiert wirkt. Geschmacklich trocken ohne karg zu sein, kraftvoll aber nicht zu breit, von einer reschen Säure harmonisch strukturiert und ziemlich saftig. Vibrierend, nervig, stahlig, man kann es sich aussuchen, ich würde sagen: sehr lebendig. Der Abgang ist ausgesprochen lang. Das ist ein großer Wein.

(Weil in vier Tagen doch irgendwann Zeit dafür war und mancher nicht ohne Aromen auskommt: in der Nase Pfirsich und Apfel, dazu immer noch eine kleine Note von Hefe, leichte Kräuterigkeit und ganz dezente Reifenoten; am Gaumen ein sehr ähnliches Bild sowie eine schöne Schiefermineralik mit einer Tendenz ins Rauchige.)

Auf die Größe kommt es manchmal doch an

Wer ob der Überschrift Schlüpfrigkeiten erwartete, wird jetzt vielleicht enttäuscht sein, aber es geht hier um Flaschengrößen – ist ja schließlich ein Weinblog. Welchen wirklich großen Einfluss die Flaschengröße auf den Reifeverlauf auch eines Rieslings hat, konnte ich einmal mehr anhand eines letzte Woche verkosteten Weines erfahren, für den es zufälligerweise gerade Sekundärliteratur zum Vergleich gibt. Der Riesling stand nämlich auch (aus der Normalflasche) auf der Verkostungsliste des Gault Millau für die Bernhard Breuer Trophy, also die Verkostung 10 Jahre alter Spitzenrieslinge, und soll nach einem Bericht von Werner Elflein im Glas ziemlich rasch abgebaut haben.

Ich habe den Wein noch in Magnumflaschen und eine davon konnte ich letztes Wochenende öffnen, da ich genügend an Riesling interessierte Gäste hatte. Fazit: selbst Freunde jüngerer Weine waren begeistert ob dieses wirklich fantastischen Weines, welcher Reife und Frische perfekt balanciert. So hat der Wein aus der Normalflasche vermutlich vor drei oder vier Jahren geschmeckt.

Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Riesling Auslese trocken -S-, 1999 (Magnum), Karthäuserhof, Mosel (Ruwer). Die vergleichsweise frische Nase erinnert an Rhabarber, Vanille, ein wenig Honig und zeigt auch einige würzige Reifenoten. Am Gaumen ist der Wein zwar sehr trocken aber auch sehr fruchtig mit Anklängen von Himbeere und viel Pfirsich, dazu ist er wahnsinnig mineralisch von der ‚rauchigen‘ Art. Der Abgang ist mineralisch, trocken ohne gezehrt zu wirken und sehr lang.

In diesem Fall verheißt die Extragröße auch Extragenuss…