Investitionsruine?

Neulich hatte ich im Rahmen des Vinocamp die Gelegenheit, ein Riesling Großes Gewächs aus dem Jahr 2009 zu trinken. Es war zwar ein Genuss aber vor allem verwirrend, strömte mir aus dem Glas doch ein reifer Duft entgegen. In einer Blindverkostung hätte ich vermutlich auf ein Exemplar aus dem Jahrgang 2005 getippt. Der neben mir stehende Dirk Würtz bemerkte meine Verwirrung und kommentierte diese mit den Worten: ,Die schmecken jetzt alle so‘. Ich bekam Schnappatmung – ich habe noch einiges aus 2009 im Keller, dass jetzt zu trinken nicht auf der Agenda steht. Sollte aber die Mehrheit der 2009er GGs ein solches Reifestadium zeigen, wie dieses aus dem Rheingau, dann muss ich etliches zwischenschieben, was eigentlich irgendwann in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts den Weg in mein Glas finden sollte.

Wie jeder Otto-Normalweintrinker bin auch ich auf die Berichte der Fachleute angewiesen, wenn es jedes Jahr im September eines Jahres um die Frage geht, soll ich in den Jahrgang investieren oder nicht. Dabei gibt es mittlerweile ein erstaunlich stringentes Muster: unmittelbar nach erscheinen der ersten Weine eines Jahrgangs wird dieser in den Himmel gelobt, was sicher damit zu tun hat, dass geübte Kritiker sich noch bedeckt halten und eher diejenigen aktiv werden, die mit kraftvollen Aussagen Aufmerksamkeit erregen wollen. Zum September hin, nach der Präsentation der GGs, kommen verhalten positive Meinungen in der Art ,viel Licht aber auch Schatten‘. Man konnte in den letzten Jahren die Uhr danach stellen – mit Ausnahme des Jahres 2010 in dem ein sich weit aus dem Fenster lehnender Manfred Klimek mit seinem mittlerweile geflügeltem Wort vom ,Arschjahr‘ für unterhaltsame Diskussionen sorgte.

Es gibt ein paar feine Abstufungen, 2008 wurde etwas verhaltener kommentiert – ausgerechnet das Jahr, das sich anschickt, im weiteren Reifeverlauf unerhörte Klasse ins Glas zu bringen. 2011, konnte ich zwischen den Zeilen lesen, ist in der Spitze bei den Juroren ebenfalls auf mäßige Begeisterung gestoßen. 2009 war ein Jahr mit oft eher verhaltener Säure, das manch Meinungsmacher in der Art bei 2005 verortete. Da ich mit dem Jahrgang viel Genuss verbinde, trieb mich ein moderater Einkaufswahn dazu, gut 70 Flaschen Riesling GGs einzukellern. Sollten die jetzt alle in Rekordzeit in der Flasche zerfallen, stellte mich das vor massive Probleme. Den Jahrgang 2006, der ein ähnliches Bild bot, konnte ich ob geringerem Kellerumfangs noch notschlachten. 2009 wäre aber wohl nur durch die Veranstaltung einer GG Party im größeren Freundeskreis in den Griff zu kriegen.

Aus Geisenheim zurück griff ich mir daher drei GGs, um die Probe aufs Exempel zu machen. Leider fiel ein Exemplar, Marienburg Rothenpfad von Clemens Busch, aufgrund des ,Dreckskork‘ aus – total verseucht. Zwei Exemplare von der Nahe ließen mich mit sehr gemischten Gefühlen zurück.

Doennhoff_Hermannsberg_BuschDönnhoff, Riesling Hermannshöhle GG, 2009, Nahe. Unmittelbar nach dem Öffnen eine sehr verhaltene Nase, mit etwas Luft kommt klassische Rieslingfrucht und Muskat, angenehm, dicht, würzig – könnte ich ein Nasenbad drin nehmen. Am Gaumen ist der Wein großartig, von enormer Dichte ohne zu opulent zu sein, mit süßer Frucht aber ohne Zuckerschwänzchen, beißend mineralisch und auf angenehme Art mächtig. Die 13% Alkohol geben Statur und sind spürbar. Ich weiß kein anderes Wort als ,fest‘ um das Mundgefühl zu beschreiben und weiß, dass man ein paar Liter Riesling im Leben getrunken haben muss um zu wissen, was ich meine – ich bedaure das, kann‘s aber nicht ändern. Mineralisch, dicht, mit einem animierendem Bitterle, ewig lang aber nicht perfekt, dazu fehlt ihm ein bisschen Rasse, denn die Säure der 2009er Hermannshöhle ist eher zahm. Am zweiten und dritten Tag verflacht der Wein rapide, wird breit, angenehm fruchtig aber auch ein bisschen banal und tatsächlich übermäßig reif.

Gut Hermannsberg, Riesling Hermannsberg GG, 2009, Nahe. Der Wein ist unmittelbar nach dem Öffnen voll da, wird dann aber binnen 30 Minuten karg. In der Nase Malz, Karamell, Milchschokolade, sehr erdig und rauchig. Am Gaumen zeigt er sich ebenfalls fest, ziemlich geizig, was Fruchtaromen angeht, ist aber vollmundig, leider etwas zu süss. Der Wein deutet an, dass er viel mehr kann und noch um einiges zu jung ist. Am zweiten Tag geht der Wein dann aber ebenfalls in die Breite, verliert dieses zupackende Mundgefühl, dass den Speichelfluss anregt und wird deutlich zu süß.

Den Dönnhoff kenne ich aus den letzten zehn Jahrgängen in allen möglichen Altersstufen. Der ist definitiv frühreif. Anders beim Hermannsberg, den ich zum allerersten Mal im Glas habe. Ich habe die Hoffnung, dass der sich noch lange hält und positiv entwickelt, wenngleich GGs aus den Jahren 2007 oder 2008 in ähnlich jungem Stadium getrunken, ihre Statur immer über mindestens drei Tage gehalten haben.

Ich freue mich, sollte der eine oder andere Leser die Zeit finden in den Kommentaren seine jüngsten Erfahrungen mit den GGs des Jahrgangs zu hinterlassen. Ich plane derweil die Notfallparty…