Und plötzlich Experte…

Als Blogger erhalte ich häufig Anfragen für Gastbeiträge oder Interviews, die sich bei genauerem Hinsehen leider nur als mehr oder weniger geschickter Versuch kostenloser PR oder Linkbuilding heraus stellen. Es dauerte daher ein bisschen, bis ich Begriff, was die Absenderin wollte, als ich neulich eine E-Mail von einer Agentur erhielt. Die suchte nämlich ernsthaft einen Interviewpartner zum Thema Wein. Das Medium der Veröffentlichung sollte das Unternehmensblog von Tchibo sein. Ob ich mir vorstellen könne, in der Kategorie ‚Auf einen Kaffee mit …‘ Rede und Antwort zum Thema Wein zu stehen.

Ich halte mich normalerweise bedeckt, wenn es um die Frage geht, wie klein oder groß mein Weinwissen ist. Für die Kaffeekönige sollte es wohl reichen, so mein spontaner Gedanke. Also sagte ich zu. Die Fragen, die dann kamen, hatten etwas beruhigend geerdetes. Da ist es wieder, das wahre Leben. Die Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation von Tchibo (mit Sicherheit überdurchschnittlich intelligente und genussaffine Menschen) zeigten mir, dass ich mich mittlerweile in einer eigenen kleinen Welt bewege, so sehr ich auch versuche es zu vermeiden.

Zur Feier meines ersten Interviews zog ich einen besondere Wein auf. Einen von denen,  die jahrelang im Keller liegen und eines besonderen Anlasses harren und die ich im letzten Beitrag als Deutsche Icon Wines verdenglischt habe. Es handelte sich um einen ‚Fährfels‘ Riesling aus dem Jahr 2004. Der Fährfels ist eine zerklüftete Steinformation in Trittenheim an der Mosel, inmitten der Trittenheimer Apotheke gelegen. Er wurde nie flurbereinigt und sieht nicht wie ein typischer Weingarten aus, eher als habe jemand den Azubi zum Pflanzen in den Hang geschickt und vergessen ihm zu sagen, wo der Weinberg zu Ende ist. Auf winzigen Terrassen stehen eine Hand voll Reben. Sie sind wurzelecht, über hundert Jahre alt und erbringen alle zusammen rund 1000 Flaschen Wein. Den baut das Weingut Cüsserath-Weiler zu einem feinherben Spitzenriesling aus und liefert danach die Hälfte der Flaschen im Weingut Clüsserath-Eifel ab – Erbengemeinschaft Mosel-style.

Der Wein zeigt seine ganze Pracht erst mit etlichen Jahren Flaschenreife. Ein Freund servierte mir vor 7 Jahren den gleichen Wein ohne Belüftung als Jungspund – belanglos. Doch bei dieser Flasche ging die Sonne auf.

Cluesserath_Faehrfels2004Clüsserath-Weiler & Clüsserath-Eifel, Riesling ‚Fährfels‘, 2004, Mosel. Der Wein riecht leicht süßlich, nach Aprikose und Muskat und dabei sehr cremig, keinerlei Alterstöne, nicht sehr intensiv, sehr harmonisch aber nicht spektakulär. Am Gaumen wirkt er ebenfalls leicht cremig, deutet Säure nur an, obwohl er wohl einiges davon hat – das spürt man aber eher, als dass man es schmeckt. Für einen feinherben Riesling schmeckt er ziemlich trocken, erzeugt ein volles Mundgefühl, ist leicht kreidig, hat eine tolle Phenolik/Mineralik und präsentiert sich mit fantastischer Tiefe. Aromen von mürbem Apfel, Aprikose und Malz harmonieren mit einem leichten Bitterton und einer feinen Reifenote, die sich nach zwei Stunden an der Luft einstellt. Was den Wein ausmacht, ist nicht irgendein Aromenfeuerwerk, sondern die Balance zwischen Tiefe und Leichtigkeit, zwischen lecker und Intellekt. Der Abgang ist sehr lang und der Alkohol völlig unauffällig.

Wer lesen will, was ich zum Thema Wein und Kaffee zu Protokoll gegeben habe, findet hier das Interview.