Bibergipfel

In der Gastronomie dominiert noch der Jahrgang 2010, daheim traue ich mich zunehmend an die 2007er heran – für mich als Rieslingtrinker herrschen säurereiche Zeiten. Kein Wunder, dass mein Magen mir da immer öfter zuruft: ,Mach mal cremig, Digger‘ (mein Magen und ich pflegen einen recht formlosen Umgang). Und cremige Weine sind in meinem Keller vor allem im Holzfass ausgebaute Weissweine aus Burgundersorten. Drei davon gab es in den letzten Wochen, die mich richtig glücklich gemacht haben.

Strahlender WeißburgunderDönnhoff, Weissburgunder -S-, 2007, Nahe. In der Nase wunderbar, typisch, Mandarine, Haselnuss, Holz, Nougat, cremig aber nicht zu breit oder fett. Am Gaumen mit kräftiger Säure, spürbarem Holz, schöner Frucht (Ananas, Mandarine), etwas Mineralik. Ein Weissburgunder mit viel Tiefgang, der dank der Säure straff wirkt, obwohl er reichlich Holz mitbringt. Der Abgang ist ausgesprochen lang. Stärker als 2006 aber nicht so grandios wie 2005, der allerdings auch seinesgleichen suchte. In der diesjährigen Preisliste taucht bei Dönnhoff erstmals ein Chardonnay auf neben einfachem und S-Klasse Grau- und Weissburgunder sowie dem tollen Doppelstück.. Ich hab bestellt und bin gespannt. Dönnhoff wird für mich mehr und mehr zu Deutschlands weißem Burgunderpapst, was irgendwie albern klingt, ist er doch schon Rieslingguru und kommt auch noch von der Nahe.

Schloss Proschwitz, Weißburgunder ,Drei Musketiere‘, 2005, Sachsen. Hier ist der Burgunder für mich schon eher zuhause. Aber die Herkunft gibt keinen Bonuspunkt, den gebe ich der Nase: Der Wein riecht nach Nutella und ich mag Nutella! Zusätzlich findet sich Räucherkammer, blonder Tabak, Aprikose und Birne – süß, schön aber ganz schön zugeholzt. Am Gaumen gefällt eine feine aber spürbare Säure, Aromen von Haselnuss, Mandarine, Birne, Toffee – und ganz schön viel Holz. Der Weissburgunder ist mächtig aber nicht brandig. Der Kellermeister hat der Versuchung widerstanden, den Wein aufzupumpen und so sind 13% Alkohol bestens eingebunden. Überhaupt ist in diesem Wein alles ganz wunderbar integriert und gereift. Der Abgang ist cremig, wahnsinnig lang und betont Toffee und Sahnekaramell – furchtbar lecker.

Arrowood, Grand Archer, Chardonnay, 2000, Sonoma County, Kalifornien. Ein wenig skeptisch bin ich bei den deutschen Burgundern hinsichtlich der Alterungsfähigkeit. Was ich bisher an zehn und mehr Jahre alten Weinen getrunken habe, war eher unter dem Gesichtspunkt ,für sein Alter‘ als guter Wein zu bezeichnen. Doch ähnliches hat man wohl auch mal den Kaliforniern nachgesagt, als die den Franzosen Konkurrenz machten. So lauten zumindest die Geschichten, die die Altvorderen mir überlieferten. Dieser hier ist was die Alterungsfähigkeit anbelangt längst in einer olympischen Klasse unterwegs. In der Nase Holz, Haselnuss, Aloe Vera und Quitte. Der Wein duftet noch sehr frisch wenngleich nicht mehr jugendlich. Auch am Gaumen geht‘s dynamisch zur Sache, Die Säure ist spritzig, der Wein aber vor allem cremig (!), der Alkohol liegt bei moderaten 13,5 %, was der kräftige Kalifornier locker wegsteckt. Sortentypische Aromen in harmonischem Zusammenspiel: Mandarine, Melone, Pistazie und Rauch. Der Wein hat eine kräftige Portion Holz abbekommen aber die hat er mittlerweile bestens verdaut. Der Abgang ist lang und ein wenig mineralisch. Ich finde den Wein genial und glaube, dass er noch etliche Jahre durchhalten wird. Eine Flasche habe ich noch und werde berichten, spätestens, wenn mein Magen mir beim Genuss der 2008er Rieslinge in ein paar Jahren ein ,Mach mal cremig, Digger‘ zuruft.

(Wie) kann man mit Weinbloggen seinen Lebensunterhalt verdienen?

Heute geht es hier nicht um Wein; zum ersten Mal, seit es dieses Blog gibt. Es geht ums Bloggen an sich und um einige wirtschaftliche Zusammenhänge. Ich dokumentiere damit meine Session vom Vinocamp. Wen das nicht interessiert, dem bin ich nicht böse, der kommt einfach nächste Woche wieder.

Vorweg ein Hinweis: Ich arbeite in der e-commerce-Branche bin aber mit keinem der erwähnten Unternehmen wirtschaftlich verbunden. Ich gönne jedem Neugeschäft, verlinke aber trotzdem auf keine Firma oder Website. Man findet sie alle sehr leicht über Google. Und: ich blogge aus Spaß und folge selbst keinem der hier gegebenen Ratschläge. 

Doch nun zur Sache:

Kann man mit einem Weinblog seinen Lebensunterhalt verdienen?

Die Einnahmequellen aus einem Blog sind beschränkt: Werbung, Affiliate-Provisionen sowie SEO-Gelder aus dem Verkauf von Links. Mehr gibt es eigentlich nicht – wenn wir mal von Spenden absehen.

Werbung:

,Auf meinem Weinblog tummeln sich ganz viele Menschen mit viel Geld, die alle BMW fahren und Markenklamotten tragen. Das ist für Markenartikler doch hochgradig relevant. Die müssen eigentlich alle bei mir werben.‘ So lautet die gängige Vorstellung vieler Blogger. Relevanz ist Romantik, Reichweite ist King, das ist die Realität. Online Werbung ist ein Milliardenmarkt. Große Werbetreibende platzieren in einer Kampagne Millionenbeträge, in einem Flight (das ist eine zusammenhängende Werbeperiode) sind es meist noch über Hunderttausend Euro. Abgerechnet wird nach Tausendkontaktpreis (TKP), der irgendwo im einstelligen, manchmal niedrigen zweistelligen Bereich liegt. Angenommen ein Weinblog erzielt einige Hunderttausend Pageimpressions im Monat, dann kann es für einige Hundert Euro Werbung an einen Werbetreibenden verkaufen. Dieser macht sich aber nicht die Mühe seinen sechsstelligen Werbeetat auf etliche Hundert Werbeträger zu verteilen. Das ist viel zu mühsam und die Verwaltung kostet bald mehr als die Medialeistung. Reichweite in der falschen Zielgruppen ist auch nicht zielführend, aber es gibt ausreichend Plattformen mit Reichweite und hochwertiger Zielgruppe. Da kommen Blogger nicht mit, auch weil sie nicht die nötigen Daten für die Mediaplanung liefern können. Die werden von einer Organisation namens Agof erhoben und die Mitgliedschaft ist so teuer, dass es sich für kleinere Sites nicht lohnt. Bleibt also doch nur Werbung in der Weinbranche.

Affiliate-Provisionen:

Ein lukrativer Weg der Werbung, der nicht immer aussieht wie Werbung: der Blogger meldet sich bei einem Affiliate Netzwerk wie Zanox an und sucht sich die Kampagnen und Produkte selbst aus, die er bewerben will. Bei Weinen kann er sogar noch über die Weine schreiben und direkt im Artikel zum Shop verlinken. Am Link klebt hinten ein kleiner Zusatz, der sicherstellt, dass das Blog als Kundenwerber erkannt und entlohnt wird. So lässt sich teilweise recht ordentlich verdienen. Ein gutes Beispiel findet sich auf Michael Lieberts Blog, wenn man mal nach seinen diversen Artikeln über Weine des Internetversenders Wine in Black sucht.

Restplatznetzwerke etc.

Seine Werbeplätze in Netzwerke einzubinden und sich von dort auf Erfolgsbasis bezahlen zu lassen, klingt nach leicht verdientem Geld. Es bringt aber lediglich ein paar Euro und müllt die Seite mit teils anrüchiger Werbung zu.

SEO Gelder

Tragen auch ein wenig bei, sind aber bei einem einzelnen Blog ebenfalls sehr beschränkt. Warum das so ist, ist weiter unten ein Thema.

Fazit

Beim Zusammenstellen eines Geschäftsplans für ein Blog geht es nicht darum sich die schönste Kennzahl zu suchen, und dann an ihr festzuhalten, bis einen der Gerichtsvollzieher vom Gegenteil überzeugt. Die niedrigste Zahl zählt! Ein Beispiel: Wenn ich dem Weinhandel Werbung verkaufe und als erfolgreicher Blogger unfassbare 500.000 Seitenaufrufe im Monat produziere, könnte ich mir das folgendermaßen schönrechnen: Einen Banner oben mit einem TKP von 5€ einer an der Seite (2€) drei schicke Buttons in der dritten Spalte (je 1€) macht summasummarum 10€ pro tausend Impressions oder 5000€ im Monat. Klingt nach einem erfolgreichen Geschäftsplan.

Die Kennzahl, die ich dabei außer Acht lasse ist der ARPU oder Average Revenue Per User. Nehme ich realistisch an, dass ich 10.000 ständige Leser habe (die hochaktiv sind, weil meine Kommentarspalte von Einträgen nur so platzt), dann erlöse ich 0,5€ pro Nutzer und Monat. Ich muss davon ausgehen, dass meine Werbekunden alle mit dem Verkauf von Wein Ihr Geld verdienen und bereit sind zirka 10% ihres Umsatzes in Werbung zu stecken. Somit muss jeder meiner Leser jeden Monat über die bei mir gesehene Werbung für 5€ Wein kaufen. Wissend, dass ein Drittel zwar gerne mal mitliest, aber dann doch die günstigen Weine bei Jacques Weindepot kauft und von den verbleibenden mehr als die Hälfte Wein aus Vertrauensgründen nicht online kauft (die Email-Bestellung beim bekannten Weingut zählt nicht), lande ich schnell bei schwindelerregenden Transaktionsvolumen, die meine e-commerce-affinen Leser nicht einmal, sondern Monat für Monat über meine Seite anschieben müssen – keine Chance (ich hätte auch kürzer argumentieren können: Ein Weinblog mit einem höheren ARPU als facebook, das immerhin 15% der Onlinezeit seiner Nutzer abbekommt??? Eher unwahrscheinlich…). Ich will aber nicht abstreiten, dass man ein paar Händler und Weingüter zu niedrigeren Preisen in der Seite einbinden kann und damit vielleicht die Miete bezahlt ist.

Von einem Blog kann man nicht leben. Man kann in zwei Stunden täglich ein respektables Blog aufbauen, das vielleicht die Miete zahlt. Aber der Tag ist ja noch lang…

Kann man mit Weinbloggen seinen Lebensunterhalt verdienen?

Ganz einfach wird es, wenn man mit seinem eigentlichen Blog so viel Ruhm und Ehre erwirbt, dass man als eine Art Branchenprominenter seinen Namen versilbern kann. Das funktioniert aber höchsten zwei oder drei Mal pro Branche. Dirk Würtz war der erste, der diesen Status erreicht hat, er zeigt sein Gesicht für Stern.de, moderiert Veranstaltungen auf der Prowein und gibt seinen Namen für Amazon. Da klingelt die Kasse so laut, dass man davon leben kann. Planbar ist es nur bedingt. Wein ist gerade ein hippes Thema. Ein halbes Dutzend mit Risikokapital ausgestattete Internet-Unternehmen aus der Weinbranche will werben, die großen Medien heben das Thema in die Redaktionspläne (um genau diese Umfelder für die Werbetreibenden Startups zu schaffen). Das kann eine ganze Weile so weitergehen, muss es aber nicht. Der Weinkaiser ist der zweite, der sich anschickt, sich so als Marke zu positionieren, dass er mit der Vermarktung seiner Person die Einkommenslücke zwischen Anspruch und Wirklichleit des Weinbloggens schließt. Anders als Dirk Würtz ist Ralf Kaiser vor allem als Berater in Sachen Social Media unterwegs. Gerade Ralf, der nur alle paar Wochen einen Beitrag auf seinem Blog veröffentlicht, zeigt aber deutlich: mit Weinbloggen hat das nur wenig zu tun, das Geld stammt aus anderen Tätigkeiten.

Kann man den nun vom reinen echten Bloggen leben – und wenn ja wie?

Die wichtigste Eigenschaft einer Internetseite mit kommerziellem Hintergrund ist heutzutage die Auffindbarkeit über Google. Deswegen fließt ein immer größerer Teil der Werbegelder in die Suchmaschinenoptimierung. Früher war die suchmaschinenfreundliche Gestaltung der Seite ein wichtiger Aspekt dieser Disziplin, doch dieser wird immer weiter zurückgedrängt. Die perfekte Struktur und Befüllung einer Seite machen heute noch 10% des SEO (Search Engine Optimisation) Erfolges aus. 90% hängen von externen Links ab. Beispiel gefällig? Wer einmal nach dem Englischen Wort ,here‘ oder auch dem Deutschen ,hier‘ sucht, der wird auf Platz Eins oder Zwei der Resultate die Downloadseite des Adobe Acrobat finden, obwohl das Wort ,here‘ oder ,hier‘ auf den Seiten kein einziges Mal auftaucht. Aber Millionen von Links auf unzähligen Webseiten sind halt betitelt: ,Wenn Sie keinen Adobe Reader haben, können Sie ihn hier herunterladen‘.

Also schreiben wir für unser Projekt ,Vom Bloggen leben‘ zukünftig Artikel mit vielen relevanten Keywords und platzieren mitten hinein einen Link zu jemandem, der dringend auf den Ergebnisseiten von Google nach vorne klettern will und deswegen dafür bezahlt. Leider mag Google es nicht, wenn wir unser Blog mit externen Links zupflastern, das Verhältnis Text zu Links muss stimmen. Deswegen reicht ein Blog nicht. Neben unserer bürgerlichen Fassade des geistreichen Weinblogs erschaffen wir noch eine ganze Reihe weiterer Blogs, die ich einmal Zombieblogs nennen will (ich erhebe Anspruch auf Urheberschaft). Zombieblogs liefern allgemeine Texte zu Wein (das lässt sich auf beliebige andere Branchen übertragen) und haben einen griffigen Namen und URL (unbedingt mit Worten wie Rotwein, Weisswein oder einfach Wein). Leider mag Google keinen gespiegelten Content, also müssen wir die Texte immer wieder variieren (aber nicht gänzlich neu schreiben). Wenn wir das nicht selber machen wollen, können wir auch für 5€ pro Text selbige bei der Firma Textbroker oder einem ihrer Mitbewerber bestellen. Im Gegenzug können wir uns auch selber bei Textbroker als Autor verdingen. 5€ klingt zunächst nach Hungerlohn, aber wenn wir unsere Textbausteinbibliothek perfektioniert haben, sitzen wir auch nur noch 7 Minuten an so einem Text. Außer Google soll den ja niemand lesen.

Besonders viele Texte brauchen wir auch nicht. Zwei pro Blog und Woche reichen, um den Pagerank (Googles Maß für Relevanz) auf drei oder vier zu halten. Wenn wir unsere 20 Zombieblogs gepflegt haben, ist es an der Zeit fürs Mittagessen. Danach müssen wir unsere Links auch noch verkaufen. Wie gut, dass es rund ein halbes Dutzend Agenturen gibt, die das für uns machen, beispielsweise die Berliner eFamous (wunderschöner Name für das Geschäftsmodell, finde ich). Die wollen dafür eine Provision aber wir haben den Nachmittag frei. Den können wir mit weiteren vertrieblichen Aktiviäten füllen (damit auch wirklich alle Links verkauft werden), mit lustigen Weinveranstaltungen, zu denen man uns ob unseres einen seriösen Blogs vielleicht einlädt (und auf denen wir so tun, als ob wir von diesem Blog leben könnten) oder mit wirklich zielführenden Aktivitäten wie einer Umschulung auf einen vernünftigen Job. Aber wenn man will, kann man vom Weinbloggen seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Als ich zur Welt kam, dachten die Menschen, die galoppierende Technisierung unserer Gesellschaft würde einmal dazu führen, dass Maschinen selbständig Werke zu unserer Unterhaltung produzieren. Als ich Abitur machte, philosophierte Joe Weizenbaum darüber, dass den Menschen die Arbeit ausgehen könnte, weil Maschinen fast alles erledigen. Zwanzig Jahre später gebe ich Bloggern eine Anleitung, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie Texte zur Unterhaltung einer Maschine schreiben! Soylent Green ist Menschenfleisch…

Wenn ich der VDP wäre

Weinbaupolitik und Bezeichnungsrecht sind meine Sache nicht. Ich kümmere mich gerne um den Inhalt der Weinflasche, das regulatorische und gesetzliche Drumherum interessiert mich weniger. Deswegen halte ich mich aus Diskussionen auf Facebook und in anderen Blogs zurück, sobald es sich darum dreht, ob eine Spätlese immer süß sein sollte oder das Erste Gewächs im Rheingau seinen Titel zu Unrecht trägt.

Eine Ausnahme gibt es und die ist das Marketing. Ich betreibe die Absatzförderung beruflich und kann mich für geschickte ,Verkaufe‘ auch privat begeistern.

Während der durchschnittliche Winzer der Meinung ist, man kann nur entweder guten Wein oder gutes Marketing machen, mithin einem Kollegen dann gutes Marketing attestiert, wenn er ihn beleidigen will, empfinde ich gutes Marketing als Sahnehäubchen – ein großer Tropfen verdient eine gute Story, Ausstattung und Handhabung. Diesbezüglich haben die Deutschen Winzer große Fortschritte gemacht, als sich rund zweihundert von ihnen vor gut zehn Jahren das Grosse Gewächs ausdachten.

Ein bis zwei Dutzend Spitzenwinzer (von denen die meisten auch zu den vorgenannten zweihundert gehören) setzen noch einen drauf, indem sie seltene Spitzengewächse aus kleinen Untereinheiten der den Grossen Gewächsen zugrunde liegenden Lagen produzieren oder über dem GG noch mythische trockene Auslesen positionieren. Ich habe hier gegen ,Parzellenweine‘, wie ich sie nannte, polemisiert, möchte aber Abbitte leisten – die haben eine Wirkung entfaltet, die mir Respekt abnötigt. Und weil das eine großartige Marketingleistung ist, konnte es nur eine Reaktion geben: abschaffen.

Viel wurde diskutiert über den zum Beispiel hier erläuterten Beschluss des VDP über die künftige Klassifizierung von Lagen. Ich habe keine Ahnung, ob die Einführung von klassifizierten Lagen und der Rest der Qualitätspyramide gut oder schlecht sind. Das sollen die Winzer unter sich ausmachen. Aber eines will ich seit Monaten loswerden (ich brauche immer einen passenden Wein zu einem Artikel und der kam halt erst jetzt an die Reihe). Der Beschluss des VDP sieht vor, dass es nur noch einen trockenen Spitzenwein aus den Ersten Lagen gibt und der ist das Grosse Gewächs. Da gehe ich im Geiste die Liste der ehrfurchtgebietendsten trockenen Deutschen Weine und ihrer Herkunftslagen durch. Rheingau: Künstler Hölle Auslese trocken Goldkapsel – mit diesem Beschluss verboten (weil nur noch Hölle GG), Rheinhessen: Keller G-Max und Abtserde sowie Wittmann La Borne – weg damit (weil aus irgendwelchen Parzellen in Kirchspiel, Morstein, Hubacker oder so stammend), Nahe: Emrich-Schönleber Versteigerungswein A.d.L. trocken – abgeschafft (weil aus dem Halenberg), Mosel: Heymann-Löwenstein Uhlen B, L & R, Busch Pündericher Marienburg Raffes etc. – gekillt (eine Lage – ein GG), Pfalz: Koehler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R – hinüber (,R‘ und Riesling? Nicht im VDP). Die Liste ließe sich tatsächlich fortsetzen.

Im Handstreich mäht der VDP seine Elite nieder und die stimmt auch noch auf der entsprechenden Versammlung dafür. Oh Herr, schmeiss Hirn vom Himmel.

Doch ich glaube nicht, dass es tatsächlich so kommen wird. Der VDP hat sich das Hintertürchen der ,Sonderregelungen‘ offen gelassen und sie werden geschlossen den Weg der Rheinhessischen Pharisäer (GG predigen, G-Max trinken!) beschreiten. Ich wage die Prophezeiung, dass nicht einer der genannten Weine der neuen Regelung zum Opfer fallen wird.

Wie hätte der Verband es anders machen können? Ich versuch es mal (denn Marketing ist meine Leidenschaft). Wenn ich der VDP wäre, dann hätte ich neben der dritten Lagenkategorie gleich noch eine vierte beschlossen. So wie es im Bordelais neben Premier und Grand Cru eine kleine Elite von Premier Grand Cru gibt, hätte ich auch eine rare Klassifikation erfunden. Die ,Große Lage – Historisches Terroir‘ – mithin etwas, dass es mal gegeben hat, was aber verloren ging, spätestens als anno `71 einige Tausend Lagen gestrichen wurden. Da steckt Marketing-Musik drin: die Wiederentdeckung des Alten, das Aufbäumen gegen den Amtsschimmel, das Ausselektieren des Besten und Besonderen. Und noch ein Vorteil ist nicht zu verachten: anders als das GG könnte man den Begriff ,Historisches Terroir‘ bestimmt als Marke eintragen lassen.

Dann produzierte ich eine kleine Landkarte mit Erklärungen über die Besonderheiten der Superparzellen, die Auswahl grenzte ich streng ein, die Qualitätskriterien wären selbstredend brutal. Eine eigene kleine Kommission (in der zufällig alle begüterten Winzer säßen) entschiede jedes Jahr am 1.Oktober, ob der Jahrgang der Produktion der Historischen Terroirs würdig ist. Und – da müsste manch Winzer eine Kröte schlucken – alle HT‘s (wie wir Freaks sie in kürzester Zeit abkürzten) wären Versteigerungsweine – die Auktion selbstredend ein Event der Superlative, bei dem Robert Parker demütigst um eine Eintrittskarte bettelte.

Die Auslese trocken R oder Goldkapsel kriegte ich damit nicht hin, aber was soll‘s, wir finden in den entsprechenden Lagen bestimmt eine Parzelle mit altertümlichen Namen, von der sich behaupten lässt, sie sei von jeher der Ursprung der Überweine gewesen. So macht Marketing Spass, lieber VDP!

Muss am Ende nur noch die Weinqualität stimmen, dann steht der Weltherrschaft nix mehr im Wege.

K.P. Keller, Riesling Abtserde GG, 2006, Rheinhessen. Der Wein entspricht in der Nase und am Gaumen in keiner Weise meinen Erwartungen. Das ist positiv und negativ: er ist nicht würzig oder zeigt irgendwelche anderen Anzeichen einer würdigen Kellerreife, er ist aber auch nicht unsauber, wie die meisten 2006er Rieslinge. Am Gaumen zeigt er nicht ansatzweise die Komplexität, die ich mir von einem Spitzenwein erhoffe. Er ist schnell beschrieben: In der Nase grüßt ein schöner purer Duft von reifen Aprikosen. Am Gaumen ist die Frucht reif aber klar, süß aber nicht mastig, 13% Alkohol sind gut eingebunden: Mineralik, Kräuter, Würze – samt und sonders Fehlanzeige. Aber der Stoff ist – vergessen wir für einen Moment die Weinsprache – mörderlecker! Der Abgang ist lang und fruchtig, die Versuchung die ganze Flasche an einem Abend zu trinken riesig, das schlechte Gewissen, über 50€ für die Flasche bezahlt zu haben aber auch. Aber das Marketing ist klasse!

Wie legt man einen Weinkeller an? (4/4)

Sechs Jahre ist es her, dass ich anfing, mir einen eigenen Weinkeller einzurichten. Und es wird Zeit einzugestehen, dass ich genügend Unsinn bei der Anlage gemacht habe, dass man durch bloßes Vermeiden meiner Fehler einen prima Keller hinbekommen sollte.

Zum Abschluss meiner Sammlung von Hinweisen zur Weinkeller-Einrichtung ein Tipp, wie man ein Problem umschifft, dass ich nie gehabt habe. Ob das meinen persönlichen Tugenden als Weinkellerbesitzer geschuldet ist oder doch eher einer im folgenden zu schildernden unheimlichen Begegnung der dritten Art, werde ich nie erfahren.

Ungefähr ein Jahr hatte ich bereits Flaschen in meinen noch halb leeren Keller geschichtet, als ich auf einer Weinmesse in Hamburg an den Stand des Winzers Johannes Schmitz vom Weingut Rebenhof trat um mich über dessen 2006er Kollektion zu informieren. Wie oft in ähnlichen Smalltalk-Situationen erlebt, fragte auch Herr Schmitz nach meiner persönlichen Beziehung zum Wein. Ich entgegnete, ich sei lediglich ein privater Endverbraucher, erwähnte allerdings auch, dass ich mich intensiv mit einigen Freunden über das Internet austauschte (zu jener Zeit gab es dieses Blog noch nicht, ich war Teilnehmer eines Weinforums).

Das war das Stichwort, auf das Herr Schmitz gewartet zu haben schien. Es folgte eine heftige Schimpfkanonade über diese Ignoranten im Internet, die Klugscheißer und Dummschwätzer, die wehrlose Winzer diskreditierten und alles besser wüssten. Dabei unterbrach er seine Tiraden gelegentlich um, sein Reden konterkarierend, weitere Exemplare seiner Weinkollektion in mein Glas zu schütten, ich hätte sonst die Flucht ergriffen.

Den Abschluss seiner einer großen Bühne würdigen Publikumsbeschimpfung bildete die Bemerkung, er habe solchen Menschen schon häufig Wein geliefert und sich deren zu Kathedralen hochgejazzte Keller anschauen müssen, in denen es jeden Wein der Welt und allen erdenklichen Nippes gäbe. ,Nur eines suchen Sie dort vergeblich‘ schloss er, leicht aus der Puste: ,einen Korkenzieher‘.

Als ich am Abend nach Hause kam brachte ich als erstes zwei Korkenzieher in den Keller. Seitdem öffne ich die meisten Flaschen schon unten im Keller. Es liegen auch immer ein paar abgeschnittene Kapseln und gezogene Korken in der Gegend rum. Ich packe nie alle Kartons aus und bringe auch den Müll nur unvollständig raus. Mit einer Kathedrale kann man meinen Weinkeller jedenfalls nicht verwechseln. Spätestens von Herrn Schmitz habe ich gelernt: Wein ist zum Trinken da, nicht zum Sammeln!

Auslese von Herrn Schmitz
Dank Korkverdacht im Doppelpack

Rebenhof, Ürziger Würzgarten, Riesling Auslese, 2006, Mosel. In der Nase viel reife und süße Frucht, Aprikose, Melone, Banane aber auch ein leicht fauliger Fehlton. Ich habe eine Konterflasche aufgemacht, um Kork auszuschließen. Der feine Fehlton ist bei beiden Flaschen exakt gleich und nicht dominant, den Korken will ich ausschließen. Am Gaumen ist der Wein für eine Auslese nicht sehr süß, erzeugt ein wunderbar cremiges Mundgefühl, ist mit schöner Säure und daraus resultierend schönem Spiel ausgestattet aber leidet auch unter einem deutlichen Bitterton. Der Abgang ist sehr lang aber auch nicht ganz sauber. Da war nicht nur Botrytis, sondern wohl auch einiges anderes an Fäulnis mit im Spiel – dazu gehen 10 % Alkohol an einem so süßen Wein nicht spurlos vorbei. Trotzdem kann ich dem Wein viel abgewinnen. Ich finde ihn animierend und kantig.

Irgendwie wie den Winzer …

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (4)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Drei verschiedene Große Gewächse macht das Weingut Heymann-Löwenstein aus dem Winninger Uhlen. Meine Erfahrungen der letzten Jahre veranlassten mich dazu, in den zurückliegenden GG-Kampagnen nur noch den Uhlen-R zu kaufen (2010 habe ich mir auch das geschenkt, was Berichten von Freunden zufolge ein Fehler gewesen sein könnte). Um es drastisch zu sagen: bei Uhlen-L und Uhlen-B habe ich eine ganze Menge Frösche geküsst um verhältnismäßig wenige Prinzen zu treffen. Deswegen will ich nicht verschweigen, dass der folgende ein echter Prachtprinz war:

Heymann-Löwenstein, Uhlen B, 2005, Mosel. Da präsentiert sich große Dichte in der Nase, Aprikose, Grapefruit und Apfel aber auch Walnuss, eine leicht medizinale Note und ein Rest Sponti-Stinker – trotzdem riecht das sehr sympathisch, irgendwie fröhlich auf Krawall gebürstet. Am Gaumen finde ich den Riesling ziemlich trocken für einen Löwensteinschen Uhlen, saftig, mit einigen Gerbstoffen, reifer Säure, unauffälligen 12,5% Alkohol und wiederum einer leicht nussigen Note. Dörraprikose ist die dominierende Frucht. Reichlich Würze und getrocknete Kräuter belegen das mittlerweile fortgeschrittene Alter des Weins. Mächtige Mineralik zeigt sich vor allem im sehr langen Abgang. Erinnert mich irgendwie an Weine von Kühn aus dem gleichen Jahr und ist vermutlich nicht Jedermanns Sache. Mir gefällt der Uhlen B in diesem Zustand ausnehmend gut.

Als ich das `07er Ungeheuer 2009 zum ersten Mal trank, präsentierte sich der Wein sehr vielschichtig und ich kaufte einige Flaschen nach. Stand heute wäre das nicht unbedingt nötig gewesen, aber das Bild kann sich natürlich mit weiterer Reife wandeln:

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling GG, 2007, Pfalz. Eine Klassische Pfälzer Rieslingnase, vor allem mit Aprikose und mürbem Apfel sowie allen weiteren üblichen Zutaten. Am Gaumen schön gereift und wieder sehr klassisch mit kantiger Säure, kräftiger Mineralik, süßer Frucht (obwohl sich der Wein insgesamt ziemlich trocken anfühlt), unauffälligem Alkohol (13%) und langem Abgang. Das ist Riesling pur – nicht mehr und nicht weniger.

Das Pfälzer VDP-Weingut Bernhart kenne ich nur, weil einr Händler meines Vertrauens den Spätburgunder Rädling auf seiner GG-Subskriptionsliste führt. Reflexartig ordere ich meistens eine Flasche davon. Nun habe ich erstmals eine getrunken. Meine Neugierde auf das restliche Sortiment des Gutes hat er nicht stimulieren können. Das ist zwar unfair bei nur einem gekosteten Wein aber wie ging noch ein alter Blues-Klassiker: ,So many vintners so little time…‘:

Bernhart, Spätburgunder ,Rädling‘ GG, 2005, Pfalz. In der Nase Blaubeere und Brombeere, etwas Jogurt, insgesamt fruchtig, fröhlich und nicht sehr tief. Am Gaumen besser: feines Tannin, schönes Holz, fruchtig mit den gleichen Beeren – der Rädling könnte noch mehr Konturen haben und Aromen aus dem kräutrig-fleischigen Spektrum zeigen, dann wäre er große Klasse. So ist er ein hervorragender Spätburgunder, der so eben als GG durchgeht