Die Reifeprüfung

Vor etlichen Jahren spülte mir eine kleine Hype-Welle drei Flaschen einer Spätburgunder Auslese aus dem Hause Müller-Catoir in den Keller. Über viele Jahre hatte der Kellermeister des Gutes versucht, einen guten Spätburgunder zu keltern. Da er daran immer wieder gescheitert war, beschloss man, mit der Ernte 2003 den betreffenden Weinberg zu roden. Allerdings übernahm 2002 die nächste Generation der Müller-Catoirs das Ruder und auch im Keller übernahm ein neuer Mann. Dieser kelterte den letzten Jahrgang Spätburgunder und hatte auf Anhieb mehr Glück. Was schließlich 2005 seinen Weg in die Flasche fand, wurde preisgekrönt und von der Kritik in den höchsten Tönen gelobt – schade nur, dass der Weingarten gerodet war.

Das ist die Art Geschichte, die aus Weinen Legenden macht. Der Wein musste in meinen Keller. Und ob des müden Renommees kostete der Stoff nur 14 Euro. Drei Flaschen konnte ich noch ab Gut ergattern, es seien die letzten wurde mir mitgeteilt. Eine trank ich ziemlich bald nachdem die Weine mich erreicht hatten mit meinem Vater an einem lauen Sommerabend in meinem Garten. Es war ein famoser Spätburgunder, der alles hatte, was ich von einem eher dicken Vertreter des Genres erhoffe: satte Frucht, stabile Säure, schmirgelnde Mineralik, spürbaren Holzeinsatz, Tiefe und Länge bei einer der Dichte fast widersprechenden Eleganz.

Es ist mein Fehler, dass ich bei Weinen, die Komplexität und Klasse mit noch deutlichen Spuren von Holzeinsatz und jugendlicher Frische kombinieren, stets glaube, diese Weine hätten noch ganz viel Potential. Ich neige auch dazu, dass ich mir gute Dinge immer besser Wünsche; wer mich in dieser Hinsicht gierig nennt, riskiert keineswegs meine Freundschaft. Die Hoffnung, ein Wein der besten Güte könnte mit Lagerzeit noch zu größter Klasse reifen, füllt in meinem Keller so manches Regal. Klappt nur leider nicht immer. Genau genommen geht es öfter in die Hose als es gut geht. Ich geb‘ es mir nur meist nicht zu.

Der letzte Jahrgang ohne VDP EmblemSo war es auch beim Müller-Catoir. Eine vier Jahre später getrunkene Flasche war nicht so harmonisch wie die erste. Der Wein stand eher in einzelnen Komponenten nebeneinander als das Frucht, Säure und einsetzende Reife ein harmonisches Ganzes gebildet hätten. Ich legte die letzte Flasche beiseite für sehr viel später. Dieser Tage war es dann soweit. Ich hatte Gäste und nach einer Reihe feiner Weine machte ich als Absacker für diejenigen, die noch Wein trinken mochten den Wein mit der schönen Historie auf – solche Geschichten verdienen schließlich Publikum. Leider spielte der Wein nicht mit. Er hat seinen Zenit überschritten. Er ist nicht gänzlich hinüber und er bereitet noch Vergnügen aber ich möchte meinen verlängerten Rücken zum Biss freigeben, dass ich nicht einfach mit den drei Flaschen damals eine Jungweinorgie gefeiert habe.

Müller-Catoir, Spätburgunder Auslese trocken, 2003, Pfalz. In der Nase Kirsche, Pflaume und grüne, florale Noten, dazu leichte Alterstöne. Am Gaumen feine Frucht mit Himbeere und Pflaume, dazu eine leichte Teernote, spürbares Holz, etwas grobes aber nicht störendes Tannin und leider eine nicht angenehme, vorstehende Säure und wieder grüne Noten. 14,5 % Alkohol sind hervorragend eingebunden, der Abgang ist lang aber auch etwas gezehrt.

Mein erster Latour

Ich habe mir einen Traum verwirklicht. Die vollständige Beschreibung meines Traumes geht ungefähr so: Ich möchte einmal im Leben einen in Würde gereiften Premier Grand Cru Classé aus Bordeaux trinken (genauer: Medoc, also Chateau Mouton Rothschild, Margaux, Lafite, Latour oder Haut-Brion). Dabei liegt die Betonung auf trinken, denn probiert habe ich schon mehrere dieser Weine. Bei meinem Traum geht es um eine ganze Flasche für mich und meine Frau (die kaum Rotwein trinkt und daher nicht ins Gewicht fällt). Ich habe einiges an Arbeit in diesen Traum gesteckt. Die will ich hiermit protokollieren.

Die Moral (wenigstens hier kommt erst die Moral und dann das Fressen)
Darf man einen Wein für über hundert Euro die Flasche trinken, wenn gleichzeitig hunderte Millionen Menschen nicht mal sauberes Trinkwasser haben? Ich finde, das ist eine berechtigte Frage. Meine Antwort ist ein bedingtes Ja. Menschen, die sich jeden Dienstag einen 300€-Wein aufmachen, weil Dienstags eben ,Latour-Tag‘ ist und die die angebrochene Flasche dann dem Ausguss übereignen, wenn um Mitternacht der ,Yquem-Tag‘ anbricht, wären mir vermutlich unsympathisch (so ich ihnen denn je begegnete). Aber dafür, sich als Weinliebhaber den Traum von einem der berühmtesten Weine der Welt zu verwirklichen, muss man sich nicht schämen. Mein Latour kostete deutlich weniger als viele andere Wunsch-Erfüller wie eine Fahrt im Fesselballon, Bungee-Irrsinn an berühmten Orten oder exklusive Eintrittskarten zu Festspielen in Salzburg oder Bayreuth. Es fragt ja auch niemand einen Stones-Fan, wie er bitte für ein Konzert-Ticket 150 Euro bezahlen kann, während anderswo Menschen Hunger leiden. Als Weinfreund höre ich vergleichbare Fragen häufiger.

Die Weinwahl
Schlechte Jahrgänge großer Weine werden von Kennern oder wohlhabenden Trotteln getrunken – erstere können auch in schwachen Vertretern eines Weines dessen Typizität erkennen und sich an ihr erfreuen, wofür sie bewusst in die Tasche greifen, letztere sind die Dummen, die es braucht, um den durchgeknallten Bordeaux-Markt am Leben zu erhalten. Ich bin weder das eine noch das andere, hatte mir eine Budgetobergrenze gesetzt und wollte was anständiges ins Glas bekommen. Also benötigte ich einen Wein, der von Parker nicht in unbezahlbare Sphären geschrieben, einigermaßen verfügbar und mindestens gut beleumundet war. Der Jahrgang 1989 bot sich an; ein Jahr, von dem ich im Internet gelesen hatte, dass seine Weine sich sehr gut entwickelt haben und von dem Parker selber irgendwo schrieb, er sei bei der Bewertung vielleicht ein wenig streng gewesen. Dass es Latour und nicht ein anderer Premier wurde, ist Zufall.

Die Vorbereitung
Mein Plan war alt und die Umsetzung hatte ich zunächst auf die lange Bank geschoben. Ein paar Wochen nach der Lehman-Pleite durchschritt der Sekundärmarkt für gereifte Bordeaux ein Tal der Tränen. Das war die Zeit für meinen Einkauf. 140€ bezahlte ich für meine Flasche. Zwischenzeitlich hatte sich der Preis erholt, jetzt befindet er sich aber wieder im Sturzflug. Es sollte mich nicht wundern, wenn er demnächst noch unter mein Einstandsniveau sinkt.

Die Erwartung
Meine Erwartung war ganz einfach: ,Das wird eine mittelmäßige Erfahrung‘. Das lag vor allem an meiner nicht vorhandenen Bordeaux-Affinität. Einem Vegetarier ist es ja auch egal, ob ich ihm Hals oder Lende vom Schwein serviere, es wird ihn beides nicht begeistern. Den Plan für meinen gereiften Latour fasste ich schon vor bald zehn Jahren, da war ich mir meiner mangelnden Begeisterung für bordelaiser Gewächse nicht bewusst. Der gereifte Latour würde aber auf jeden Fall meinen Horizont erweitern.

Die Durchführung
So einem Wein sollte man einen würdigen Rahmen schaffen. Ich briet Rehrücken und in der Soße verkochte ich einen halben Liter eines vernünftigen Medocs, der immerhin auch schon 12 Jahre alt war. Ich trank den Wein zunächst solo und war wenig begeistert. Das war noch weniger, als ich erwartet hatte. Meine Frau sah das anders und trank den Latour mit Vergnügen. In der Hinsicht war er also etwas besonderes. Sie versprach, genügend zum Essen übrig zu lassen und ich machte mir etwas anderes auf. Zum Reh allerdings wandelte sich das Bild. Der Wein passte so dermaßen gut zu Bambi, dass ich bei einer Blindprobe den Inhalt meines Weinkellers verwettet hätte, dass es sich um einen anderen Wein als den zuvor probierten handele.

2013-02-03 20.28.35Das Fazit
Das war ein Erlebnis, das zunächst deutlich weniger und dann deutlich mehr Punkte als die in der Literatur allenthalben zu findenden 90 bekommen hätte, wenn ich denn Punkte vergeben würde. Es war eine positive Überraschung, die mich motiviert, Bordeaux nicht ganz aus meinem Weinkanon zu verbannen. Einen gereiften Premier für einen dreistelligen Flaschenpreis werde ich mir sicher nicht noch einmal zulegen, Anlass zur Reue sehe ich aber keinen.

Chateau Latour, Grand Vin de Chateau Latour, 1989, Premier Grand Cru Classé, Paulliac, Bordeaux. In der Nase Johannisbeere, Holz und Viehstall, alles nicht sehr intensiv aber sehr angenehm. Am Gaumen ist der Wein zunächst etwas langweilig, als Begleiter zum Rehrücken spielt er allerdings groß auf: viel süße Frucht, vor allem Johannisbeere, etwas Kirsche, die Säure verleiht Frische, das Tannin ist fein und gereift, trotzdem griffig, wirkt auch im sehr langen Abgang noch nach. Der Alkohol ist mit 12,5% sehr moderat. Der Wein hat eine tolle Struktur: voll und intensiv ohne schwer oder dick zu sein.

Gran Reserva

Carsten Sebastian Henn, stellvertretender Chefredakteur des Gault Millau, hat einen neuen Krimi geschrieben, einen Weinkrimi. Weinkrimis machen mir Angst, wie alle Themenkrimis (Golfkrimis, Kochkrimis etc.). Zu häufig erhoffen sich schwache Krimiautoren, dass sie nur die Hobby-Neigungen einer Zielgruppe in ihren Plot einbauen müssten, dann verzeihe ihnen die entzückte Hobbyistenschar dramaturgische Defizite. Dazu verkaufen sich solche Bücher prima als Geschenk, weil Weinfreunde (Golfspieler, Hobbyköche) meist als solche bekannt sind und Freunde diese Art von Krimi als ideales Geschenk betrachten.

Ich hatte also Manschetten, als ich ,Gran Reserva‘, so heißt Henns neuestes Werk, in Händen hielt. Sein Verlag Piper hatte mich freundlicherweise bemustert. Glücklicherweise ist Henn ein Krimiautor mit Weinfimmel, kein Weinautor, der zur Aufbesserung der Urlaubskasse schlechte Krimis schreibt. Die Handlung lebt nicht in erster Linie von Wein oder Geschichten rund um seine Produktion.

Die Story: Max ist Fotograf, erfolgreich aber gelangweilt, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und fest entschlossen, aus seinem Alltag auszubrechen. Er verlässt seine Heimatstadt Köln in Richtung Rioja, um bei einem alten Studienfreund unterzuschlüpfen. Dort angekommen trinkt er Wein, besucht die Bodegas Faustino, verliebt sich, stolpert zufällig über eine Leiche, hilft bei deren Beseitigung, trinkt mehr Wein, übersteht allerlei Irrungen und Wirrungen, trinkt noch mehr Wein, findet eine weitere Leiche, trinkt sehr viel Wein und sieht am Ende doch erstaunlich klar.
Wie bei jedem guten Krimi schadet es nur, vorher zu viel über die Handlung zu wissen. Also konzentrieren wir uns auf die wesentlichen Fragen:

Ist das Buch spannend?
Durchaus. Es erzeugt vielleicht nicht die Art von Spannung, die einen vor dem Schlafengehen nachschauen lässt, ob die Haustür verschlossen ist, aber es ist ja auch ein klassischer Krimi, kein Thriller. Bis spät in die Nacht lesen will man allemal.

Sind die Charaktere gut gezeichnet?
Unbedingt. Bei den handelnden Personen kommt Henns Buch nicht ohne Klischees aus. Das stört aber nicht, denn es sind fröhliche Klischees: der Spanier ist ein Womanizer und Chaot, der Amerikaner bemisst den Wein in Dollar und Punkten, der alte Mann ist sentimental, die Frau emanzipiert und feurig, der Protagonist auf Sinnsuche.

Liest sich der Krimi flüssig?
Definitiv. Henn hat einen ausgesprochen angenehmen und gut zu lesenden Schreibstil: Klare Sprache, kurze Sätze, eine Portion Humor und Distanz zu seinen Helden. Beschreibungen von Land, Leuten und Weinen erzeugen Atmosphäre, ohne den Erzählfluss ins Stocken zu bringen.

Geht‘s denn arg viel um Wein?
Entwarnung. Jedem Kapitel ist ein kleiner Exkurs vorangestellt, der einen historischen Jahrgang der Rioja beschreibt. Der Bezug zur Handlung ist nicht ersichtlich aber die Zeit, die das Lesen in Anspruch nimmt, ist überschaubar. Der Rest des Textes kann des Autors Liebe zum Wein nicht verhehlen, so weinlastig, dass es nervt, wird es aber nie.

Wie schaut‘s mit dem Ende aus?
Durchwachsen. Die Königsdisziplin – Henn meistert sie, wenngleich nicht mit Bravour. Seine Herangehensweise ist Old School, Hommage an die British Crime Ladies, denn in der Schlussszene finden sich alle im Laufe der Handlung aufgetauchten Charaktere überraschend an einem Ort ein. Der Showdown erinnert derart an Agatha Christie oder Dorothy Sayers, dass ich dachte, jeden Moment kämen Hercule Poirot und Lord Peter Wimsey Arm in Arm hinter den Barriquefässern der Bodega hervor.  Die Handlung erfährt eine bodenständige Auflösung.

Bleiben Fragen offen?
Eine. Warum heißt es die Rioja? Genus feminin bei Landschaften ist so selten. Ich hatte mir erhofft, aus diesem Buch zu lernen, warum die Rioja weiblich ist. Die Herkunft (Rio Oja) wird zwar erklärt, aber das steht auch in Wikipedia

Da liegt zusammen, was zusammen gehört.Und was trinkt man dazu?
Rioja natürlich. Am besten Gran Reserva. Wenn man so was nicht hat, entweder eine Nummer kleiner oder größer. Ich hatte noch einen neumodischen Angeberwein aus der Rioja im Keller. Die Notiz ist etwas verkürzt, ich habe mich schließlich auf das Buch konzentriert.
Telmo Rodriguez, Altos de Lanzaga, 2003, Rioja, Spanien. In der Nase edel: der Wein riecht nach Kirsche, Zigarrenkiste, Alkohol und Lakritz. Am Gaumen begeistert er mit toller Struktur und herrlichen Aromen: Holz, Schokolade und Kirsche (und ja, das erinnert sehr an Mon Chéri), sehr feines Tannin, kräftige Säure (trotz des heißen Jahres). Der Abgang währt ewig. Ich bin hin und weg: wahnsinnig guter Wein!

Neben unterhaltsamer Lektüre war Henns Buch auch rechtzeitiger Anlass diesen Wein zu trinken, der wunderbar gereift und vielleicht jetzt auf dem Höhepunkt ist. ,Gran Reserva‘ hat sich also doppelt gelohnt.

Carsten Sebastian Henn, Gran Reserva, Piper, 2012, Deutschland. Im Antrunk feine Noten von Mord und Totschlag. Der komplexe Mittelbau ist voluminös, ohne fett zu sein, glänzt mit straffer Federführung und einem bunten Strauß an falschen Fährten. Der Abgang ist im besten Sinne klassisch, wenngleich den Fan rasanter Action die zarten Noten von Talkumpuder stören könnte – mich nicht, ich fand ihn lecker.

Der Gipfel der Anmaßung

Seit ich ein Weinblog schreibe, bin ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, was wohl zum Schreiben eines Weinblogs befähigt. Eigentlich ist es ziemlich anmaßend, sich öffentlich zu Wein äußern zu wollen, bloß weil man gern und regelmäßig welchen trinkt. Diesem Prinzip folgend, könnte man auch beim ZDF anrufen und einen Platz im literarischen Quartett einfordern, bloß weil man gerne liest.

Da das mit dem Weinbloggen mittlerweile niemanden mehr aufregt, dachte ich mir im Dezember, ich könnte Spannung in mein Leben bringen und genau das tun: unter die Literaturkritiker gehen mit keinerlei Qualifikation als meiner Fähigkeit zu lesen. Um die Hybris ein wenig weiter zu treiben, tat ich etwas, was ich bei Wein noch niemals getan habe: ich bestellte mir ein kostenloses Rezensionsexemplar mit dem Hinweis auf eine Besprechung in diesem Blog (meine Reichweite habe ich verschwiegen, hätte nur die Chancen tatsächlicher Bemusterung ruiniert). Dass ich die Bestellung überhaupt aufgeben konnte, lag daran, dass das fragliche Buch entfernt mit Wein zu tun hat. Es handelt sich um Carsten Sebastian Henns neuen Roman ,Gran Reserva‘ – einen Weinkrimi. Er spielt, wie Experten schon erraten haben, in der Rioja, Heimat des Gran Reserva.

Ich hatte mir das alles ganz einfach vorgestellt. Ich hole mir einen Gran Reserva aus dem Keller, lese den Krimi, mache mir ein paar Notizen und schreibe dann eine beschwingte Kritik. Aber es kam natürlich anders. Mein Kellerbuch verzeichnet im Kapitel Spanien ganze vier Weine und keiner ist ein Gran Reserva. Es war auch nur einer aus der Rioja da und an einem Abend würde ich den Wälzer niemals durchlesen. Also galt es, die Lektüre mit einer Annäherung an einen Gran Reserva zu beginnen. Ich wählte einen ziemlich alten Cabernet aus Kalifornien – ist ja fast das gleiche. Ähnlich kompetent mutete an, was ich mir als Notizen zum Krimi machte. Aber aus der Nummer komm ich nicht mehr raus. Also teile ich meinen Bericht in zwei Hälften. Dieser erste Teil schildert die Entstehung und Begleitumstände meiner Literaturkritik. Er ist nur für Eingeweihte, Stammleser, quasi eine vorweg genommene Entschuldigung, also bitte nicht bei facebook teilen oder gar twittern. Zum zweiten Teil, den ich hochseriös verfassen werde, sobald ich meine nervösen Zuckungen in den Griff kriege, werde ich den Link dann auch an den Verlag schicken, in der Hoffnung, dass die Printheinis keine Ahnung haben, wie man durch ein Blog navigiert oder schlicht zu beschäftigt sind, mehr als die Headline zu lesen. Soviel sei aber schon an dieser Stelle verraten: Ich habe Henns Weinkrimi sehr genossen, genau wie den kalifornischen Gran Reserva.

Hätte man auch mal abstauben können, bevor man ihn fotografiertRobert Mondavi, Oakville, Cabernet Sauvignon 1999, Napa Valley, Kalifornien. In der Nase   dominieren schwarze Johannisbeere und Holz, es riecht aber auch ein wenig nach einem Spaziergang im Viehstall. Am Gaumen ist der Wein sehr von süßer Frucht dominiert: Johannisbeere oder Cassis, wie man in der Weinwelt lieber sagt (warum eigentlich?). Dazu ein Eindruck von Bleistiftspäne und sehr feines Tannin, das nur ein bisschen schmirgelt. Der Wein ist zwar enorm fruchtig aber nicht übertrieben dick oder gar marmeladig, eher mit kühler Aromatik und feiner Note von Menthol. 14% Alkohol sind nicht einmal zu erahnen. Ich finde den Oakville sehr elegant und das Tannin verleiht ihm eine sehr noble Struktur. Der Abgang ist sehr lang und leicht adstringierend. So mag sogar ich Cabernet – ein ausgesprochen guter Wein.

Gute Vorsätze (2)

Meine weiteren ,guten Vorsätze‘ zum neuen Jahr sind profan und beziehen sich allesamt auf das Kaufen oder Trinken von Wein. Bevor ich meinen Schlachtplan darlege, will ich daher noch meinem Vorsatz folgen, meinen Beitrag zur besseren Blogvernetzung zu leisten und ein weiteres Blog vorstellen. Eher zufällig bin ich diese Woche über Schumanns Weinblog gestolpert. Es besteht seit Mai 2012 und wird von Christian Schumann und Alex Schilling geschrieben. Ich fand es lesenswert und empfehle es hiermit zur gefälligen Kenntnisnahme (oder etwas direkter: los, hin da!)

Ich werde dieses Jahr ganz viele Riesling GGs aus dem Jahrgang 2007 probieren. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Denn was ich so lesen konnte in Blogs und auf Facebook, gehen die Meinungen über diesen Jahrgang weit auseinander. Von vorzeitig verschieden bis ganz toll reichte das Spektrum der Ansichten. Ich fand die mittleren Qualitäten, die ich in den letzten 12 Monaten getrunken habe, aufregend bis großartig. Ein zum Jahresende getrunkenes Pfälzer GG lies mich etwas ratlos zurück.

Karl Schäfer, Forster Pechstein, Riesling Grosses Gewächs, 2007, Pfalz. In der Nase würzig und mit einem deutlichen Reifeton, gleichzeitig süße Frucht, vollreife Aprikose und Honig wie bei einer Beerenauslese. Die Nase deutet mit etwas Luft auf einen kräftigen Schuss Botrytis im Wein hin, am Gaumen findet sich davon aber nur wenig. Der Riesling schmeckt sehr trocken, ist voluminös und wird von Aprikose, Grapefruit und Kräuteraromen (Thymian) dominiert. Nach hinten raus ist er karg, kalkig und auf angenehme Art streng: er kratzt ein bisschen, ist leicht alkoholisch (13,5%) und druckvoll. Auf die Dauer macht er satt aber ich finde, man muss nicht von jedem Wein eine ganze Flasche trinken können. Der Pechstein ist ein Alleinunterhalter, den man vielleicht nicht den ganzen Abend auf der Bühne sehen will, dessen Auftritt in der Nummernrevue aber zu den Höhepunkten zählt. Sehr langer, voller, lauter Abgang. Zugabe nicht nötig, Publikum erschöpft aber glücklich!

Ich habe ziemlich viele verschiedene GGs aus 2007 im Keller und wohne jetzt in der Stadt mit der schönsten Weinkultur in Deutschland, da sollte es mir wohl gelingen, eine Probentruppe zusammen zu stellen mit der ich die Frage nach der Jahrgangsgüte ausführlich erörtern kann. Ich freu‘ mich drauf.

Neben dem Verbrauchen ist auch die Anschaffung regelmäßiger Gegenstand meiner Neujahrsvorsätze. Klar, ich will weniger kaufen, eigentlich gar nichts mehr – aber das geht nicht so ohne Weiteres. Also kanalisiere ich meine Gelüste, da ich sie damit besser im Zaum halten kann. Neben den Weinen, die ich jedes Jahr kaufe und ein paar GGs aus den vermutlich sehr interessanten Jahrgängen 2012 (Riesling) und 2011 (Spätburgunder, hier erwarte ich mir eine Menge) will ich mich dieses Jahr auf die Suche nach exotischem machen. Den Entschluss fasste ich spontan in den letzten Wochen des alten Jahres beim Genuss eines Weines.

Knipser_Chardonnay_4SterneKnipser, Chardonnay trocken ****, 2003, Pfalz. In der Nase etwas spritig, dazu käsig, deutliches Holz, Mandarine, Litschi und Haselnuss. Am Gaumen ist der Wein am ersten Tag wahnsinnig süß – wenn nicht trocken auf dem Etikett stünde, könnte man meinen, man habe es mit einer süßen Auslese zu tun. Ein Teil der Süße stammt sicher vom Alkohol, der mit 14% eine tragende Rolle spielt. Die andere Säule, auf der der Wein ruht, ist der Barriqueausbau, der Vanille und Raucharomen beisteuert, die cremige Textur mit sich bringt und dem Wein einen deutlichen Stempel aufdrückt. Aber der Wein ist nicht beerdigt unter Holz und Alkohol: Aromen von Mandarine, Haselnuss, Birne, Speck und ein Hauch feines Tannin halten munter mit – ich finde den Wein sehr lebendig. Der Abgang ist lang und voll. Ich bin nicht restlos begeistert aber sehr angetan.

Chardonnay aus Deutschland kann klasse sein und 2011 war vermutlich ein Jahr, das guten Chardonnay ermöglichte. Die gehobenen Produkte dürften dieses Jahr in den Verkauf gelangen und ich will versuchen, mehr deutschen Chardonnay zu probieren und zu kaufen. Denn so wie ich trotz Raute im Herzen nicht auf die Zweite aus der Neustadt schimpfen mag, bin ich trotz Riesling-Liebe kein ABC-Trinker.

Den letzten Satz muss man vermutlich übersetzen: Ich bin seit kleinauf HSV-Fan, hege aber nicht den typischen Groll gegen den FC St. Pauli (bevor in Gau-Odernheim oder anderswo jetzt Missverständnisse auftreten: Bei ,was ist grün und stinkt nach Fisch?‘ singe ich selbstverständlich lautstark mit); zum zweiten Teil: ABC steht für ,Anything but Chardonnay‘ und ist lifestyliger Hipsterquatsch für und von Menschen, die meinen, man könne ein tollerer Typ als der Nachbar sein, wenn man irgendwelche Rebsorten gut oder doof findet – not my cup of tea, um es mit anderem lifestyligem Hipsterquatsch auszudrücken.