Eberbach Riesling Symposium #irs2017

Außenseiter vor!

Ich hatte gestern die Möglichkeit bei einer großen Verkostung im Rahmen des Internationalen Riesling Symposiums auf Kloster Eberbach 31 Riesling-GGs jüngerer Jahrgänge zu verkosten. Das war eine derart vergnügliche Angelegenheit, dass ich die eher rudimentären Verkostungseindrücke veröffentlichen möchte.

Ein paar Anmerkungen zum Aufbau: Die Probe stand eigentlich unter dem Motto ‚Great Rieslings and its terroir – Contemplations on the importance of origin and the winemaker’s signature‘ was ich mal zu Herkunft versus Machart vereinfache. Da Kurator und Moderator Stephan Reinhardt kurzfristig absagte, blieb eine GG-Probe mit spontaner Ersatzmoderation. Das ermöglichte es mir konzentriert zu verkosten, immer im (erfolgreichen) Versuch schneller als die Moderatoren auf dem Podium zu sein und dadurch blind zu probieren. Die Weinliste lag zwar am Platz, doch die hatte ich weggelegt. Beim Einschenken schaute ich bewusst auf meine Notizen um keine Etiketten zu erkennen. Es gab allerdings die Ansage, die Weine seien absteigend nach Jahrgang und innerhalb des Jahrgangs aufsteigend nach ‚Schwere‘ sortiert, wodurch zumindest nahe lag, dass die Mosel-GGs aus 2015 den Anfang machen würden.

Los geht’s an der Mosel

Der erste Wein hatte eine ganz straffe Nase und auch am Gaumen reichlich Schwefel, aber eine schöne Frucht, tolle Säure und Potential für ein die Schwefeldosis rechtfertigendes, langes Leben: ein toller Scharzhofberg von van Volxem. Der von Hövel aus gleicher Lage war ganz anders, aber nicht schlechter: wärmere Frucht, reifere Säure, weniger Intensität, aber komplex. Den würde ich früher trinken. Der Herrenberg von Grünhaus ist ein Schmeichler mit dezenten Anklängen von Bratapfel, Malz und wundervoll weicher Säure. Etwas unruhig kam Haags Juffer daher: reife Frucht und Würze in der Nase weckten Botrytisverdacht, der Gaumen ist mir im Moment etwas zu cremig, doch die feine Phenolik im Abgang nähert Hoffnung, dass das mit Reife schön wird. Noch viel cremiger, fast burgundisch, mutet der Saarfeilser vom St. Urbans-Hof an. Dazu der gefühlt süßeste Wein des Feldes bisher, ein komplexer Wein für Menschen, die es gerne etwas zahmer mögen. Schräg aber richtig gut: Grans-Fassian! Einerseits lockt die Apotheke mit feinster Mosel-Frucht (aus der Aprikosenkiste), andererseits fächert er am Gaumen zu echtem Barock auf, um im langen phenolischen Abgang dann spielerisch zu seinen Wurzeln zurückzufinden – ist leichter zu trinken als zu beschreiben. Ein kleiner Stinker und darunter eine enorm lagentypische Nase (was ich natürlich erst nach dem Aufdecken wusste) findet sich beim Altenberg von Von Othegraven. Im Kontext extrem trocken und mit feinster Mineralik/Phenolik. Das hat Klasse.

Mit dem Rheingau im Reinen

Eine Nummer kleiner ist immer noch ein würdiges GG und das legt der Prinz von Hessen mit dem Klaus vor. Ein bisschen Grapefruit, ordentlich Zug, feiner Abgang – die ideale Überleitung in den Rheingau. Dann wird’s bunt. Extremer Stinker in der Nase, leichte Orange-Wein-Aromatik am Gaumen, cremig, aber mit zackiger Säure, das kann nur Ress‘ Berg Rottland sein. Manchen ist das zu krass, stilistisch kein GG. Klar, darüber sollten wir diskutieren. Ihr dürft dann reden, ich trink derweil die Flasche leer. Der nächste Wein findet ideale Bedingungen vor, denn der extreme Ress unterstreicht die reduzierte Machart des Diefenhardt’schen Langenbergs: tolle Frucht, straff und pur mit Zug zum Tor und beeindruckender Klarheit. Der Österreicher neben mir googelt spontan das Weingut… Wegelers Rothenberg ist mir ein paar Gramm zu üppig, sonst wäre er ganz groß, allein schon ob dieses tiefen, leicht rauchigen Abgangs.

Letztes Jahr bei der Premiere habe ich Flicks Königin Victoriaberg zum Liebling erklärt. Beim Wiedersehen stelle ich fest, dass der Wein schneller reift, als ich gedacht hätte. Wunderbar blumige Nase, große Tiefe, aber in der Aromatik etwas wärmer und schmeichelnder als vor zehn Monaten. Wer sich von mir zum Kauf einiger Flaschen verführen hat lassen, sollte jetzt eine aufmachen.

Schießen auf bewegliche Ziele

Gunderlochs Pettenthal ist auch so ein auf’s Wesentliche reduzierter, straffer Kamerad wie der Langenberg. Den legen wir besser noch eine Weile in den Keller. Groebes Kirchspiel ist ihm aromatisch ähnlich, aber etwas süßer, weniger puristisch, leichter verständlich. Winters Kloppberg strebt im Eiltempo der Trinkreife entgegen, was in meinen Augen kein Makel ist, denn der Wein ist jetzt würzig und komplex. Der nächste Wein präsentiert sich dekonstruiert: eine pompöse Frucht baut sich auf, zum Rest des Weines fehlt der Spannungsbogen und dann endet das ganze in einem kurzen Finish. Bei anderen würde ich den Daumen senken, aber ich habe schon so viel Morstein in allen möglichen Entwicklungsphasen im Glas gehabt, dass ich zuversichtlich bin, auch dieser Wittmann wird seine Mitte wiederfinden. Potential zur Legende hat er indes nicht.

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Dann kommen die Pfälzer, und wie! Am Anfang ein sehr tiefer, verschlossener Wein mit phantastischer Struktur und vermutlich Potential zur Weltklasse, danach dann einer mit Frucht und Zug, enormer Länge und einem kleinen Bitterl, dass sofort den nächsten Schluck verlangt – süchtig machend. Das sind zwei große Weine, zu denen sich ein gelungener Wonneproppen mit Malz und Speck und dunkler Mineralik/Phenolik gesellt. Der letzte im Bunde ist Pfälzer Barock mit Schliff und Präzision, das muss Mosbacher sein!

Blindproben. Demut. You know? Die ersten beiden Pfälzer stammen aus Württemberg, Dautels Steingrüben ist die Wette auf die Zukunft, Haidles Pulvermächer die Glückseligkeit im Hier und Jetzt. Immerhin, der Wonneproppen ist Kuhns Saumagen, mein vermeintlicher Mosbacher hingegen Dr. Hegers famoser Schlossberg. Was für ein Finale der 2015er.

2014 im Quartett

Wagner-Stempels Höllberg aus 2014 zeigt eine schöne Zitrusfrucht, die mir derzeit eine Spur zu süß ist, endet dann mit Tiefe und Länge – würde ich gerne mit zwei Stunden Luft probieren. Bei Schloss Vollrads 2014er besticht die Textur, die Saftigkeit, aber auch der wirkt derzeit etwas süßlich. Die ultimative Steigerung dann in der Nase des nächsten. Hat da jemand versehentlich eine süße Auslese eingeschenkt? Das ist Honig pur, am Gaumen aber staubtrocken, dazu ziemlich üppig, komplex, burgundisch. Kann man sich drauf einlassen und wenn man das tut, kann man sich begeistern – es ist Kühns Doosberg. Ebenfalls eine süße Nase, aber aus der Kategorie blitzsaubere Frucht, dann am Gaumen ein tolles, rundes Paket aus Opulenz und feinnerviger Säure – der Mauerberg von Schloss Neuweier präsentiert sich mitreißend.

Die 2013er leitete der Nussbrunnen vom Weingut Georg Müller Stiftung ein. Sehr saftig, viel Frucht, der schmeißt sich ran – wer hätte gedacht, dass Weine dieses Jahrgangs einmal ‚sexy‘ werden. Zum Glück habe ich immer gesagt, es brauche zwei Jahre, um verbindliche Aussagen über den Jahrgang zu treffen. Und 2013 entwickelt sich jetzt grandios. F.B.Schönlebers Nussbrunnen ist am Gaumen ebenfalls weicher geworden, hat sich im Abgang aber Ecken und Kanten bewahrt. Weils Gräfenberg hat Saft und dieses animierende Bittertönchen, dass mir das Ausspucken so schwer macht. Der Wein wird groß. Buhls Pechstein vermutlich auch, beschreitet den Weg aber auf leisen Sohlen: jetzt sehr verhalten. Wirschings Julius-Echter-Berg finde ich einerseits perfekt balanciert, andererseits aromatisch unruhig. Wiedervorlage mit mehr Zeit und Luft. Loosens Würzgarten demonstriert, dass 2012 ein eigentlich warmes Jahr war, dessen GGs jetzt ein bisschen in die Breite gehen, wenngleich der Abgang mit epischer Länge beeindruckt. Den Schlusspunkt setzt ein Kallmuth von Fürst Löwenstein, den ich gerne mit nach draußen genommen und irgendwo im Schatten restlos geleert hätte: fein, balanciert, richtig gut.

Favoriten Riesling Verkostung

Zufällig kleine Namen

Ich habe ein System, bei dem ich mir mit sehr spontanen Ausrufezeichen auf dem Verkostungszettel markiere, welche Weine mich auf der Ebene des Unterbewusstseins so berühren, dass ich sie zu Favoriten erklären möchte. In diesem System liegen tatsächlich die Weine von Diefenhardt, Haidle und Schloss Neuweier vorne, was mich überrascht hat. Auch in den Top-5 kommt mit Weil nur ein Blue-Chip dazu (Dautel komplettiert das Feld). Aber aus der Beschreibung geht vielleicht hervor, dass sich dahinter keine Kritik an den Weinen der großen Namen verbirgt. Die würde ich offen formulieren.

Aber dazu bot diese hochwertige Verkostung keinen Anlass.

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