Essigproduktion bei Steffens-Keß

Ausflug an die Mosel (1)

Ich war an der Mosel, Weingüter besuchen. Das mache ich seit neun Jahren regelmäßig. Dieses Jahr stellte ich die Reise unter ein Motto: ‚Neues und Liegengebliebenes‘. Ich wollte Güter besuchen, die ich schon lange auf dem Zettel aber nie geschafft hatte und ich wollte Neues entdecken. Fünf Weingüter hatten sich entlang dieser Kriterien auf meiner Liste eingefunden. Zwei fielen in die Kategorie ‚längst überfällig‘ eines in die Kategorie ‚selten genanntes Traditionsweingut‘ und zwei waren so etwas wie Geheimtipps. Wenn das jetzt so klingt, als hätte ich mit einem Auge auf mein Blog geschielt, als ich die Ziele zusammenstellte – stimmt; nach all den Jahrgangspräsentationen und Homestories dieses Jahr wollte ich mich mal als Trüffelschwein für meine Leser versuchen. Ich bin fündig geworden.

Mein erstes Ziel war das Bio-Weingut Steffens-Keß in Reil. Harald Steffens ist nicht nur Winzer, er ist auch Bloggerkollege. Seine ‚Bildergeschichten aus dem Weingut‘ zieren seit 5 Jahren die Blogroll meines Blogs und seit drei Jahren kennen wir uns auch persönlich, treffen uns regelmäßig auf dem Barcamp der Online-Weinszene, dem VinoCamp in Geisenheim. Seine Weine kannte ich bis dato gar nicht. Das Weingut beliefert zu 80 Prozent Privatkunden, die eher über die Bio-Schiene kommen; dazu finden sich die Weine in einigen Bio-Märkten wie der LPG in Berlin. Auf klassischen Weinmessen ist das Gut nicht vertreten und in der Szene der Weinfreaks tauchen die Rieslinge nicht auf – vielleicht weil sie mit Preisen von 6,70 bis 10,40 Euro einfach zu günstig sind, um bei denen ernstgenommen zu werden.

Über Harald und sein Weingut weiß man vieles, denn die ‚Bildergeschichten‘ bieten einen interessanten Blick hinter die Kulissen eines Bio-Betriebes. Einige Berühmtheit erlangte sein Hochwasservideo 2011, seine Essigproduktion und der ‚Mosto Cotto’, ein Traubenmostkonzentrat für die feine Küche, genießen ebenfalls Anerkennung. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Harald extrem auf die Gärnebenprodukte von Weinen aus Spontangärung reagiert – mit heftigen Kopfschmerzen. Zu beobachten ist das regelmäßig auf dem VinoCamp, wo naturgemäß viele Freakweine auf den Tisch kommen. Harald drückt sich vor keiner Probe und man kann ihm dabei zusehen, wie ihm der Schädel zu Brummen anfängt. Als ich ihn im Juni fragte, wie er denn als Biowinzer damit zurecht käme, klärte er mich auf: Bioweine sind nicht zwangsweise spontan vergoren. Im Weingut Steffens-Keß wird entsprechend ausschließlich mit Reinzuchthefen gearbeitet. Das verstärkte meine Neugier auf die Weine und für mich war klar, mein nächster Moseltrip führt mich zu Harald.

Das Weingut Steffens-Keß wirtschaftet seit über 30 Jahren ökologisch, ist Gründungsmitglied von EcoVin, für die Harald auch dem Regionalverband Mosel-Saar-Ahr vorsteht. Den Keller verantwortet der Winzer selbst, im Weinberg helfen Saisonkräfte – ein typischer Familienbetrieb eben. Begütert sind Harald Steffens und Marita Keß in der Reiler Goldlay, dem Burger Wendelstück und dem Burger Hahnenschrittchen, alles keine Hänge von Weltruf aber klassische Schiefer-Steillagen. Die Abwesenheit von international bekannten Spitzenbetrieben im Dorf – Melsheimer ist vermutlich der bekannteste Reiler Betrieb – trägt dazu bei, dass Mosel-Weinfreak-Tourer auf dem Weg von Pünderich nach Enkirch Reil gerne rechts liegen lassen. Dabei ist das Weingut ein unbedingt lohnenswertes Ziel – nicht nur wegen der extrem schmucken Hofanlage.

Reinzuchthefen unterschiedlicher Gärstärke

Steffens hat sich auf die Fahne geschrieben mit dem Mythos aufzuräumen, dass Wein dadurch entsteht, dass man Trauben auspresst und den Saft drei Monate in eine Ecke stellt. Wie sein Winzerblogger-Kollege Bernhard Fiedler ist er Verfechter des ‚gläsernen Weins‘, macht aus den einzelnen Behandlungsschritten seiner Weine kein Geheimnis und war auch der erste Winzer, der einfach mal seine Reinzuchthefen auf den Tisch stellt und erklärt, welche wann zum Einsatz kommt und wie sie sich auf das Produkt auswirken – Fotogenehmigung inklusive. Ein Besuch bei Harald ist der garantiert winzerlateinfreie Vormittag, den man sich als Kunde so sehr wünscht – und den man so selten erleben darf.

Der Jahrgang 2013 erbrachte auch an der Mittelmosel Mini-Ernten, daher probierten wir nur wenige 2013er; der Großteil ist ausverkauft. Aus 2011 und 2012 gab es noch Restmengen und so konnte ich mir ein Bild über Teile von drei Jahrgängen machen. Allen Weinen des Weingutes Steffens-Keß ist eine große Klarheit gemein. Mag sich der Bio-Winzer im Weinberg selbst verwirklichen, im Keller stellt er eindeutig den Konsumenten in den Mittelpunkt: die Weine sind unkompliziert im besten Sinne. Frucht, Säure, Frische (auch bei den leicht gereiften 2011ern) sind die wichtigsten Eigenschaften der Rieslinge. Sie wollen getrunken werden, saufen geht auch, analysieren muss hingegen nicht sein. Auch als Weinblogger mit Lust auf Experimente und ausgefallene Weine kann ich diesem Ansatz etwas abgewinnen, denn einfach zu verstehen und banal sind zwei verschiedene Dinge, die nur durch die Ideologie-Brille zu einer Einheit verschwimmen.

Burger Hahnenschrittchen Riesling trocken von Steffens-KeßSteffens-Keß, Burger Hahnenschrittchen, Riesling trocken, 2012, Mosel. In der Nase ein ganz klassischer Riesling mit Apfel, Aprikose und etwas Hefe. Am Gaumen richtig trocken, mit pikanter Säure, wiederum viel Frucht, die aber ohne Zuckerschwänzchen daherkommt. Der Wein zeigt mittleres Volumen, ist saftig, leicht, klar und nicht besonders druckvoll – wie man es von einem Wein dieser Gewichts- und Preisklasse (€6,70) erwartet. 11,5 Volumenprozent sorgen für reueloses Vergnügen. Der Abgang ist verhältnismäßig lang, leicht mineralisch/phenolisch und fruchtig. Wenn ich das Erlebnis mit einem einfachen Wort zusammenfassen sollte, würde ich mich bei diesem Wein nicht für ‚lecker‘ entscheiden, sonder für ‚angenehm‘ – wenn Sie wissen, was ich meine.

Harald gab mir auch ein kleines Interview zum Thema Bio-Wein. Zu hören ist es in meiner Sendung auf kochblogradio.de heute um 18.00 Uhr und Sonntag zur gleichen Zeit in der Wiederholung.

Ein Gedanke zu „Ausflug an die Mosel (1)“

  1. Hallo Felix, da bin ich aber mal gespannt, wen du noch besucht hast 🙂 Der Einstieg mit Harald war schon mal sehr interessant… da muss ich gleich doch mal in den Keller einen seiner Weine aufmachen, die er mir zum VinoCamp mitgebracht hatte. In gespannter Vorfreude… Viele Grüße! Tina

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