Hans-Jörg Rebholz

VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (3)

Der dritte Teil meiner Berichterstattung widmet sich wie angekündigt dem Spätburgunder. Während meine Erwartungen an die Rieslinge aus 2013 eher verhalten waren, mich dann die erreichte Qualität oft positiv überraschte, war es beim Spätburgunder anders herum. Wenn Petrus die Winzer nicht mit der Regenpeitsche zur Ernte treibt, scheinen es sich etliche auf dem Sofa bequem zu machen und zu denken: ach, wird das alles herrlich reif. Dann rufen Sie ihren Fassküfer an und sagen ihm, er möge das Barrique dieses Jahr extra stark toasten, weil das dann bestimmt ‚burgundisch‘ wird. Aber aus überreifem Lesegut macht man keine eleganten Burgunder, sondern Trinkmarmelade und das starke Toasting fügt dieser lediglich einen Schuss Espresso hinzu. Ich habe keine Analysewerte der 2012er Spätburgunder eingesehen, aber gefühlt ist bei vielen eine Menge Alkohol im Spiel, das Holz kann ich ohne Analyse schmecken. Die großen Namen haben es besser gemacht, Friedrich Becker (ja, ich weiß, das ist stinklangweilig) zwei Weine gezeigt, die unglaublich gut sind. Auch die sind eher auf der kräftigen Seite angesiedelt aber glänzen mit klaren Konturen und Eleganz.

Ahr

Los ging es mit einem fantastischen Frühburgunder aus dem Pfarrwingert von Meyer-Näkel. Viel Saft und Kraft mit nur dezentem Holz und jetzt schon unglaublichem Trinkfluss. Sollte ich dereinst zum Tode verurteilt werden und mir die Hinrichtungsart aussuchen dürfen: ersäuft mich in diesem Frühburgunder. Der Rest von Meyer-Näkel war schwerer einzuschätzen. Gleiches gilt für die Weine von Stodden, bei dem ich den Rosenthal favorisiere. Es wirkt fast, als probten beide Betriebe den Stilwechsel und hätten ihn bei den gezeigten Weinen verschieden weit forciert, so unterschiedlich sind die einzelnen Weine innerhalb der Kollektionen.

Rheingau

Im Rheingau ist die Hackordnung zementiert mit Kesseler als einsamer Spitze. Ich fand die Weine sehr gut, was angesichts der aufgerufenen Preise ein vergiftetes Kompliment ist. Das ewige Einprügeln auf die Staatsweingüter ist mir hingegen ein Rätsel. Auch in diesem Jahr ist das eine tadellose Kollektion. Beide Weine kamen im Flight jeweils nach dem Kesselers und dann wirken sie etwas grobschlächtig – aber eigentlich sind sie ziemlich gut.

Sachsen

Spätburgunder aus Sachsen, die Paradedisziplin des VDP: Hundert Prozent Trefferquote, Hundert Prozent großartige Weine. Spaß beiseite, es gab nur einen, Schloss Proschwitz, und das ist ein toller Spätburgunder.

Rheinhessen

Schloss Westerhaus hat einen rauen Gesellen am Start, der mit der Zeit vielleicht richtig gut wird (aber auch abschmieren könnte). Die beiden Weine von Gutzler brauchten etwas Luft und wurden dann sehr ansprechend. Dass einer der Weine je richtig groß wird, vermute ich aber eher nicht. Eines GGs würdig sind sie allemal.

Pfalz

War die Verkostung der Rieslinge richtig Arbeit, boten die Spätburgunder vor allem Vergnügen. Knipsers waren leider nicht dabei, Rebholz zeigte einen 2009er Im Sonnenschein, der einfach nur großartig ist. In der Nase etwas Klebstoff und viel Würze, am Gaumen reichlich Bumms aber trotzdem enorme Eleganz. Dr. Wehrheims 2012er ‚Köppel‘ wird vielleicht mal genau so, ist er doch jetzt schon elegant. Über den Idig von Christmann gab es Diskussionen, einige Mitverkoster fanden ihn großartig, ich finde ihn fast fehlerhaft. Solche Weine braucht die Welt, denn diese Diskussionen machen Spaß.

Friedrich Becker schießt den Vogel ab, seine beiden Weine sind wahnsinnig dicht und haben massig Tannin. Ich tippe aber auf die Beigabe von Rappen während der Gärung und nicht auf übertriebenen Holzeinsatz. Es ist jetzt schon zu spüren, wie die mal werden: der Kammerberg hat für mich Restrisiko nur großartig zu werden, der St. Paul wird garantiert ein Riese.

Franken

Der Hundsrück von Fürst könnte dem St. Paul Konkurrenz machen, das zumindest der erste Eindruck. Für ein finales Urteil bräuchte ich mehr davon im Glas. Der Schlossberg zementiert Benedikt Baltes’ Ausnahmestellung, von kometenhaftem Aufstieg müssen wir nicht mehr reden, der ist angekommen in der deutschen Spitze. In Franken gibt es auch endlich mal einen Wow-Wein abseits der üblichen Verdächtigen: der Mausberg vom Zehnthof Luckert ist zart und elegant – und richtig gut.

Württemberg

Der Verrenberg von Fürst zu Hohenlohe Oehringen war für mich der beste Spätburgunder aus Württemberg, dank kühler Eleganz. Auf den Fersen sind ihm der Burg Wildeck vom Staatsweingut Weinsberg mit herrlich kräutriger Nase, der Bergmandel von Schnaitmann, der dem St. Paul von Becker ähnelt aber ein ganz bisschen marmeladig ist (Meckern auf allerhöchstem Niveau) und dem Spätburgunder aus gleicher Lage von Heid. Diesem Bergmandel (von einem Winzer, den ich vorher nicht kannte) traue ich mit Reife sogar zu, der beste Württemberger 2012 zu werden, wenn sich das derzeit überbordende Tannin optimal integriert.

Baden

Seegers Herrenberg Oberklamm ist für mich die Entdeckung in Baden, das ansonsten von Huber dominiert wird. Letzterer liegt fast gleichauf mit Becker, wenn nicht die Sommerhalde bei mir Zweifel sähen würde. Dieser Wein wirkt etwas übertrieben, ich fürchte das ist zu viel Wucht. Beim Schlossberg kommen einem dafür die Tränen, so gut ist seine Struktur. Hubers Durchmarsch wird ermöglicht von einer schockierenden Phalanx unterdurchschnittlicher Südbadener. Der Kaiserstuhl ist 2012 angetreten zu beweisen, dass man ohne Säure keinen Spätburgunder machen kann. Salweys Eichberg erntet noch ein bisschen Applaus, der Rest erntet Schweigen (und das von mir, dem Dr.Heger-Rotweinfan).

Fazit: Wer deutschen Spätburgunder mag, der wird im Jahrgang 2012 viele großartige Weine finden. Der erhoffte Jahrhundertjahrgang ist es leider nicht und kaum ein Newcomer hat die Chance genutzt aus diesen optimalen Bedingungen Kapital zu schlagen. Luckert und Heid sind allerdings unbedingt das Probieren wert.

P.S. Zurück in Berlin hatte ich das Vergnügen, einer Probe mit Hans-Jörg Rebholz bei Planet Wein beizuwohnen (daher das Titelfoto dieses Beitrags), in der er auch seinen Spätburgunder noch einmal zeigte. Ich habe mich erniedrigt, bei Tisch-Nachbarn Reste geschnorrt, und kann jetzt sagen, dass ich ihn nicht nur verkostet, sondern zwei Gläser davon getrunken habe. Ja, das ist ein großartiger Wein, der in einigen Jahren richtig strahlen wird.

VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (1)

VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (2)

VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (4)

Ein Gedanke zu „VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (3)“

  1. Huber werde ich sicher auch probieren, zumal alle die Weine loben, mir aber von anderer Seite gesagt wurde, alle 2012er durchziehe eine Note, die an „Zahnarzt“ erinnere. Schaun mer Mal…

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