Zuckerampel auf Etikett

Die Zuckerampel

Wäre ich für das Marketing eines Weinbaugebietes verantwortlich und wollte eine Gruppe von ‚Multiplikatoren‘ (wie ich sie als Marketingverantwortlicher nennen würde) davon überzeugen, wie großartig die Weine meines Gebietes sind, ich würde sie in einen Bus setzen, zum schönsten Weinberg meiner Ecke karren, dort von einem weltberühmten Winzer abholen und rundum verwöhnen lassen. Dieser Gedanke kam mir vor knapp drei Wochen, als ich als Teil einer Gruppe Weinblogger und -händler sowie Journalisten und Sommeliers durch den Weinberg ‚Rangen‘ in Thann kraxelte, angeführt von Star-Winzer Olivier Humbrecht vom Weingut Zind-Humbrecht, der uns kurz darauf mit einigen Kollegen die Weine der steilsten und eindrucksvollsten Lage des Elsass’ kredenzte – bei einem Picknick am Fuße der Lage, mit Spezialitäten der Region und alten Jahrgängen bis in die 1980er. Soweit also die Offenlegung: ich war im Elsass, eingeladen, verwöhnt, manipuliert – letzteres vor allem von guten Weinen.

Anlass meiner Reise ins Elsass war die Millésimes Alsace, eine Leistungsschau elsässer Winzer, die alle zwei Jahre in Colmar stattfindet. Dieses Jahr fand Sie parallel zur VieVinum in Wien statt. Das war ein bisschen ungeschickt von den Organisatoren. Wenn es darum geht ein bisschen ungeschickt zu sein, sind die Elsässer versiert. Das hatte der elsässer Weinbaupräsident Rémy Gresser vorletztes Jahr beim Vinocamp 2012 offen angesprochen – und dann großartige Weine gezeigt, weswegen ich diese Reise überhaupt antrat. Ich wollte unbedingt mehr über das Elsass und seine Weine wissen. Jetzt weiß ich mehr – auch über den elsässischen Hang zur Ungeschicklichkeit.

Eigentlich könnte das Elsass so was wie das Mallorca des deutschen Weintrinkers sein, quasi ein vierzehntes Anbaugebiet. Der gemeine Deutsche könnte mit dem Auto hinfahren, käme mit seiner Muttersprache ziemlich weit, hätte besseres Wetter als daheim und müsste auf nix verzichten. Wie der Rentner auf den Ballearen überall sein Schnitzel oder seine Currywurst erhält, hätte der deutsche Schoppenschlotzer hier seinen heimischen Rebsortenmix: Riesling, Grau- und Weißburgunder, Silvaner und ein bisschen Spätburgunder. Und Neues gäbe es auch zu entdecken: Unter den 14 Bodenformationen des Elsass befinden sich auch solche, die in Deutschland eher selten auftreten. Richtig guten Riesling vom Granit kenne ich aus Deutschland gar nicht – was nicht heißt, dass es Ihn nicht gibt, mir fällt allerdings keine bekannte Granitlage ein (der Durbacher Plauelrain vielleicht, obwohl dort der Granit schon sehr stark zu Sand verwittert ist). Die probierten Riesling Grand Crus aus den Lagen Schlossberg oder Winzenberg haben alle ein verbindendes Element, eine Festigkeit die ihnen hervorragend steht. Aber das Elsass ist nicht so etwas wie das Mallorca deutscher Weintrinker. Viele gute Erzeuger haben keinen Importeur für Deutschland. Das Elsass findet hierzulande nicht statt.

Ein Grund könnte sein, dass elsässer Weinetiketten noch verwirrender als deutsche sind. Ich probierte wohl an die zwei Dutzend Weine aus besagtem Schlossberg, einer von 51 elsässischen Grand Crus, und von furztrocken bis pappsüß war alles dabei. Die Rebsorte ist ausgewiesen, die gesetzlichen Bezeichnungen Sec oder Demi Sec finden keine Anwendung. Wo Schlossberg draufsteht kann vieles drin sein auch restsüßer Grauburgunder. Das war für mich eine Begegnung der eher unheimlichen Art: Restsüßer Grauburgunder ist im Elsass populär und gilt als großartiger Essensbegleiter. Ich hab’s zu jedem Essen versucht, ein einziges Mal fand ich es halbwegs gelungen, mit einem Genossenschafts-Pinot-Gris der Cave Jean Geyler. Bei allen anderen hat es mich geschüttelt – auch bei 60 Euro teuren Grand Crus, selbst am Fuße des Rangen. Grauburgunder zeigt häufig ein Aroma, das ich hier im Blog als ‚etwas ordinär‘ bezeichne, Winzer nennen das vornehm ‚erdig‘ und meine Tochter würde wohl Käsefüße sagen (wenn Sie denn Wein probieren dürfte). Trifft dieses Aroma auf hohen Alkohol, Überreife, Spuren von Botrytis und 40 oder mehr Gramm Restzucker, steige ich aus.

Zuckerampel auf dem Etikett

Die neue Zuckerampel auf dem Etikett elsässer WeineÜberhaupt, der Zucker! Es gehört für mich zu den Mysterien der Weinwelt, dass elsässer Weißwein international als trocken gilt, den Deutschen bei ihren Weinen aber immer das ‚Zuckerschwänzchen‘ vorgeworfen wird. Vielleicht die Hälfte dessen, was ich probierte, hatte ‚deutsche‘ Zuckerwerte, also zwischen 4 und 8 Gramm Restzucker, ein Viertel der Weine deutlich mehr. Viele Winzer zeigten mehrere Jahrgänge auf der Weinmesse und mir begegneten manche Weine, die in einem Jahrgang staubtrocken, im nächsten Jahrgang feinherb waren, am Etikett nicht zu erkennen, es steht ja nur ‚Grand Cru‘ drauf. Das krasseste Beispiel waren die Weine von Bruno Hertz, der 2008 einen Riesling mit 2,4 und im nächsten Jahr mit 22 Gramm Restzucker abfüllte – unter der gleichen Bezeichnung! Darauf angesprochen kam vom Winzer lediglich: ‚Jedes Jahr ist anders‘. Ein anderer Winzer zeigte mir eine neue Kennzeichnung. Die Elsässer wollen des Problems jetzt mit Hilfe einer Zuckerampel Herr werden. Auf der Rückseite zeigt eine Skala ganz deutlich, wie das Geschmacksbild des Weines bezüglich Süße aussieht. Das könnte das Problem lösen. Wenn die Berührungsängste dadurch fallen, werden die Konsumenten auch in Deutschland erkennen, wie viel gute Weine im Elsaß gemacht werden. Ein paar Tipps dazu gebe ich im zweiten Teil meines Reiseberichtes. Für heute schließe ich mit dem ‚Jedes Jahr ist anders‘-Winzer.

Grand Cru Rangen de Thann aus dem ElsassBruno Hertz, Riesling ‚Hospices de Strasbourg‘, Grand Cru Rangen de Thann, 2008, Elsass. In der Nase ein sehr reifer Riesling mit etwas Firne, feiner Frucht (Aprikose, Quitte und Melone) und diesem etwas würzigen Rangen-Duft. Am Gaumen sorgt die knackige Säure für viel Frische, die mit  Noten von Malz, überreifen Früchten und würzigen Reifenoten spielt. Das ist enorm elegant und knackig aber eben nicht jugendlich, sondern spannend gereift. Das Spiel aus Süße und Säure ist bemerkenswert, wobei die Süße weder vom Zucker kommt (2,4 Gramm pro Liter, also knochentrocken) noch vom Alkohol (12,6%). Es ist pure, süße Frucht – eine harte Nuss für die Zuckerampel. Sehr langer Abgang, grandioser Wein.

Einen stimmungsvollen Bericht von Reisekamerad Thomas Günther finden Sie hier.

6 Gedanken zu „Die Zuckerampel“

    1. En bisschen. Sie ist fünfstufig und die Grenze zwischen der ersten und zweiten Stufe ist die zwischen geschmeckt ‚fränkisch trocken‘ und dem gesetzlich trockenen mit dem besagten ‚Zuckerschwänzchen‘. Da bleibt noch je eine Stufe für echt halbtrocken, so ähnlich wie feinherb und richtig süß. Also den geschmacklichen Unterschied zwischen Spätlese fruchtsüß und Beerenauslese edelsüß kann man damit wohl nicht ausdrücken. Allerdings benutzen die Elsässer dafür die entsprechenden Prädikate.

      1. Danke. Wie steht es beim Eiswein hinsichtlich der Einordnung in die elsäsischen Prädikatsstufen „vendages tardives“ und „sélection de grains nobles“? Ich habe kürzlich einen elsässischen Eiswein (zumindest nach Angaben der Bezugsquelle) verkostet, dessen Etikett keine solche Prädikatsstufe aufwies.

        1. Ich bin da nicht der Experte aber glaube, dass Vin de Glace ein eigenes Prädikat ist. Sélection de Grans Nobles muss Botrytis haben, was dann den Eiswein verhindert. Vendanges Tardives geht nur über das Mostgewicht und eine sensorische Prüfung. Die Abstufung sollte also legal sein, aber wer stuft einen Eiswein freiwillig zur Spätlese ab 🙂

  1. Eine Frage zu dem Artikel von Thomas Günther: dort werden 5 Erzeuger im Rangen de Thann genannt (Z-H, Wolfberger, Schoech, Schoffit und Hertz). Es gibt noch zwei weitere Erzeuger (http://fr.wikipedia.org/wiki/Rangen_%28grand_cru%29#Liste_de_producteurs) und (gar nicht bei Wiki genannt) noch einen ausgezeichneten Rangen de Thann von der Domaine Martin Schaetzel, der aber jedenfalls zum Teil (oder ganz, das habe ich nicht mehr im Kopf) aus zugekauften Trauben erzeugt wird. Tolle Artikel jedenfalls, alle beide.

    1. Die Stadt Thann hat auch noch Besitz im Weinberg und wohl noch andere, die dann aber die Trauben verkaufen (vielleicht an Schaetzel?). Wie viele Produzenten es also genau gibt, weiß ich nicht. Sonst einfach noch mal bei Thomas nachfragen.

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